E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Ferchländer Die Apfelstrudelmisere
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96041-710-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
ISBN: 978-3-96041-710-1
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eine bitterböse Krimifarce mit viel weiblichem Charme und irrwitzigen Wendungen.
Nach drei Jahren fröhlicher Witwenschaft in ihrer hübschen Jugendstilvilla in Baden bei Wien ist Schluss mit lustig für Helene: Neue, belastende Fakten rund um den Tod ihres Mannes sind aufgetaucht. Inspektor Moravec ist drauf und dran, die Ermittlungen gegen sie und ihre Haushälterin Tereza wiederaufzunehmen und so ihrem dunklen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Es gibt nur einen Weg, ihren Kopf zu retten – Helene muss Moravec heiraten und Tereza vor die Tür setzen. Doch damit geht der Schlamassel erst richtig los.
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1. Nachwehen Will man der Statistik Glauben schenken, dann sank für Chefinspektor Moravec das Risiko eines vorzeitigen Todes um vierundzwanzig Prozent, als ich ihm das Jawort gab. Andersherum betrachtet stieg seine Lebenserwartung um volle sieben Jahre. Man sollte sich nicht zu sehr auf die Statistik verlassen. Sie hatte schon meinem ersten Mann nichts genützt, und ein zweiter war in meinen Lebensplänen nicht vorgesehen. Weiß der Himmel, warum sich dieser Idiot einbildete, ich wäre die Richtige für ihn und es wäre zum Vorteil aller Beteiligten, wenn ich ihn zum Manne nähme. Von mir hatte er gewiss keinerlei Ermutigung erfahren, abgesehen vielleicht von ein paar der Notwendigkeit geschuldeten Augenaufschlägen. »Helene! Du hast mein Herz schneller schlagen lassen, seit ich dich zum ersten Mal sah. Ich habe es mir nicht leicht gemacht und mir diesen Schritt lange überlegt. Wie du dir denken kannst, gibt es ja auch einige Argumente, die gegen eine Verbindung zwischen dir und mir sprechen. Immerhin gehe ich damit auch beruflich ein großes Risiko ein.« Oja, dachte ich, die Liste der Gegenargumente ist auch meinerseits lang. Angeekelt musste ich zusehen, wie er sich mit einem Stofftaschentuch, dessen mangelnde Sauberkeit mir nicht verborgen blieb, den Schweiß von der Stirn tupfte, während er sich aus seiner knienden Position emporhievte. Und dann knallte er mir diese fette Mappe hin. Das Konvolut, das gnadenlos Terezas und meine Missetaten dokumentierte. »Sag Ja, Helene, und diese Akte hat niemals existiert!« Was blieb mir anderes übrig? Dabei hatte meine Witwenschaft so vielversprechend begonnen. Ich war hochschwanger, als meine wieder beste Freundin Alma nach der Geburt ihres Söhnchens zu uns in die Villa ins Helenental zog. Ich hatte ihr großzügig verziehen, dass sie sich meinen Mann gekrallt hatte und sich auch noch von ihm schwängern ließ. Immerhin hatte Hermann auch sie sitzen lassen. Und so einte uns nicht nur der gemeinsame Groll gegen ihn, sondern auch der frische Nachwuchs. Um ehrlich zu sein, ein bisschen plagte mich auch das schlechte Gewissen, weil Alma durch den vorzeitigen Tod meines Gemahls, an dessen Ableben ich ja nicht ganz unschuldig war, keine Alimente für ihr Söhnchen bekam. Hermann konnte seine Vaterschaft schlecht posthum anerkennen, und sie konnte keinen Vaterschaftsnachweis erbringen – hatte ich doch alle genetischen Spuren des vermeintlichen Kindsvaters wohlweislich verschwinden lassen. Aber davon ahnte sie ja nichts. Für Alma war ich die großzügige Freundin, die sie trotz des missbrauchten Vertrauens mit offenen Armen wieder aufgenommen hatte. Außerdem profitierten wir beide von dem Arrangement. In Ermangelung von Vätern, denen man die Verantwortung über den gemeinsamen Nachwuchs zumindest zeitweise übertragen konnte, halfen wir uns gegenseitig aus, wenn eine von uns sich nach Freiraum sehnte oder Erschöpfungszustände zeigte. Für den Löwenanteil unseres Wohlbefindens zeichnete allerdings Tereza, meine tschechische Perle von Haushälterin, verantwortlich. Sie sorgte für ein behagliches Zuhause, verwöhnte uns kulinarisch nach Strich und Faden und machte sich als Leihoma unentbehrlich. Die männliche Überwachung unserer kleinen Goldschätze übernahm mein erwachsen gewordener Pitbull Draco. Ich war also, im Gegensatz zu meiner Mutter, eine äußerst zufriedene Witwe – zumindest, was meinen gattenlosen Zustand betraf. Hermann selbst fehlte mir nicht im Mindesten. Wenn er eine Lücke hinterlassen hatte, dann allenfalls eine finanzielle. Womit ich nämlich nicht gerechnet hatte, war die ungünstige Erblage. Die Villa hatte mir ja schon vor seinem Ableben gehört, daran gab es nichts zu rütteln, aber Hermanns übriges Vermögen ging nur zu einem Drittel an mich. Auf die restlichen zwei Drittel würde meine Tochter Emma – als einziges von ihm anerkanntes Kind – erst nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres zugreifen können. Und so musste ich mit läppischen dreitausend Euro Witwenpension monatlich das Auslangen finden. Kein Wunder, dass ich mein Konto chronisch überzog. Der Bankbeamte war freundlich, aber bestimmt. Ich müsse mich einschränken, wenn ich die Villa behalten wollte, warnte er, denn auch das Wertpapierkonto schmolz dahin wie die Gletscher der Antarktis. Allein das Wort »einschränken« erweckte in mir ein Kindheitstrauma. Mama war ja niemals müde geworden, ständig auf ihre prekäre Lage hinzuweisen, nachdem Papa die Scheidung eingereicht hatte. Und neuerdings fing sie zu jammern an, wer ihr wohl die Alterspflege finanzierte. Mit mir durfte sie nicht rechnen, ich musste selbst sehen, wie ich über die Runden kam. Aus finanzpolitischen Überlegungen und frei nach dem Motto: »Strenge Rechnung, gute Freunde«, legte ich Alma eines Tages einen Mietvertrag vor. »Spinnst du?«, rief Alma entsetzt. »Die Miete für mein Atelier und die Galerie im ersten Bezirk kostet ohnehin schon ein Vermögen!« »Wann hast du eigentlich dein letztes Bild verkauft, sag?«, stichelte ich. »Da sieht man wieder, dass du vom Kunstgeschäft keine Ahnung hast. Ein gutes Bild wartet auf seinen finanzkräftigsten Liebhaber.« »Vielleicht solltest du deine Preispolitik neu überdenken und deine Kunst auch fürs gewöhnliche Volk zugänglich machen?« Ein Argument, das die Künstlerin in ihr verlässlich beleidigte. »Ich verschleuder meine Bilder doch nicht für ein Butterbrot!«, blaffte sie zurück. »Genau darum geht’s, liebe Alma. Ums Brötchenverdienen. Fakt ist, dass du hier schon über zwei Jahre gratis Vollpension genießt und dein Balg rund um die Uhr betreut wird, damit du dich deiner Kunst widmen kannst. Rechne dir aus, was dich das in Wien kosten würde.« »Sprich nicht so despektierlich über meinen Sohn, er ist kein Balg!«, rief sie. »Er ist Hermanns Sohn! Genau genommen wäre er der rechtmäßige Erbe.« »Tja, Alma. Das sagst du. Vor dem Gesetz ist es meine Emma. Sein einziges ehelich gezeugtes Kind.« »Wenn sie denn überhaupt von Hermann ist, ha! Ich sage nur: Latin Lover!« Verdammt! In diesem Moment bereute ich es bitter, Alma in einem Anfall von Mitteilungsbedürfnis gestanden zu haben, dass Emma auch das Ergebnis einer Liebesnacht mit Armando, Hermanns unehelichem Sohn aus Guatemala, sein konnte. Ich schüttete Alma den Rest meines Kaffees ins Gesicht. War eh schon kalt. Woraufhin sie »Ich werde eine Vaterschaftsklage bei Gericht einbringen! Und dann werden wir ja sehen, wer hier erbt!«, schrie, sich ihr Kind schnappte und nach Wien verschwand. »Kommen wir auch zu dritt gut zurecht«, tröstete uns Tereza, als sie Emma und mich um die Wette heulend auf dem Wohnzimmerteppich vorfand. Sie hatte den Streit natürlich dank der Durchreiche, die wir seinerzeit vom Wohn-/Esszimmer in die Küche durchbrechen ließen, hautnah mitbekommen. In Wirklichkeit weinte ich nicht aus Trauer, weil Alma mich verlassen hatte, sondern aus Wut – und Angst. Was, wenn sie ihr Vorhaben wahr machte? Brächte es Emma tatsächlich um ihr Erbe, wenn sie nicht von Hermann war? Konnte Alma doch noch beweisen, dass Hermann der Vater ihres Sprosses war? »Kannst du kurz auf Emma aufpassen? Ich muss schnell was checken!«, bat ich Tereza. »Check nur, Helene. Emma und ich werden gehen in Kiche und schauen wie geht Kuchen!« Emmas Tränen versiegten augenblicklich. Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie Tereza nach. Ihre schwarzen Löckchen wippten im Takt ihrer Fußtrittchen. Ach, mein Schätzchen! Du wirst zu deinem Recht kommen, das schwöre ich! Panisch lief ich von Zimmer zu Zimmer, ob sich nicht doch irgendwelches verräterisches Material finden ließ, das Hermanns DNA gespeichert haben könnte. Aber seine Klamotten hatten wir der Caritas zukommen lassen. Bettzeug, Handtücher und Geschirr, alles, was er benutzt hatte, war garantiert tausendmal gewaschen worden. Auch im Badezimmer würde man nichts mehr finden. Kämme, Duftwässerchen und Rasierzeug hatte Tereza entsorgt, als Hermann noch nicht einmal dem Feuer übergeben worden war. Drei Jahre war das nun her. Schon damals hatte sie in weiser Voraussicht jede Spur des Ehebrechers aus meinem Umfeld entfernt. Erleichtert ließ ich mich auf dem Badewannenrand nieder. Wir hatten nichts vergessen. Überhaupt gratulierte ich mir wieder einmal zu dem genialen Entschluss, Hermanns sterbliche Überreste einäschern und zu Diamanten pressen zu lassen. So konnte man seine Leiche nicht mehr exhumieren. Dennoch fragte ich mich, ob das bisschen Asche, das nach der Prozedur von ihm übrig geblieben war, vielleicht doch noch verwertbare Genspuren enthielt? Ich lief ins Schlafzimmer und zog mein iPad aus der Ladestation. »In menschlicher Asche ist die DNA meist unbrauchbar«, fand ich in einem Artikel über 9/11 und die Probleme der Identifizierung der Leichen. Das hörte sich schon mal beruhigend an. Ich betrachtete die edle Urne, die ich in einer extra dafür angefertigten Nische des Zimmers platziert hatte. Da spross ein Gedanke in mir, der mich lächeln ließ. Selbst wenn man damit genetisch noch etwas anfangen konnte – diese Asche war nicht sortenrein und konnte Emma nicht gefährlich werden. Schließlich hatten Tereza und ich auch Armandos Leiche in Hermanns Sarg geschmuggelt, Vater und Sohn waren gemeinsam dem Feuer übergeben worden. Und ich hatte für meine Ohrringe extragroße Diamanten bekommen. Die Asche von Emmas Vater war unter Garantie in dieser Urne, egal, ob Hermann oder Armando ihr Erzeuger war. Alma hatte also nichts gegen sie in der Hand! Längere Zeit hörte ich nichts von meiner vormals besten Freundin, bis sie eines Tages mit einem Beau an der...