Felsch | Wie August Petermann den Nordpol erfand | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Felsch Wie August Petermann den Nordpol erfand


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-05004-7
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-641-05004-7
Verlag: Luchterhand Verlag
Format: EPUB
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Wie eine falsche Karte den Wettlauf zum Nordpol auslöste - Ein hinreißend erzähltes Wissensabenteuer für alle Leser von Dava Sobel, Simon Winchester und Sten Nadolny

Nordpol: Ort der Sehnsucht und Entdeckerlust für das 19. Jahrhundert. Ein Deutscher will bei diesem Abenteuer mit dabei sein: der genialische Kartenzeichner August Petermann. Die Engländer reiben sich erstaunt die Augen, als dieser Bücherwurm, der noch nie einen Eisberg gesehen hat, ihnen erklärt, wo sich – »ernsthaften und besonnenen Berechnungen« zufolge – der für verschollen erklärte John Franklin aufhalten muss. Als die Seeoffiziere sich gegen Petermanns Theorien wehren, zieht er sich tief enttäuscht nach Gotha in Thüringen zurück. Dort erobert Petermann den Nordpol auf seine Weise: auf dem Papier. Und schickt zahlreiche Expeditionen in die Irre, weil er von seiner – falschen – Theorie partout nicht lassen will ...

Das subtile Porträt eines typisch deutschen Forschers, eines »Humboldts am Schreibtisch«.
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" (S. 156-157)

Gegen Ende 1866 stellte sich Petermanns Lage folgendermaßen dar: Preußen und Österreich, die statussensiblen deutschen Machtstaaten, hatten eine Polarexpedition in Erwägung gezogen. Aber keiner von beiden wollte der erste sein. Nachdem sie den Ball eine Weile lang hin- und hergeschoben hatten, kam der Krieg, der ihren zaghaften Überlegungen ein rasches Ende bereitete. Von dieser Seite war fürs Erste nichts mehr zu erwarten.

Und auch die Mobilisierung der deutschen Nation, von Petermann parallel betrieben, hatte keine vorzeigbaren Ergebnisse erbracht. Einen Haufen von extravaganten Vorschlägen, ja, und eine bescheidene finanzielle Grundausstattung. Doch seit dem Beginn seiner deutschen Arktiskampagne neigte sich nun schon die zweite Saison ihrem Ende entgegen, und abgesehen von dem peinlichen Debakel mit der Queen of the Isles war Petermann dem Nordpol nicht wirklich näher gekommen. Noch immer befand er sich auf der Suche nach einer Instanz, die seine Pläne verwirklichen konnte. Im November 1866 erschien in den Geographischen Mitteilungen ein langer Artikel über das deutsche Fischereiwesen.

Der Tenor war flammend patriotisch: Rückstand der eigenen auf die englischen und holländischen Fangflotten, Proteinbedarf der deutschen Bevölkerung, Aussicht auf ökonomische Prosperität für die Küstenstädte. Das größte Potential sah der Autor im arktischen Ozean. Schon lange hatte Petermann die Hamburger und Bremer Hanseaten im Blick, die über das Geld und die nötigen Schiffe verfügten, um eine Expedition zum Nordpol auf die Beine zu stellen. Mit dem Exkurs zum Fischfang legte er ihnen nun einen schmackhaften Köder aus. Und zumindest die Bremer Reeder bissen an.

Eine Truppe von buddenbrookschen Figuren betritt jetzt die Bühne, schwere Männer mit buschigen Backenbärten, die es gewohnt sind, geschäftliche Interessen und politische Verantwortung unter einen Hut zu bringen: der steinreiche Konsul H. H. Meier, Gründer des mächtigen Norddeutschen Lloyd und Reichstagsabgeordneter, der eine Expedition bei Bedarf aus seiner Portokasse bezahlen kann. Der Reeder Albert Rosenthal, der auf neue Fanggründe für seine Walfangschiffe spekuliert. Dazu, im Hintergrund, weniger bekannte Bremer Kaufmannsgestalten wie Alexander Mosle und George Albrecht.

Wilhelm von Freeden und Arthur Breusing, die Direktoren der Navigationsschulen in Bremen und Hamburg, versorgten das Prozedere mit seemännischer Expertise. »Für uns in der Schule«, schrieb Freeden an Petermann, »ist es schon ein häufig ventilirtes Thema, wie sich ein Steuermann puncto der Schiffsführung und Nautik am Pol zu verhalten haben würde.« Was tun, wenn in allen Richtungen Süden liegt? Wie es scheint, probten Deutschlands nautische Kaderschmieden bereits für den geografischen Ausnahmefall.

Kaum saßen, ab 1867, die Hanseaten mit im Boot, nahm die deutsche Nordpolkampagne zügig Fahrt auf. Schiffe, Matrosen, Verträge und Termine tauchten auf, die Spendensammlungen wurden intensiviert und die Machbarkeiten abgewogen. Für Petermann gestaltete sich die Situation dadurch jedoch nicht einfacher. In dem Maß, wie seine lange ersehnte Nordpolfahrt endlich Gestalt annahm, wie er Interessen moderieren, Kompromisse eingehen und schließlich an Land zurückbleiben musste, machte sich im Gegenteil eine merkwürdige Verstörung breit.

Anlässlich der abgeblasenen Audienz beim Kaiser von Österreich habe ich oben bereits von Petermanns tragischem Hang oder besser: Zwang erzählt, die eigenen Pläne vor ihrer Verwirklichung zu schützen. Als hätte der Theoretiker die Konfrontation mit der Praxis nicht ertragen. Unter der neuen Ägide der Bremer Kaufleute deuteten sich ähnliche Schwierigkeiten an. Seine eigentliche Nagelprobe hatte der Kartograf mit dem Mann zu bestehen, der dazu ausersehen wurde, seine Vision in die Tat umzusetzen: mit dem Obersteuermann Carl Koldewey.


Felsch, Philipp
Philipp Felsch, geboren 1972, arbeitet als Kulturwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein besonderes Interesse gilt den künstlichen Welten aus Papier, in die sich Wissenschaftler und andere Welteroberer immer dann oft geflüchtet haben, wenn sie darauf aus waren, die Welt zu erobern. In seinem nächsten Buch folgt er dem Faszinosum der Theorie in den revolutionären Jahren vor und nach Achtundsechzig.



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