Fellmann | Philosophie der Lebenskunst zur Einführung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: zur Einführung

Fellmann Philosophie der Lebenskunst zur Einführung


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96060-078-7
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-078-7
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Philosophie der Lebenskunst beschreibt ein noch unvollendetes Projekt der Zusammenführung zweier Typen von Ethik: der antiken Tugendethik und der modernen Sollensethik. Dieser Band beschreibt die wechselvolle Geschichte der konkreten Anwendung ethischer Reflexion an einzelnen Autoren wie Epikur und Seneca,Montaigne und Gracian, Schopenhauer und Nietzsche bis zu Erich Fromm und Michel Foucault. Auch ostasiatische Weisheitslehren finden in der Darstellung Berücksichtigung. Das Resultat ist ein lebensphilosophischer Begriff moralischer Verpflichtung, die sich aus der Spannung zwischen dem Glücksstreben und der Glücksfähigkeit des Menschen ergibt. In Zeiten der postmodernen Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen erweist sich der alttestamentarische Spruch 'Jegliches hat seine Zeit' als Prinzip einer realistischen Lebenskunst.

Fellmann Philosophie der Lebenskunst zur Einführung jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Der Ort der Lebenskunst im System der Philosophie
Damit dieses Buch nicht zu einer Einführung in etwas wird, was es gar nicht gibt und vielleicht auch nicht geben kann, wollen wir uns vor dem Einstieg in die Geschichte der Philosophie der Lebenskunst über ihren wissenschaftstheoretischen Status Klarheit verschaffen. In der Antike gehörte Lebenskunst (techne tou biou) zur Tugendethik. Mit der neuzeitlichen Auffassung von Moralphilosophie als rationale Normenbegründung verlor die Lebenskunst ihren Platz in der Philosophie und wurde der empirischen Psychologie und Psychotherapie zugerechnet. Daraus ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die populäre Ratgeber-Lebenskunst erwachsen. Dagegen versteht sich die »Philosophie der Lebenskunst« als Integration von empirischer Lebenstechnik und normativer Ethik, eine Synthese, deren logischer Status allerdings schwer zu bestimmen ist. Mit welcher Form von Wissen hat es die »Philosophie der Lebenskunst« zu tun? Handelt es sich um »gerechtfertigte, wahre Meinung«, und wenn ja, worin liegt diese Rechtfertigung? Bei diesen Fragen ist zu berücksichtigen, dass moralische Normen nicht nach dem Muster von Naturgesetzen gelten, sondern es handelt sich um Orientierungsmuster in praktischer Absicht, die den Menschen zu bestimmtem Verhalten motivieren und seine moralische Urteilskraft herausfordern. Es geht also um nichts weniger als um eine Beschreibung des menschlichen Selbstverhältnisses, der Selbstbesinnung und Selbstbestimmung, wie sie aus der Perspektive der ersten Person empfunden und gelebt werden. Man kann auch von Selbstbildern sprechen, deren Normativität verschiedene Formen des Wissens in sich vereint. Selbstbilder als Daseinsmetaphern
Kommen wir zunächst zum Erfahrungswissen in seiner zweifachen Ausrichtung, als knowing how und knowing that. Ersteres betrifft Alltagswissen, also medizinische, psychologische und soziale Tatsachen, die jedem bekannt sind. Darüber hinaus geht es bei diesem Wissen aber auch um die Ergebnisse der empirischen Wissenschaften vom Menschen, die sich jeder mehr oder weniger leicht aneignen kann. Bei der zweiten Wissensform geht es um Regeln der Anwendung von Erfahrungswissen im Hinblick auf das körperliche und psychische Wohlergehen der Menschen. Die Regeln, die hier zur Anwendung kommen, sind rein pragmatischer Natur, d.h., sie funktionieren nach dem Prinzip von Mittel und Zweck im Umgang mit sich selbst. Hinzu kommen Regeln des sozialen Umgangs, die eine höhere strategische Kompetenz erfordern, in ihrer Zielsetzung aber vom Beobachterstandpunkt beschrieben werden können, so dass man Lebenskunstwissen unter die Rubriken Individualpsychologie und Sozialtechnologie einordnen kann. Die Lebenskunst geht von empirischem Wissen aus, um daraus Handlungsmaximen oder hypothetische Imperative zu formulieren. Alltagswissen und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Natur des Menschen bleiben moralisch aber nie neutral; sie gehen immer in das Bild ein, das sich der Mensch von sich und von seiner Welt macht. Der Prozess der Moralisierung besteht demnach darin, Erfahrungswissen in Symbole des menschlichen Selbstverständnisses zu verwandeln, sie zu »Daseinsmetaphern« (Hans Blumenberg) zu machen, die den moralischen Sinn des Menschen prägen. Damit kommt das Selbstverständnis des Menschen ins Spiel, das davon abhängt, in welcher Relation Lebenszwecke und Verhaltensregeln zueinander stehen. Ziele und Wege lassen sich nicht unabhängig voneinander definieren, sondern stehen in permanenter Wechselwirkung, so dass die subjektive und die objektive Seite des Lebensvollzugs im Selbstverständnis korrelieren. Anders gesagt: Moralität unterliegt Forderungen, die nicht von außen an den Menschen herantreten, sondern mit dem Selbstsein der Person zusammenfallen. Das ergibt sich aus der Einsicht der philosophischen Anthropologie, die im Menschen das Wesen erkannt hat, dessen Sein von seinem Bewusstsein abhängt. Bewusstsein aber beschränkt sich nicht auf theoretische Selbstreflexion, sondern umfasst ein praktisches Selbstverhältnis, das im Selbstwertgefühl des Menschen Ausdruck findet. Zwischen Doxa und Episteme
Eine philosophische Dimension erreicht die Lebenskunst erst dann, wenn die Ziele, zu denen die Verhaltensregeln führen sollen, selbst thematisiert und problematisiert werden. Wenn die Philosophie der Lebenskunst es mit Reflexionswissen zu tun hat, erhebt sich die Frage, welche Stelle sie im System der Philosophie einnimmt. Denn betrachtet man Philosophie, wie heute üblich, als begründende Wissenschaft, so klingt »Philosophie der Lebenskunst« wie ein hölzernes Eisen. Man könnte sogar den Vorwurf erheben, dass sie den Sinn der Lebenskunst verkehrt. Denn Kunst will eben keine Wissenschaft sein, sondern eine den Situationen angemessene Technik, die auf Erfahrung und nicht auf Prinzipien beruht. Auch zu anderen Dichotomien steht das Programm einer philosophischen Lebenskunst quer, so zur Unterscheidung von Theorie und Praxis, sodann zur Kontrastierung von Meinung und Wissen, doxa und episteme, und schließlich, wie bereits ausgeführt, zur Opposition von empirischem und normativem Standpunkt. Mit Immanuel Kant zu sprechen: Wo liegt das »Gebiet«, auf dem die Philosophie der Lebenskunst gesetzgebend ist? In historischer Perspektive steht die Lebenskunst den Weisheitslehren am nächsten, wie sie im vorklassischen Griechenland verstanden und praktiziert wurden. Freilich kann ein moderner Begriff philosophischer Lebenskunst nicht mehr die religiösmythischen Motive enthalten, von denen die griechischen und orientalischen Weisheitslehren getragen wurden. Wir haben es also systematisch mit dem Problem der Vereinbarkeit von theoretischer Einsicht und praktischer Einstellung zu tun, die sich einerseits ausschließen, andererseits aber aufeinander verweisen. Gesucht ist eine neuartige Form philosophischer Reflexion, die sittliche Einsicht als universale Kritik menschlicher Lebensziele begreift. Der Praxisbezug ist mehr und etwas anderes als Anwendung universaler Normen, er ist der Formulierung von Handlungsnormen immanent. Die »angewandte Ethik«, wie sie heute als akademische Spezialdisziplin konzipiert ist, erfüllt die gesuchte Wissensform allerdings noch nicht. Denn Lebenskunst betrifft das Selbstverständnis des ganzen Menschen und nicht nur die Regulierung einzelner Tätigkeitsbereiche. Der Ort der modernen Lebenskunst als philosophische Disziplin ist demnach auf einem Gebiet zwischen Moral und Ethik zu suchen. Ein sprachliches Indiz dafür ist die Bedeutungsverschiebung, die das Wort »ethisch« erfahren hat. Heute wird das Wort auch dort gebraucht, wo man früher »moralisch« sagte (z.B. jemand habe ethisch richtig gehandelt). Damit wird deutlich, dass die Aufgabe des »Lebenskünstlers« und die des Philosophen zwar nicht zusammenfallen, aber auch nicht völlig voneinander getrennt werden können. Normative Disziplin und Kunstlehre
Die Verschränkung von Lebenskunst und Moralphilosophie lässt sich mit Edmund Husserl (1859–1938) verdeutlichen, der im ersten Band seiner Logischen Untersuchungen. Prolegomena zur reinen Logik (1900) den Begriff einer »normativen Disziplin« wie folgt expliziert: Im Unterschied zur praktischen Disziplin oder Kunstlehre, die es mit der Realisierung bestimmter Zwecke zu tun hat, richtet sich eine normative Disziplin auf Haltungen, unabhängig davon, ob sie sich praktisch realisieren lassen oder nicht. So muss man beispielsweise einen Begriff vom »guten« Krieger haben, um das normative Urteil »Ein Krieger soll tapfer sein« fällen zu können. Der Begriff vom guten Krieger kann nach Husserl nur in einer allgemeinen »Werthaltung« gründen, wobei die Frage, ob es sich um eine objektiv gültige oder bloß subjektive Einschätzung handelt, für den Sinn des normativen Urteils unerheblich ist (LU I, §14). Husserl erläutert den Unterschied von normativer und praktischer Disziplin oder Kunstlehre am Beispiel von Schopenhauers Ethik (LU I, §15). Dieser habe keine Sollensethik entworfen, habe also kein Universalrezept für tugendhaftes Handeln gegeben. Gleichwohl halte er an einer Ethik als normativer Wissenschaft fest, denn er lasse moralische Wertunterscheidungen keineswegs fallen. Husserl ist nun der Meinung, dass jede normative und mehr noch jede praktische Disziplin eine theoretische Disziplin als Fundament besitze. Ihre Sätze enthalten nichts vom Gedanken einer Normierung, sie formulieren die Beziehung zwischen Norm und praktischem Verhalten als Relation zwischen Bedingung und Bedingtem. In diesem Sinne folgt die theoretische Disziplin der Idee einer »reinen Logik«, die von psychologischen Tatsachen und Gesetzen unabhängig ist. Lebensweltliches Apriori
So begrüßenswert die Distanzierung der Logik von der Psychologie auch ist, das Programm einer reinen Logik als »Denklehre« stößt auf Schwierigkeiten, weil sie die Existenz von idealen Bedeutungen behaupten muss. Die analytische Philosophie hat sich von dieser metaphysischen Position gelöst und betreibt Logik als Lehre von Strukturen sprachlicher Verlautbarungen, von Aussagen, die...


Ferdinand Fellmann ist emeritierter Professor für Philosophie. Er lehrte an den Universitäten Münster, Neapel, Chemnitz und Wien.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.