Feldmann | Bayerische Charakterköpfe | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 280 Seiten

Feldmann Bayerische Charakterköpfe

33 besondere Porträts

E-Book, Deutsch, 280 Seiten

ISBN: 978-3-7917-6205-0
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Warum war Oskar Maria Graf alles andere als ein krachlederner Provinzdichter? Warum verbirgt sich hinter Karl Valentins irrwitzigem Nonsens die höchste Logik? Wie wurde der aufrechte Menschenfreund Ludwig Thoma am Ende zum Volksverhetzer? Warum bekam der Publikumsliebling Walter Sedlmayr eine so einsame Beerdigung? Wie kam es, dass der Machtpoker der Habsburger an der letzten bayerischen Kurfürstin Maria Leopoldine scheiterte? Wie rettete die Sozialpolitikerin Ellen Ammann die bayerische Demokratie – vorläufig – vor Hitler? Weshalb konnte Franz Josef Strauß nie Kanzler werden?
Diesen und vielen weiteren Fragen geht der Autor in insgesamt 33 spannenden, nicht selten überraschenden, oft herrlich amüsanten, manchmal auch schockierenden Reportagen aus 1300 Jahren bayerischer Geschichte und Kultur nach.
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„Der ehrwürdige, gottesfürchtige und erlauchteste Tassilo, unser verehrter Herzog“ Arbeo von Freising „Erst Herzog, dann fast König, zum Schluss Mönch“
Warum Tassilo III. (um 741–um 796) so hoch stieg und so tief fiel
Mit seiner sozialen und frauenfreundlichen Gesetzgebung und dem hartnäckig verfochtenen Programm eines politischen Föderalismus habe Herzog Tassilo III. bereits vor mehr als zwölfhundert Jahren den Grund für das neuzeitliche Bayern gelegt. Das behauptete jedenfalls der (oft allzu gewagt spekulierende) Historiker und Journalist Rudolf Reiser 1985 in einem Buch über das Geschlecht der Agilolfinger, dessen bedeutendster Spross Tassilo gewesen ist. Doch der Bayernherzog nahm ein trauriges Ende. 788 steckte ihn der machtlüsterne Frankenkönig Karl mit seiner ganzen Sippschaft in Klosterhaft und zog seine Güter ein. Die Agilolfinger verschwanden aus der Geschichte, und Bayern gehörte jetzt zum Reich. Im Dunkel hatte die bayerische Geschichte begonnen: mit den Kelten, die hier seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert festummauerte Siedlungen bauten und Handwerk sowie Eisenindustrie zu erstaunlicher Höhe führten. Mit den Römern, die ihre Götter und Mysterienkulte mitbrachten, Obstbäume und Weinbau einführten und ein hervorragendes Straßennetz anlegten. Mit den Bajuwaren, die in mehreren Schüben ins Land kamen – ob aus Böhmen, Ungarn, vom Schwarzen Meer, lässt sich immer noch nicht genau sagen. Alle diese Volksstämme, Lebensformen und Mentalitäten mischten sich zu einem eigenständigen und eigensinnigen Menschenschlag, der seit dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert von den Agilolfingern – dem ersten bekannten deutschen Fürstengeschlecht – beherrscht wurde. Auch deren Herkunft ist ungeklärt. Manche meinen, sie seien aus Burgund gekommen; die Mehrheit der Forscher neigt der These zu, es handle sich um ein fränkisches Geschlecht aus der Merowinger-Dynastie. Die erste ihrer Herzoginnen war eine Langobardin aus Ungarn; sie hatte zwei Ehen mit fränkischen Königen hinter sich, als sie den Agilolfinger Garibald heiratete. Ihr Herrscherhaus drängte die slawischen Nachbarn zurück und betrieb eine ausgedehnte Siedlungs- und Missionierungspolitik. Chronisten beschrieben Bayern damals als Paradies, „lieblich anzusehen, reich an Hainen“, mit jagdbaren Tieren, Wein, Honig, Salz, Gold und Silber gesegnet, wie Arbeo von Freising schwärmte, Bayerns erster Schriftsteller. „Das Erdreich war fruchtbar und brachte üppige Saaten hervor, in Seen und Flüssen gab es Fische in großer Zahl, (…) das Bergland war ergiebig an Obst und bot Weiden und saftiges Gras.“ Von Anfang an stand dieses von den Agilolfingern geführte Wunderland in einem vibrierenden Spannungsverhältnis zum aufstrebenden Frankenreich. Zwar hatte der erste Merowinger, Chlodwig, viel für die Missionierung des bayerischen Raums getan, und die althochdeutsch sprechenden Franken zogen die anfangs noch im römischen Sprachgut verhafteten Bayern in ihren kulturellen Bann. Der erste Agilolfingerherzog, Garibald, war mit der Witwe eines Merowingerkönigs verheiratet. Doch in Garibalds Familie wird bereits der Konflikt deutlich, der am Ende zur Auslöschung seines Geschlechts führte: Seine Tochter Theodolinde ehelichte den Langobardenkönig Autari in Oberitalien; ihre Enkel und Urenkel wurden dort Könige. Zwei Jahrhunderte lang funktionierte die politische Achse Regensburg – Pavia zwischen Bayern und Langobarden. Sehr zur Empörung der Franken, welche die Langobarden als Todfeinde betrachteten, vor allem seit sie den Kirchenstaat bedrohten, für den die Frankenkönige eine (nicht uneigennützige) Schutzfunktion übernommen hatten. Herzog von Pippins Gnaden
Und nun schob sich dieser unzuverlässige Partner Bayern als störender Pufferstaat zwischen Frankenland, Langobardenreich und Kirchenstaat und drohte sich der Oberherrschaft der Franken zu entziehen. Die bayerischen Emanzipationsgelüste erreichten ihren Höhepunkt mit dem um 741 geborenen Tassilo III. (der Name ist langobardisch und bedeutet vielleicht „kleiner Dachs“). Sein Onkel und Vormund, der fränkische Hausmeier und spätere König Pippin, wachte mit Argusaugen über die Entwicklung des früh zum Waisen gewordenen Tassilo, schickte seine Spitzel an den Agilolfingerhof in Regensburg – das alte Römerlager am nördlichsten Punkt der Donau war zu einer der bedeutendsten Metropolen im Reich geworden – und ließ Tassilo 757 in der Königspfalz von Compiègne den Vasalleneid leisten. Tragisch: Tassilo III. In der ersten überlieferten Lehensübertragung der Geschichte wurde Tassilo bayerischer Herzog von fränkischen Gnaden. Nach fränkischem Brauch habe er seine Hände zwischen die von König Pippin gelegt, berichtet der Geschichtsschreiber Einhard von dieser rührenden Szene. Zu diesem Zeitpunkt hatte der kaum fünfzehnjährige Tassilo bereits die ersten Kampfeinsätze an Pippins Seite hinter sich; im italienischen Pavia hatte er ihn und den Papst in Scharmützeln mit den Langobarden unterstützt; deren König Haistulf hatte sich ergeben, Tribut zahlen und Geiseln stellen müssen. Doch Tassilo war ganz wild darauf, sich – und sein Land – von der Oberherrschaft der Franken zu emanzipieren. Schließlich galt der Lehenseid von Compiègne nur für Aktivitäten außerhalb Bayerns. Tassilo trat gern mit Zepter und Reichsschwert auf, ließ sich als „höchster Fürst und Herzog“ anreden und betrieb eine eigenständige, ziemlich fortschrittliche Politik: Auf einer in Dingolfing abgehaltenen Synode, zu der er alle bayerischen Bischöfe und Äbte versammelte, erließ er ein Gesetz, das jeder Frau – zum ersten Mal im Reich – die sofortige Scheidung garantierte, wenn sie ihr Mann vor der Hochzeit über seine Vermögensverhältnisse getäuscht hatte. Eine Ehefrau, deren Gatte sein Eigentum verlor, wurde in diesem Gesetz außerdem vor dem Verlust ihrer Rechte geschützt. Auch indem er das Eigentum an Grund und Boden genau definierte, sorgte Tassilo für mehr Rechtssicherheit. Die Bildung förderte er, indem er jedem Bischof vorschrieb, eine Domschule – Vorläufer der späteren Universitäten – zu unterhalten. Bischöfen und Äbten schärfte er ein, sich in ihrem Privatleben streng nach den Kirchengesetzen beziehungsweise Ordensregeln zu richten. Auf einer weiteren Synode in Neuching bei München, in der Nähe von Erding, erleichterte Tassilo das Los der Sklaven, die es damals auch noch in Bayern gab. Seine Klostergründungen dienten der Förderung von Glauben und Kultur gleichermaßen. Das erste Projekt ist vermutlich die Abtei Benediktbeuern am Fuß der Benediktenwand gewesen, die schnell durch eine hervorragende Predigtsammlung berühmt wurde. Die ersten Äbte hatten eine rührige Schwester, Gailswind, die in der Nähe das Frauenkloster Kochel errichtete und als Äbtissin zur Blüte führte. Innichen im Pustertal, Polling, Thierhaupten gehen auf Tassilo zurück, Gars am Inn und Metten in Niederbayern, vor allem aber Wessobrunn (wo eine Tassilo-Linde an ihn erinnert und an seinen Jäger Wezzo, der hier eine heilkräftige Quelle entdeckt haben soll) und Kremsmünster, das als Stützpunkt der Mission nach Osten gedacht war. Hier hütet man heute noch den kostbaren „Tassilokelch“, den englische Goldschmiedemeister zwischen 764 und 768 für seine Hochzeit mit der Langobardin Liutbirga gefertigt haben. Der Abendmahlskelch zeigt Christus, die vier Evangelisten und (vermutlich) Johannes den Täufer, den gemeinsamen Patron der bayerischen und langobardischen Herrscherhäuser – und die Inschrift „Tassilo dux fortis – Liutpirc virgo regalis, Tassilo, der starke Herzog, und Liutbirga, die königliche Jungfrau“. Kremsmünster erinnert allerdings auch an einen ersten schweren Schicksalsschlag in Tassilos tragischem Leben: Gemeinsam mit seinem Sohn Gunther soll er dort im Gebiet der Enns gejagt haben; Gunther hatte es auf einen mächtigen Eber abgesehen, den er in einem wütenden Zweikampf erlegte. Doch das Wildschwein hatte ihn so schwer verletzt, dass er verblutete. Gunthers treuer Hund führte den Vater zur Leiche, und der soll so erschüttert gewesen sein, dass er spontan hier ein Kloster zu errichten versprach. Tatsächlich birgt die Klosterkirche einen wunderschönen, ein halbes Jahrtausend später gestalteten Epitaph für Sohn Gunther. Gescheiterte Friedensinitiative
Zu einem ersten Affront war es gekommen, als Tassilo 763 seinen Onkel Pippin bei dessen Feldzug gegen die an der Loire siedelnden Aquitanier unterstützen musste – die peinlicherweise mit Tassilos Vater verbündet waren – und mitten im Krieg das...


Christian Feldmann, geb. 1950, ist Theologe, Biograf und Rundfunkautor. Er hat fast 60 Lebensbilder und Porträtsammlungen geschrieben, die in 17 Sprachen übersetzt wurden.


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