E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Fehringer / Köpf Die Poesie des Tötens
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-939990-31-4
Verlag: ProTalk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-939990-31-4
Verlag: ProTalk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein idyllischer Sommer in Wien: Zwischen italienischen Designermöbeln und geschmackvollen Kunstgegenständen genießt der erfolgreiche Ghostwriter Max West sein Leben mit Frau und Kind in vollen Zügen - bis zu dem Tag, an dem 'Kleist' in ihr Leben tritt. Der grausam vorgehende Serienkiller entführt die gemeinsame Tochter und zwingt Max dazu, in nur sieben Wochen seine mörderische Biografie niederzuschreiben - sieben Wochen, in denen er seine Tochter in den Händen eines Psychopathen weiß...
Die Autoren: Andrea Fehringer & Thomas Köpf haben zusammengenommen mehr als 60 Jahre Erfahrung im Schreiben. Sie sind Journalisten und Buchautoren, waren in diversen Chefredaktionen tätig und führen seit 2004 ihr eigenes Medienunternehmen, die Xpertmedia, mit Sitz im Lehár-Schlössl in Wien-Döbling. Sie produzieren Kunden- und Publikumsmagazine, sind Berater für Konzerne, Vortragende an der Universität Wien und halten Schreibseminare ab. Sie haben 37 Bücher geschrieben, »Die Poesie des Tötens« ist ihr erster Thriller. Der Hintergrund: Das Treffen des Ghostwriters mit dem Psychopathen beruht auf einer wahren Begebenheit. Ein Fremder stand vor der Tür der beiden Autoren und wollte sein Buch schreiben lassen. Erst nach einer halben Stunde stellte sich heraus, dass der Mann wahnsinnig und Mitglied einer Teufelssekte war. Diese Begegnung brachte die Autoren auf Idee zum Plot.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
»Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.« Predigt über 2. Korinther 3, 6b. 12-18 PROLOG
»Betriebsanleitung eines Serienkillers« LEKTION EINS: HÄUTEN Jemandem die Haut abzuziehen, ist erstaunlich einfach. Man braucht nur drei Dinge: ein Skalpell mit einer 21er-Sheffield-Klinge, Beethovens Neunte und eine ruhige Hand. Im Idealfall trägt das Objekt, nachdem man es an einen Stuhl gefesselt hat, eines meiner Gedichte vor: Roter Regen, Blutmond oder etwas in der Richtung. Dann kann man beginnen zu operieren. Das Entscheidende ist nicht das bloße Schneiden oder Reißen von Haut. Die Kunst besteht darin, das Objekt am Leben zu erhalten, auch nachdem man ihm sein Gesicht von der Stirn bis zum Kinn 4 abgezogen hat. Dafür sollte man die richtigen Pharmazeutika verabreichen. Ich mache das so: 10 bis höchstens 15 Ampullen Lidocain à 100 Milligramm, jeweils aufgezogen in einer 10-Milliliter-Injektionsspritze. Es ist großartig. Das Objekt bekommt alles mit und dtw-23 kann sich während der Prozedur die ganze Zeit im Spiegel bewundern, fühlt aber keinen Schmerz, nicht den geringsten. Das ist wichtig. Keine Barbarei. Wir sind Künstler, keine Tiere. Zur Grundausrüstung gehören noch eine Präparierschere, eine kräftige chirurgische Pinzette, ein Lötkolben vom Baumarkt zum Kauterisieren und eine Packung Gazetupfer (10 x 10 cm). Ästheten können darüber hinaus auch noch eine provisorische Wanne anfertigen, damit das Blut schön abrinnt. Und ich empfehle, den Raum vorher schalldicht zu machen. Oder mit klassischer Musik zu arbeiten. expndtw-10 Die Neunte hat da wunderbare Stellen, um Schreie zu übertönen und die Nachbarn nicht zu beunruhigen. Heavy Metal ist mir zu brutal. Gehäutet, das muss man wissen, werden nacheinander folgende Areale. Die gesamte Stirn. Die Schläfen. Beide Wangen. Das Kinn. Die Nase. Die Sache läuft folgendermaßen ab, und jetzt gehen wir direkt hinein in die Szene. Das Ganze passiert in Wien. Es könnte überall auf der Welt passieren, in Schweden, in Frankfurt, in Illinois, aber nein, es passiert im verschlafenen Österreich. Dritter Juli, ein Mittwochmittag im Sommer, strahlend blauer Himmel, die Sonne steht hoch oben wie ein Ball aus brennendem Magnesium. Ganz Wien ist gedanklich am Badestrand. Ich nicht. Ich arbeite. Ich sorge für die Handlung. Mache den Plot. Gehe hinein in die Geschichte. Ins Buch. Ins Leben. Und dar über hinaus. Die Stadt dampft. Ich befinde mich im feinen Döbling, jenem Teil der Stadt, der sich allein schon durch den Klang im Ausspruch von den anderen Wiener Bezirken abhebt, Döbling, wie Liebling. Mit einem Kleidersack über der dtw-35 linken Schulter und meinem Arztkoffer in der rechten Hand schlendere ich über Kopfsteinpflaster durch eine leere Gasse am Stadtrand, fast schon in den Weinbergen. Die Luft flirrt. Was für ein Tag. Kaiserwetter, das Schicksal zeig t sich von der Sonnenseite. Ich weiß es zu schätzen. Ah, dort drüben ist es schon. Das kleine Haus im Grünen. Ich war schon einmal hier, vor ein paar Tagen, ich kenne die Umgebung und den Besitzer. Er ist so allein. Ich klopfe an die terracottafarbene Holztür. Tock-tock. Warten. Schritte. Die Tür geht auf, nur einen Spalt. Vorsicht, will der Bewohner sagen. Tja, Vorsicht hättest du walten lassen sollen, indem du die w-10 Tür gar nicht erst aufmachst. Sie ist eine Handbreit offen jetzt. Ich lege den Kleidersack nieder, stelle den Arztkoffer daneben. Ich wirke freundlich auf die Menschen. Sie halten mich für einen von ihnen. »Ja, bitte?« Hannes Gartner heißt der Mann, aber das ist mir egal. Ich nenne ihn Objekt eins, nur weiß er das noch nicht. Verfilzte Haare, Bart. Kurze Hosen, modriges T-Shirt. Braune Ledersandalen. Alter-Mann-Look. Er riecht pndtw-27 nach Schweiß mit einer schwachen Note Urin. Ich sehe in sein struppiges Gesicht. Trete die Tür auf. Gehe in die Wohnung. Angst in seinen Augen, sie flackert auf, vergeht dann aber nicht. Verfängt 30 sich in der Dunkelheit. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Hannes Gartner ein Leben in Bedeutungslosigkeit geführt. Eingekapselt. In einem Kokon, gesponnen aus Fäden von Nichts. Jetzt ändert sich das. Jetzt wird er sich öf fnen und in die Geschichte eingehen, in meine. Als Objekt eins. »Was zum –« Ich ziehe ihm den Totschläger über den Kopf und treffe sehr elegant, seitlich an der Schläfe. Ein dumpfer Schlag, als würde man einen Kofferraumdeckel zumachen. Oder ein Schnitzel klopfen. Objekt eins ist ohnmächtig. Liegt auf dem Boden rührt sich – 26 nicht. Gut so. Ich muss alles vorbereiten. Für die Operation. Objekt eins wird begeistert sein. Es liegt entschieden an ihm, inwieweit er sich auf die Sache einlässt. Schließlich verlange ich einiges von ihm. Objekt eins muss mir sein Gesicht geben. Sein ndtw-12 struppiges Bartgesicht. Aus der Tasche meiner Sommerhose hole ich den Spickzettel hervor, den ich vorherige Woche eigentlich nur so zum Spaß geschrieben habe, eher als Gedankenexperiment; da war noch nicht klar, dass ich ein Buch machen werde, meinen pndtw-29 Roman. Der Spickzettel ist körperwarm, dort steht eine Liste, eine Dramaturgie: Ablauf
Opfer wird auf einer Liege fixiert Für gute Beleuchtung sorgen Zurechtlegen des Instrumentariums Lötkolben an die Steckdose Betäuben des zu häutenden Areals Seitliches Umschneiden des zu häutenden Areals Freilegen der Haut mit der Präparierschere Dazwischen Blutstillen mit dem Lötkolben Objekt eins muss die ganze Zeit im Spiegel zusehen. Der Vorgang der Häutung ist trotz erheblicher Verstümmelung bis zum Exitus völlig schmerzlos. Jetzt bin ich, man darf es ruhig sagen, in einem Zustand fortgeschrittener Erregung. Aufgezogen wie eine Stahlfeder. Mein Blick schweift durchs Wohnzimmer. Hier ist Objekt eins zu Hause. So vegetierst du also. So sieht ein Leben ohne xpndtw-13 Sinn aus. Ein alter Fernseher, eine zerschlissene Couch, ein Radio mit Antenne. Dumpfe Brauntöne. Ein dunkler Teppich in Ocker. Staub auf der schwarzen Kommode. Ein Teller mit Essensresten. Die Behausung zeigt vordergründigen Grind. Dreck im Nobelbezirk. Reich, aber die Putzfrau wegschicken. Na ja, jetzt ist es zu spät. Wenn Menschen ohnmächtig sind, machen sie sich schwerer, als sie im Wachzustand sind. Es braucht einen gewissen nicht zu unterschätzenden Körpereinsatz. Meinen, um genau zu sein. Ich schleife Objekt eins Richtung Keller. Hinunter, über die Treppe. Sein Kopf schlägt dumpf auf jeder Stufe auf. Sein schlaffer Körper ndtw-12 lässt sich nur mühsam bewegen, aber die Schwerkraft macht mir nichts aus. Genau hier. Das ist der Platz, der ideale Ort. Der Keller der Entfaltung. Das Zentrum der Erlösung. Licht. Alles auspacken. Ich sortiere meine Instrumente. Atme tief durch. Ein. Und aus. Ein. Und aus. Objekt eins, ich werde dich, wenn du wieder munter bist, bei lebendigem Leibe häuten. Danach, ganz am -15 Schluss, werde ich dir ein weißes Hemd anziehen, eine gelbe Krawatte umbinden und dich in einen schwarzen Armani-Anzug stecken. Fürs Foto. Polaroide Momente, festgehalten für die Ewigkeit. Ist das nicht ein schöner Anfang? Sich so kennenzulernen? Er ist noch im ndtw-14 Traumland. Ich hieve ihn auf einen Stuhl, schnalle ihn mit Kabelbinder fest und fixiere den Schädel hinten an der Lehne. Ich ziehe die Nadel auf. Lidocain. Die erste Ampulle. Nur ein kleiner Stich. Er wird nichts spüren. Ich bin kein Unmensch. Ich bin Poet. Einer, der ihm unter die Haut gehen wird. Ein Poren-Poet. Die Lider von Objekt eins zucken. Er öffnet die Augen. »Hallo«, sage ich, »willkommen in der Geschichte.« »W-w-wo …?« Ich deute nach vorne. »Schau, dort ist der Spiegel. Kannst du dich sehen?« »Hnnn!« »Pschhh«, sage ich, »ganz ruhig. Ich, Christopher, werde dich darstellen. Sie nennen es präparieren.« Er schluckt. »Wer... sind... Sie... Was... –« Ich frage: »Kennst du Roter Regen?« »Was?« »Roter Regen, das Gedicht. Kennst du es? Kannst du es aufsagen?« »Sie sind verrückt. Vollkommen irre. Warum –« »Oder Blutmond. Kennst du Blutmond? Kannst du es aufsagen?« Er atmet pressluftartig. Die Augen ganz weit aufgerissen. Er scheint langsam zu begreifen. Wenn Menschen in einer ausweglosen Situation sind, läuft das Hirn zur Hochform auf. Es versucht trotzdem einen Ausweg zu finden. Trotzdem. Das ist der Überlebenstrieb. Eine bemerkenswerte expndtw-31 Kraft, wie ich sie leibhaftig mitbekomme. Ich hänge das iPhone an die kleinen Bose-Boxen an, die ich mitgebracht habe. Play. Beethovens Neunte. Fulminanter Klang. Die Schreie kann man draußen gar nicht hören. Der Keller ist massiv, anscheinend gedacht als letztes Bollwerk, ndtw-7 wenn die Welt untergeht. Ein Endzeitbunker. Überall Nahrung für die Zeit danach. Essen in Kisten. Reis. Dosensuppen. Erdäpfelgulasch. Zwölf Jahre haltbar. Die braucht er nicht mehr. Auch nicht die Rüben, die Linsen, das Öl, den Hafer, die Kleie und den Senf. »Das mit dem Gedicht müssen wir noch hinbekommen, mein Freund. Du beleidigst den Dichter. So etwas tut man nicht. Aber wir haben genug Zeit. Wir werden alles üben. Roter Regen – prasselt nieder – schulternass … jetzt du. So lange, bis du es auswendig kannst.« »Hören Sie, ich – halt! Halt! Ich habe Geld! Viel Geld! Hier im Haus!« »Ich brauche dein Geld nicht. Geld ist mir vollkommen egal. Wir müssen ein Buch machen. Einen Roman. Und dafür brauche ich etwas, das nur du hast. Dein Gesicht. Dein Leben. Dein Sterben. Du wirst nichts spüren. Aber du darfst zusehen. Die ganze Zeit. Das gehört zum...