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E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Fasten Küstenkoller

Ein Fastostsee-Küstenkrimi
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8437-1095-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Fastostsee-Küstenkrimi

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1095-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gerade erst hat sich Provinz-Polizist Boris Kröger vom ersten Mord im beschaulichen Altwarp erholt. Am Oderhaff scheint die Sonne, der Zirkus ist in der Stadt, und alles könnte so schön sein. Doch dann stolpert Kröger am Strand über einen Schuh. In dem ungünstigerweise ein Fuß steckt. Er schwingt sich auf sein neues Dienstfahrzeug, einen italienischen Minitransporter auf drei Rädern, und tuckert los, die restliche Leiche zu finden. Oma Machentut schlägt sich derweil mit den mehr oder weniger dressierten Schweinen im Zirkus herum. Ganz schön viel los hier an der Fast-Ostseeküste.

Richard Fasten, Jahrgang 1966, wurde in Cham (Oberpfalz) geboren und studierte Geschichte, Philosophie, Archäologie, Kommunikationsforschung und Phonetik in Bonn. Er hat mehrere Sachbücher veröffentlicht und schreibt u.a. für radioeins sowie das rbb-Fernsehen. Richard Fasten lebt und arbeitet in Berlin und ruht sich in Vorpommern aus.
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Donnerstag


Es ist nicht besonders verwunderlich, dass ich nicht wahnsinnig gut schlafe. Das liegt zum einen an dem durchgesessenen Sofa in Tareks Windmühle. Zum anderen liegt es an Hajo Melthins Fischomelett, das in meinem Magen rumort. Vor allem aber liegt es an den Fotos aus der Überwachungskamera, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekomme. Mit dem Tarek konnte ich darüber nicht mehr quatschen. Der schnarchte bereits tief und fest, als ich nach Altwarp zurückkam.

Dafür ist er jetzt wieder putzmunter. Er sitzt in seinem Rollstuhl neben dem durchgesessenen Sofa und weckt mich mit einem tiefschwarzen Kaffee.

»Was soll das?«, ist das Erste, was ich sage, nachdem ich die Augen aufgeschlagen habe.

»Kein Kaffee?«, fragt der Tarek zurück.

»Du weißt genau, was ich meine«, erwidere ich und deute auf den Rollstuhl. »Du brauchst dieses Ding doch gar nicht!«

»Du weißt das, Kröger«, sagt er und sieht mich flehentlich an. »Aber die anderen müssen das doch nicht wissen.«

»Warum? Sag mir einfach, warum du diese Schmierenkomödie aufführst!«

»Es ist wegen meinem Job«, antwortet der Tarek vorsichtig. »Meine Eltern wissen, dass ich Fischer hier in Altwarp bin. Aber sie wissen nicht, dass ich im Winter im Ueckermünder Stahlwerk arbeite.«

»Was ist daran das Problem?«, frage ich und trinke einen Schluck Kaffee. »Stahlwerker ist ein ehrenwerter Beruf.«

»Natürlich«, sagt der Tarek und fährt sich durch die dunklen Locken. »Aber meine Eltern glauben, dass ich in Peenemünde an irgendwelchen Raketen herumschraube …«

»In Peenemünde wird seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr an Raketen herumgeschraubt«, unterbreche ich ihn irritiert. »Und das ist auch gut so!«

»Ja«, erwidert der Tarek kleinlaut. »Aber die deutsche Ingenieurskunst von Peenemünde hat in meiner Heimat noch immer einen guten Ruf, weissu. Vor allem bei meinem Vater. Er wollte mein Deutschlandabenteuer nur unterstützen, wenn ich in Peenemünde zum Ingenieur ausgebildet werde. Und heute sollen wir eigentlich einen Trip mit meinem Kutter übers Haff nach Peenemünde machen, um meine Arbeitsstelle zu besichtigen.«

Mir schwant langsam, dass die Familie vom Tarek noch seltsamer ist als wir Krögers. Und das will einiges heißen. Weil wir Krögers einiges zu bieten haben, was Skurrilität angeht.

»Nee, Tarek«, sage ich. »Da mache ich nicht mit. Du bist doch keine sechzehn mehr. Sag deinen Eltern einfach, was Sache ist. Das werden die schon verstehen.«

»Bitte«, fleht der Tarek. Aber da beißt er bei mir auf Granit.

»Nein!«

Auf dem Weg zum Frühstück ins Kröger’sche Kapitänsharem schweigen wir. Der Rollstuhl ist in der Windmühle geblieben. Tareks plötzliche Genesung werden wir als Spontanheilung erklären, wie sie an der frischen Seeluft Altwarps durchaus schon mal vorkommen kann.

Der Tarek schweigt, weil er beleidigt ist. Wahrscheinlich überlegt er sich gerade, mir die Freundschaft zu kündigen.

Ich schweige, weil ich gleich Oma Machentut gegenübertreten werde und nicht weiß, wie ich mich dabei verhalten soll. Ich kenne sie eigentlich nur in ihrer geblümten Kittelschürze. Aber auf dem Foto, das mir gestern unter die Nase gehalten wurde, trug sie diese Kittelschürze nicht. Niemand sollte seine eigene Großmutter so sehen müssen. Wirklich niemand.

»Vielleicht kannst du mit meinen Eltern reden, Kröger«, sagt der Tarek, als wir das Kapitänshaus betreten.

»Nein.« Ich bin doch nicht seine Gouvernante. Die Suppe hat er sich selbst eingebrockt. Die kann er auch alleine auslöffeln.

Das muss er dann aber gar nicht. Als ich im Kapitänshaus ausschweifend erkläre, dass der Tarek sich in letzter Zeit viele Gedanken bezüglich seiner beruflichen Zukunft gemacht hat und ihm dabei alles Blut aus den Beinen in den Kopf gestiegen ist, so dass er einfach nicht mehr stehen konnte, aber jetzt dank der guten Seeluft alles wieder gut wäre, ist die Freude bei den anatolischen Raketenfreunden groß. Die gute Miene wuchtet sich vom Boden unseres plüschigen Haremwohnzimmers in die Höhe und umarmt ihren genesenen Sprössling glücklich.

Als sich Johnny Cash gleichfalls erheben will, entfährt ihm ein Geräusch, das in allen Kulturen der Welt gleichermaßen als Schmerzensschrei gedeutet werden würde. Er lässt sich zurück auf sein malvenfarbenes Sitzkissen plumpsen und hält sich mit grotesk verzerrtem Gesicht die Hände an den Rücken.

»Den Wilhelm tut die Hexe geschossen haben!«, stellt Oma Machentut nüchtern fest. Leider hat sie damit verdammt recht. Schuld ist natürlich der Kirchner. Der hat sich den Quatsch mit den orientalischen Sitzkissen schließlich ausgedacht. Hätte Johnny Cash auf einem unserer Herrenzimmerstühle gesessen, könnte er die nächsten Tage aufrecht die neue Heimat seines Sohnes erkunden. So aber muss der Tarek zurück zu seiner undichten Windmühlen-Bude und den Rollstuhl holen, der nun tatsächlich gebraucht wird. Der Hafftrip nach Peenemünde fällt damit natürlich ins Wasser. Und Tareks Stahlwerker-Coming-out auch. Ohne den notwendigen Druck denkt der natürlich gar nicht daran, seinen Eltern die kleine Notlüge zu beichten.

Aber was geht mich das an? Gar nichts. Deshalb schweige ich, während Oma Machentut dem leidenden Johnny Cash eine Schmerztablette einflößt und der Kirchner seinen philosophischen Zitaten-Senf dazugibt.

»Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Nichts und dem Schmerz, dann wähle ich den Schmerz«, flötet er fröhlich. »Das sagte der große amerikanische Romancier William Faulkner.«

Auch dazu sage ich nichts. Ich sehe, wie Johnny Cash bei dem Zitat das Gesicht noch schmerzhafter verzieht. Der würde gerade ganz sicher das Nichts wählen. Wahrscheinlich setzt ihm der Kirchner mit seinen Zitaten noch mehr zu als die schussgewaltige Hexe.

Als sich Oma Machentut mit der taubstummen Schleier-Cousine in die Küche aufmacht, um frischen Kaffee aufzubrühen, ist meine Chance gekommen, ihr ein paar unangenehme Fragen hinsichtlich ihres nudistischen Tierschutz-Engagements zu stellen. Die Verschleierte stört mich dabei nicht weiter. Die versteht sowieso nichts.

Aber dann kommt es doch anders. Als ich den beiden hinterher will, klopft es aufgeregt an unserer Terrassentür. Claas Holthusen, unser Bürgermeister, steht draußen und macht aufgeregte Handzeichen. So aufgeregt habe ich den selten erlebt. Entweder seine Eleonore hat ihm nicht genug Plum un Tüffel auf den Teller geschaufelt, oder er hat eine Frau mit abgerissenem Fuß gefunden. Mehr Erklärungsmöglichkeiten für seine Aufgeregtheit fallen mir nicht ein.

»Moin, Kröger«, sagt er, als ich die Terrassentür öffne. »Wir haben ein verdammtes Problem!«

Das ist nichts Neues. Mit dem Holthusen hat man immer ein verdammtes Problem.

»Deine Eleonore hat dir nicht genug zu futtern gegeben«, erwidere ich. »Und jetzt knabbern sich deine Gehirnzellen gegenseitig auf. Ist das dein Problem, Bürgermeister?«

»Keine Scherze, Kröger«, sagt er und stiert mich ernst an. »Auf der Seestraße spaziert ein Löwe herum. Da musst du dich drum kümmern! Du bist der Bulle hier im Dorf!«

»Polizist«, antworte ich genauso ernst und nähere mich mit meiner Nase seinem ausladenden Zinken. »Nicht Bulle! Und dein Löwe ist ein verdammter Serval! Sweety! Der tut keinem was! Da kannst du meine Freunde Pavel und Pavel fragen, was sind die Könige von die Raubtierdressur!«

»Serval? Sweety? Pavel und Pavel?«, brabbelt der Bürgermeister. »Sag mal, tickt irgendwas unter deiner Mütze nicht mehr richtig, Kröger? Ich hab über fünfzig Jahre als Tierarzt in Ueckermünde geschuftet. Da werde ich wohl wissen, wie ein verdammter Löwe aussieht!«

Der Kirchner ist inzwischen zu uns an die Terrassentür getreten. Oma Machentut und ihr verschleiertes Schoßhündchen widmen sich in der Küche der Zubereitung frischen Kaffees. Die gute Miene und mein Kumpel Tarek versuchen währenddessen im Wohnzimmer, den rückengeplagten Johnny Cash bei Laune zu halten.

»Der Serval ist eine afrikanische Wildkatze aus der Unterfamilie der Kleinkatzen. Eine gewisse optische Ähnlichkeit mit dem europäischen Luchs ist dabei nicht zu übersehen«, doziert Professor Doktor Kirchner mit roten Bäckchen. Der könnte im Fernsehen auch Tierdokumentationen moderieren, die von den Krankenkassen als Ersatz für apothekenpflichtige Schlaftabletten verschrieben werden würden. »Servale ernähren sich hauptsächlich von kleinen Vögeln, Mäusen, Eidechsen und Insekten. Eine Gefahr für die Altwarper Bevölkerung würde ich deshalb wie bei dem artverwandten Luchs grundsätzlich ausschließen.«

»Kirchner!«, blökt der Bürgermeister und zieht unseren Nachbarn wie einen frechen Schuljungen am rechten Ohr. »Hast du deine Hörgeräte nicht drin?! Ich habe nicht gesagt, dass ein Fuchs die Seestraße entlangspaziert, sondern ein verdammter Löwe! Geht das in deine Birne rein?«

Man muss dazu sagen, dass der Bürgermeister immer ein wenig cholerisch wird, wenn ihm die Magensäure hochschießt. Normalerweise mümmelt er dann ein paar frisch gepflückte Pfefferminzblätter aus seinem Garten.

Ich habe keine Lust, mir den geriatrischen Kampf der beiden Silberlocken weiter anzuhören. Außerdem drückt meine Blase. Deshalb lasse ich die beiden Sturköpfe einfach stehen und verdrücke mich in den hintersten Winkel unseres Gartens. Hier zwischen den Himbeerbüschen kann mich niemand sehen. Glaube ich. Habe ich schon einmal geglaubt. Aber dann kam die Urenkelin vom Kirchner von der anderen...


Fasten, Richard
Richard Fasten, Jahrgang 1966, wurde in Cham (Oberpfalz) geboren und studierte Geschichte, Philosophie, Archäologie, Kommunikationsforschung und Phonetik in Bonn. Er hat mehrere Sachbücher veröffentlicht und schreibt u.a. für radioeins sowie das rbb-Fernsehen. Richard Fasten lebt und arbeitet in Berlin und ruht sich in Vorpommern aus.

Richard Fasten, Jahrgang 1966, wurde in Cham (Oberpfalz) geboren und studierte Geschichte, Philosophie, Archäologie, Kommunikationsforschung und Phonetik in Bonn. Als freier Autor hat er mehrere Sachbücher und den Krimi Moin veröffentlicht. Richard Fasten lebt in Berlin und ruht sich in Vorpommern aus.



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