Faber | Kurt Faber - Gesammelte Reiseberichte | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 2355 Seiten

Reihe: Gesammelte Werke bei Null Papier

Faber Kurt Faber - Gesammelte Reiseberichte

Reisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Überarbeitete Fassung
ISBN: 978-3-96281-621-6
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Reisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

E-Book, Deutsch, 2355 Seiten

Reihe: Gesammelte Werke bei Null Papier

ISBN: 978-3-96281-621-6
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kurt Farber war ein Journalist, Abenteuerer und Reisender zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er schrieb Reiseberichte, war Korrespondent für verschiedene Zeitungen und brachte seine Reiseerfahrungen auch in Buchform heraus - meist veröffentlich von seinem Bruder Walter Faber. Wohl als einer der ersten Reisenden der Moderne überhaupt berichtete er über exotische Länder und Orte wie die Anden, Kurdistan oder Persien. Er reiste unter anderem nach Südamerika, Indien und China, besuchte Eskimos und Goldschürfer, reiste mit Hundeschlitten, Segelschiffen und Eisenbahnen. Wer ein Gespür dafür bekommen möchte, wie es war, zu einer Zeit zu reisen, als es zwar schon die ersten motorisierten Fortbewegungsmittel gab, aber noch die wenigsten Gegenden auf der Welt touristisch erschlossen waren, der muss diese Sammlung lesen. Seine Abenteuerlust wurde Kurt Faber zum Verhängnis: Er erfror an den Ufern eines Flusses in Alaska, seine aufgefundenen Leiche war von Tieren angefressen. Null Papier Verlag

Kurt Faber (1883-1929) war ein deutscher Abenteurer, Journalist und Reiseschriftsteller. Faber starb nach einem Kälteeinbruch am Großen Sklavensee in Nordkanada im Alter von 46 Jahren durch Erfrieren. Seine von Tieren angefressene Leiche wurde von Eskimos am 26. Februar 1929 am Hay River, etwa 25 km vom Großen Sklavensee gefunden.
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Der Anfang in Buenos Aires


Abschied von der »Pernambuco«. – Mister Chicago, der König der Reisekoffer. – Eine Lektion in republikanischer Freiheit. – Kriegsrat im Hotel Kaiserhof. – Auf dem Paseo de Julio. – Etwas von den Leiden und Freuden der Arbeitslosen. – An der Boca. – Georgette, die Verführerin. – Doña Elvira sucht einen Hauslehrer. – Ein Blick in die Welt, in der man sich langweilt. – Immer noch arbeitslos. – Und nun?

Nein, niemals werde ich jenen Tag vergessen! Es war ein heller, von Sonnenschein überglänzter Tag aus jener Zeit kurz vor dem großen Kriege, die uns heute schon in sagenhafte Fernen gerückt scheint. Groß und breit lag die »Pernambuco« an der Darsena Norte. Die Laufplanken führten nach dem Pier hinunter, und alles machte sich fertig, umso schnell wie möglich in das Land der Verheißung zu gelangen. Seit der Abreise von Hamburg war es an Bord nicht mehr so lebhaft zugegangen. Oben auf der Kommandobrücke hatte sich der Kapitän schon ganz heiser geschrien. Die Dampfwinden rasselten über den offenen Luken, und das Großdeck füllte sich mit Kisten und Koffern. Alles schrie und rannte durcheinander. Auf dem Promenadendeck stand unter dem Schatten einer riesigen Sportsmütze ein älterer Herr mit einem ansehnlichen Bäuchlein, auf dem eine dicke goldene Uhrkette glänzte. Die Hände hatte er tief in den Taschen seiner weißen Leinenhosen vergraben, während die Augen die Schar der geschäftigen Stewards musterten, die das Reisegepäck herbeischafften. Zu immer größeren Dimensionen wuchs der Berg vor ihm auf. Lederkoffer, Rohrplattenkoffer, Reisekörbe, Reisedecken, und dann immer wieder Koffer auf Koffer. Mister Chicago war heute ganz Busineßman. Sonst – während der ganzen Reise von Hamburg her – war er stets die Liebenswürdigkeit selbst gewesen. An jedem Morgen wusste er ein neues schnurriges Geschichtchen, und wenn er bei ganz guter Laune war, so pflegte er sich mit mir zu unterhalten in einem urkomischen Deutsch-Amerikanisch. Niemand wusste, woher er kam und was er war. Man wusste nur, dass er zu seinen Lebzeiten viele Dollars gemacht hatte und heute zum mindesten wohl eine Million wert war. Und weil er in seinem Äußeren etwas an sich hatte, das an die bekannten Fässer von Armours Packing House erinnerte, hatte ihn bald jedermann Mister Chicago genannt.

Heute war er mir widerwärtig, dieser Mister Chicago. Sie waren mir alle widerwärtig, diese Menschen, die ich in diesem Monat kennen gelernt hatte, wie man nur an Bord Schiff die Menschen kennen lernt, und die nun auf einmal alle in ihrer Geschäftigkeit so gleichgültig an mir vorübereilten. Das war ein Getue mit diesen Kisten und Koffern, das war ein Grüßen und Küssen und Umarmen, ein Winken und Schreien von dem Pier nach dem Schiff und wieder zurück, dass einem übel dabei werden konnte. Wo aber – so fragte ich mich – wo ist einer, der dir zuwinke? Ist einer unter dieser Menge von Schreihälsen, dem es nicht vollständig einerlei wäre, ob du hier bist oder nicht? Ist denn einer in diesem weiten Lande Argentinien, der den Teufel nach dir fragte? Missmutig schaute ich hinunter auf das wimmelnde Leben an dem Pier und über die Hafenschuppen hinweg auf das graue Häusermeer, wo die flimmernde Hitze des heißen Nachmittags über den flachen Dächern tanzte. Entsetzlich einsam und verlassen kam ich mir vor in diesem Lande Argentinien.

Da kam auf einmal Mister Chicago auf mich zu, um »« zu machen. Er klopfte mir wohlwollend auf die Schulter, wie das während der ganzen Reise so seine Art gewesen war. Eine verflucht vertraulich-intime, überlegene, herablassende, väterlich-wohlwollende Art, die mich schon oft geärgert hatte. Heute aber hätte ich ihn darum lieben mögen.

»Das hier,« sagte Mister Chicago mit einer umfassenden Handbewegung, »das ist Argentinien. Ein feines Land; ein verdammt feines Land – – Die Dollars liegen hier auf der Straße für den, der es der Mühe wert hält, sie aufzuheben; aber man muss die Augen aufmachen und die Ohren steif halten. Man muss die Ellenbogen tüchtig gebrauchen. Und wenn dir einer etwas in den Weg legen will, so box’ ihn auf die Nase. Ich hab’s auch so gemacht. – Ah, so jung möchte ich auch noch einmal sein und alles noch einmal von vorne anfangen; das ganze närrische Leben mit seinem Auf und Ab und allem was drum und dran hängt. Aber das ist ja nun alles vorbei – man fängt an alt zu werden, wenn man in die Sechzig kommt. – .«

»Auf Wiedersehen, Mister Chicago.«

Nicht einmal mehr schaute er sich um. Schwer und würdevoll – jeder Zoll ein erfolgreicher Busineßman – schritt er inmitten eines Schwarms von trinkgeldhungrigen Gepäckträgern das Gangplank hinunter.

Lange schaute ich ihm nach. Dieser Mann imponierte mir. Nicht durch seine Stellung und nicht durch seinen Reichtum, aber um seiner Festigkeit, um seiner Selbstsicherheit willen beneidete ich ihn. Einmal wohl – so dachte ich mir – in späten, späten Jahren, da könnte auch so etwas wie Ruhe in den aufgewühlten Vulkan meiner unruhigen, abwechslungsdurstigen Seele eintreten, und alle Unruhe und alle Rastlosigkeit würde sich legen und glätten, wie die Wogen des wilden Meeres zu einem plätschernden Wässerlein, das still und beschaulich dem Ziele entgegenläuft, wo alles ein Ende hat. Ja, so ein Mister Chicago wollte ich auch einmal werden. –

Kaum war ich drunten auf dem Pier im Lande der Freiheit angelangt, als ein Schwarm von wild gestikulierenden italienischen Lazzaroni über mich herfiel. Rings um mich her wirbelte es von hundert braunen Händen und kohlschwarzen Augen. Schmutzige Finger hoben sich beschwörend vor meinen Augen und hundert Kehlen schrien sich heiser in einer Sprache, von der ich kein Wort verstand. Plötzlich packte einer meinen Rohrplattenkoffer und rannte damit fort in einem Tempo, das einer vom leibhaftigen Teufel verfolgten armen Seele alle Ehre gemacht hätte. Er war noch keine hundert Meter weit gekommen, als ein vierschrötiger Mann mit einer mächtigen Schirmmütze ihn am Nacken packte und ohne viele Umstände zu Boden warf.

»Da sind Sie noch einmal gut weggekommen,« sagte der Fremde auf Deutsch, als ich meinen Koffer eingeholt hatte. »Der Kerl hätte Sie mitsamt Ihren paar Habseligkeiten in eine von den italienischen Spelunken am Paseo de Julio gelotst, wo die braunen Halunken Ihnen das Geld scheffelweise abgenommen...



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