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E-Book, Deutsch, 142 Seiten

Faber ad Jacob Taubes

Historischer und politischer Theologe, moderner Gnostiker

E-Book, Deutsch, 142 Seiten

ISBN: 978-3-86393-585-6
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jacob Taubes, 1923 in Wien geboren und 1987 in Berlin verstorben, der heute weltweit als "Religionsphilosoph" gilt, ist wohl richtiger als Judaist und Religionssoziologe zu bezeichnen. Seinem großen Freundes- und Bekanntenkreis war er vor allem ein kritischer Diskussionspartner und eine unerschöpfliche Quelle von Hinweisen und Anregungen. Taubes dachte fast durchgängig in (absoluten) Gegensätzen – von Antipoden her und auf sie hin, und betrachtete seit den Baseler und Züricher Studientagen Carl Schmitt als seinen Feind "par excellence" und dieser für ihn eine geradezu magische Anziehungskraft hatte.
Im ersten der hier vorgelegten Essays von Richard Faber, der von Taubes promoviert wurde und Anfang der 1980er Jahre sein Hochschulassistent war, hat die Rolle des Antipoden der (gleich Schmitt) konservativ-revolutionäre Hans-Joachim Schoeps. Stand dieser für eine schöpfungstheologische "Theokratie von oben", so steht der bekennende Antinomist Taubes für eine messianische "Theokratie von unten".
Neben dem Essay "Walter Benjamin und das 'Vater unser'", in dem es implizit um eine Auseinandersetzung mit Gershom Scholem geht, mit dem er seit dem Bruch in den frühen 50er Jahren in einem Dauerzwist lebte, legt Faber den Essay "Moderne Gnosis" vor. In ihm zeigt er, dass für Taubes noch in seinen gleichsam testamentarischen Heidelberger Vorlesungen zu Paulus (einem seiner Lieblingsthemen) dieser in aller Regel nur der Deckname für den "Erzketzer Marcion ist – und dieser für ihn der wahre "Apostel".
Faber schließt den Band mit einer Sammlung politisch-religiöser Witze "Das ist die Synagoge, in die ich nicht gehe" – im Sinne von Jacob Taubes: die ich gerade deshalb benötige, um mich zu identifizieren, zu definieren und von meinen Feinden abzugrenzen.
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»Theokratie von oben versus Theokratie von unten«
Die Antipoden Hans-Joachim Schoeps und Jacob Taubes*
»Wir denken grundsätzlich von oben her:
Königtum und Obrigkeit von Gottes Gnaden.« Hans-Joachim Schoeps am 18. März 1950
an Schalom Ben-Chorin »[…] ich denke von unten her.« Jacob Taubes, Carl Schmitt –
Ein Apokalyptiker der Gegenrevolution, 1985 Schoeps’ und Taubes’ Vergleichbarkeit als Historische und Politische Theologen
Ich möchte hier ausführen, was ich in meiner Monographie über den historischen und politischen Theologen Hans-Joachim Schoeps nur behauptet habe: dass Jacob Taubes dessen Antipode in nahezu jeder Hinsicht gewesen ist: »bei durchaus vorhandener Vergleichbarkeit«. Nur ihretwegen stellen die beiden deutsch(sprachig)en Juden bis heute Extreme ein- und derselben theokratischen Achse dar.1 Ihre Vergleichbarkeit besteht prinzipiell darin, dass auch Taubes, gleich Schoeps meist als »Religionswissenschaftler« gehandelt, eigentlich historischer und politischer Theologe gewesen ist.2 Der gegenüber Schoeps 14 Jahre jüngere Taubes konnte spätestens seit seiner Dissertation über die »Abendländische Eschatologie« von 1947, also genau zehn Jahre nach seinem wörtlich zu zitierenden Antipoden, gleichfalls beanspruchen, »dass er geschichtliche Geschehnisse zugleich auch theologisch und theologische Probleme stets auf dem Hintergrund der Geschichte erkennen kann.«3 – »[…] dass politisches und theologisches Bewusstsein eng zusammengehören«, wie sich Schoeps bereits 1933 überzeugt zeigte4, findet seinen Taubes’schen Ausdruck in Formulierungen wie: »Eine metaphysische Frage wird nicht im luftleeren Raum verhandelt.« Vielmehr bestünde eine »geheime Verabredung […] zwischen Philosophie und Politik«. Speziell Theologie tauche seit ihrem »Erfinder« Platon als »Problemstellung« der »politischen Theorie« auf; seitdem sei das theologische Problem »aufs engste mit der politischen Theorie verknüpft«5. »Diese Verknüpfung ist um so weniger erstaunlich«, wie Taubes 1955 expliziert, als das Interesse an theoretischen Disziplinen wie Theologie und Metaphysik […] ursprünglich von der politischen Sorge des Philosophen um die Gemeinschaft geleitet wurde. Ist es Zufall, dass Platon seine Ideenlehre in einer Abhandlung entwickelte, die sich mit der Struktur des Staates beschäftigt? Ist nicht Platons Ideenlehre die epistemologische Basis für den Entwurf dieser Republik? Eine Gesellschaft, die den sophistischen epistemologischen Relativismus anerkennt, ist nach Platon zu Anarchie und Tyrannei verurteilt, da auf der Basis des Relativismus keine politische Autorität begründet werden kann.6 Das platonische Interesse an Autorität wird nur von Schoeps und gerade nicht von Taubes geteilt, doch auch er hält es für wichtig, die […] ursprüngliche Stellung der Theologie im Auge zu behalten, um einzusehen, dass ihre Verbindung zur politischen Theorie nicht abgeleitet ist, sondern genau das Zentrum von beiden berührt. Es gibt in der Tat keine Theologie, die nicht für die Ordnung der Gesellschaft relevant wäre. Sogar Theologie, die [wie die Kierkegaardsche] beansprucht, völlig apolitisch zu sein, und die das Göttliche als das völlig fremde, als das gegenüber Mensch und Welt völlig andere auffasst, kann politische Implikationen haben […] Oder kann irgend jemand ernsthaft annehmen, dass eine Theologie [wie wieder die Kierkegaardsche, R.F.], die sich jeder ›liberalen‹ Vermittlung zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen widersetzt und die ›Autorität‹ und ›Gehorsam‹ als Kerngedanken behauptet, in ihrer politischen Doktrin plötzlich ›liberal‹ werden würde?7 »Selbstverständlich nicht«, hat immer schon der insoweit integrale Kierkegaardianer Schoeps gemeint. Und auch Taubes’ sich unmittelbar anschließenden Sätzen hätte der religiöse Autoritarist ohne »Wenn und Aber« zugestimmt: Da es keine Theologie ohne politische Implikationen gibt, gibt es auch keine politische Theorie ohne theologische Voraussetzungen. Proudhon bemerkte einmal, dass wir am Grunde der Politik immer Theologie finden. Diese Feststellung wird von Donoso Cortés zu Beginn seines ›Essay über den Katholizismus‹ zitiert, und sie ist vielleicht die einzige Prämisse, aber eine sehr wichtige, über die sich die beiden Erzfeinde von 1848 einig waren – Donoso, der Verteidiger des katholischen Royalismus, und Proudhon, der Verfechter des atheistischen Anarchismus.8 Die Konstellation Donoso Cortés – Proudhon antizipiert prinzipiell die Konstellation Schoeps – Taubes. War ersterer ein protestantisch-jüdischer Royalist, dann letzterer ein jüdisch-atheistischer Anarchist. Das bedeutet zugleich, dass nur Taubes von ihrer gemeinsamen These: »Die geheime Nahtstelle zwischen den beiden [untrennbaren] Bereichen [Theologie und politische Theorie, R.F.] wird durch den Begriff der Macht begründet« sympathetisch zu den unmittelbar folgenden Thesen übergehen kann: »Erst wenn das universelle Prinzip der Macht umgestoßen ist, wird die Einheit von Theologie und politischer Theorie aufgehoben sein. Eine Kritik am theologischen Element innerhalb der politischen Theorie gründet letztlich auf einer Kritik am Prinzip der Macht selbst.«9 Diese Kritik ist für Taubes, aber gerade nicht Schoeps unbedingt geboten, und unter Einschluss der Polemik gegen jeden Gott, der mit der Macht koaliert10. Schoeps wollte nur und stets mit einem solchen Gott paktieren; für ihn war er der jüdisch-christliche Gott schlechthin. Nicht aber für den bloß insofern atheistischen Anarchisten Taubes. Mit einem seiner Neologismen muss man ihn auch selbst einen »modernen Marcioniten« nennen11, der der These seines ganz und gar antijüdischen Antipoden Carl Schmitt unmöglich widersprochen hat: »Der Herr einer zu ändernden, d.h. verfehlten Welt […] und der Befreier, der Bewirker einer […] neuen Welt können nicht gut Freunde sein. Sie sind sozusagen von selbst Feinde.«12 Jedenfalls waren auch für Taubes Schöpfer- und Erlösergott keineswegs identisch.13 Oder proto- bzw. eschatologisch gewendet: mehr noch als sein mit wichtigster Lehrer Gerhard (Gershom) Scholem betonte Taubes »als Hoffnung für die Jetztzeit das [messianische] Endwunder«, während schon der junge Schoeps – eben gegenüber dem damals gleichfalls jungen Scholem – »als Trost für die Jetztzeit das Wunder des [Schöpfungs-]Anfangs« propagierte14, und auch er politisch-theologisch: aus brennender Sorge um die gerade in politicis bedrohte Schöpfungsordnung. Nicht zuletzt dieser entspricht (sozipolitisch) eine autoritative bis autoritäre »Theokratie von oben«, wie sie Taubes zeitgenössisch vor allem Carl Schmitts restaurativer Utopie vindiziert hat, um ihr die auch ihm eigene revolutionäre Utopie einer »Theokratie von unten« entgegen zu stellen: »Carl Schmitt denkt apokalyptisch, aber von oben her […]; ich denke von unten her.«15 – Schoeps ist nicht Schmitt, unter anderem fehlt ihm die diesem eigentümliche gegenrevolutionäre Apokalyptik in Form sogenannter Katechonik, doch vertritt auch Schoeps’ politische Theologie eine »Theokratie von oben«, was allein schon aufgrund der Taubes’schen Definition (s)einer »Theokratie von unten« einleuchtet, ex contrario eben: »[Eigentliche, R.F.] Theokratie meint eine unmittelbare Gottesherrschaft, die jede Form der Herrschaft von Menschen ausschließt.«16 Schoeps’ Theokratie von oben
Der 1980 verstorbene Schoeps hätte aufgeschrien, wenn er diesen kurz vor Taubes’ eigenem Tod formulierten Satz noch hätte lesen können, und Taubes, wie schon dem »religiösen Anarchisten« Scholem17, »Nihilismus«18 nachgesagt. Ich komme auf diese immanent verständliche Polemik zurück, nachdem ich Schoeps’ eigene politische Theologie referiert und die Taubes’sche expliziert habe. Schoeps glaubte von Kindheit an und stets ungebrochen, seinen »Kinderglauben« nie verlierend19, an einen »Offenbarungsgott«, der »von seinen Gläubigen die Gottesfurcht der Kreatur verlangt. Das […] ist die Position der Ebioniten wie der Juden und der Christen«20, und für den Preußen Schoeps nicht zuletzt die des Soldatenkönigs, dessen »kardinaler« Begriff »Gottesfurcht« geheißen...


Richard Faber, geb. 1943, wurde mit »Zur Kritik der Politischen Theologie« in Philosophie promoviert und habilitierte sich in Soziologie über den »Mythos des Abendlandes«. Er publizierte mehrere Bücher und gab zahlreiche Sammelbände heraus.Bücher u. a. »Abendland. Ein politischer Kampfbegriff«, 3. Auflage Hamburg 2020; »lateinischer Faschismus«, 2. Auflage Hamburg 2021.


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