E-Book, Deutsch, 332 Seiten
Ewers VAMPIR: Ein Gothic Klassiker
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-1272-9
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 332 Seiten
ISBN: 978-80-272-1272-9
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In Hanns Heinz Ewers' Werk 'VAMPIR: Ein Gothic Klassiker' taucht der Leser in eine düstere Welt voller Geheimnisse und übernatürlicher Phänomene ein. Das Buch erzählt die Geschichte von Graf Gustav von Geierstein, einem geheimnisvollen Vampir, der sein Unwesen treibt. Ewers verwendet einen fesselnden und atmosphärischen Schreibstil, der den Leser in die beklemmende Stimmung der Handlung eintauchen lässt. Dieses Werk wird als Meisterwerk des Gothic-Genres angesehen, das mit seiner detailreichen Beschreibung und komplexen Charakteren eine einzigartige Leseerfahrung bietet. Als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hat Hanns Heinz Ewers eine Vielzahl von Werken geschaffen, die sich mit dem Unheimlichen und Geheimnisvollen auseinandersetzen. Sein Interesse an der dunklen Seite der menschlichen Natur spiegelt sich deutlich in 'VAMPIR' wider, das als herausragendes Beispiel seiner literarischen Herangehensweise gilt. Lesern, die sich für Gothic-Literatur und unheimliche Geschichten interessieren, wird dieses Buch mit Sicherheit faszinieren und begeistern, da es eine packende Handlung und einzigartige Charaktere bietet, die lange nach dem Lesen in Erinnerung bleiben.
Autoren/Hrsg.
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II. Berylle
Inhaltsverzeichnis
»Deum testent invoco, si me Augustus, universo praesidens mundo, matrimonii honore dignaretur totumque mihi orbem confirmaret praesidendum: carius mihi et dignius videret, ut tua dici meretrix, quamillius imperatrix.« Epistolae Heloisiae. »Der Beryll, in der Farbe von Meer und Luft, ist des Heiligen Thomas Stein, des Ungläubigen und doch Gläubigen, der lange Seereisen machte und selbst zum fernsten Indien kam, von Gott gesandt, den Völkern zu predigen.« Andreas, Bischof von Cäsarea (um 560 A. D.) Immerhin, in diesen Tagen, während sie den Kontinent durchquerten, wuchs in ihm der Entschluß, mit hinüberzufahren mit den beiden. Langsam und allmählich, aber ganz sicher und fest: es war schließlich das beste, was er tun mochte. Freilich, seine Gründe waren ganz andere als die der beiden. Für die gab es nur eins: Deutschland! Ihr Vaterland, angegriffen von zehnfach überlegener Zahl, dem sicheren Verbluten nahe, wenn es nicht mit letzter Kraft die Feinde niederwerfen konnte. Und zu dieser Kraft gehörten auch sie, die beiden! Sie empfanden das nicht als eine Pflicht, die sie erfüllten mußten – es war Selbsterhaltungstrieb: sie waren nichts als ein kleinstes Teilchen des gewaltigen Deutschlands – und dies Deutschland kämpfte und wehrte sich bis zum letzten Blutstropfen. Es mußte sterben – oder aber es mußte siegen: und das mußten auch sie tun, die beiden. Es schien ihnen, als ob es gar nicht anders denkbar sei, als daß ein jeder Deutscher so fühlte wie sie: sie hegten nicht den leisesten Zweifel, daß auch er, Frank Braun, mit jedem Atemzuge, jedem Pulsschlage nur eines empfände: Vaterland, Deutschland, Mutter. – So wie sie – Er fühlte nichts dergleichen. Das sah er wohl, wie in solcher Zeit jeder einzelne zurücktrat, wie er verschwand und sich auflöste, aufging in der Masse, zusammenschmolz mit Millionen andern. Und wie plötzlich, über Nacht, ein Wesen erwuchs, jung, gewaltig, titanenhaft: das Volk. Er aber gehörte nicht dazu. Alles, was er war, war er ja geworden in stetem Kampf gegen die andern, war er ja nur als er selbst, nur als Individuum. Die andern? Nun, Menschen, überall. Und Deutsche zumeist. Massen, Volk, Herde. Mit dabei sein, auch mit dabei sein – das war frisches Leben für Millionen Menschen. Sie waren nichts – und die große Stunde erst schuf sie. Schuf sie, zwar als ein kleinstes Teilchen nur in dem Riesenleibe des Volkes, aber doch als ein Stück, das mitatmete, mitlebte, mitkämpfte. Ihm aber würde es alles rauben. Würde ihn – wie die andern alle – zu einem Stäubchen machen, zu einem jämmerlichen Fleischfetzchen im blutenden Leibe des Volkes. Tod war für ihn – was für die andern Leben war. Zurücktreten, untertauchen, verschwinden und sich auflösen – nein! Das, was sie Vaterland nannten, rief die Seelen. Und die Seelen jauchzten laut – sie gaben dem Leibe hohen Mut, Ausdauer und Kraft, gaben ihm den Willen zum Siege. Seine Seele hörte die Botschaft wohl, laut und hell, sah auch, wie die andern kamen – alle! Aber er blieb kühl und kalt – berauschte sich nicht – folgte nicht dem schallenden Rufe. Sein Leib, ja, der mochte mitgehn. Beine und Arme, Bauch und Hirn. Zwei Schenkel, die einen Gaul wohl fassen konnten, ein Auge, scharf genug, um das Ziel zu treffen, eine Faust, die oft genug den blanken Säbel geschwungen. Am Ende mochte es herzlich gleichgültig sein, weshalb er mitging – wenn er nur kam! Gebrauchen würden sie ihn schon können. Krieg war ihm ja nichts Neues, er hatte vier mitgemacht oder fünf. Und wenn es auch nur Affenkriege waren, Revolutionen in Mexiko, in Haiti, Venezuela und Peru, so war das doch gleich für den einzelnen Mann. Dort wie drüben schoß man mit warmen Kugeln, stach und schlug man mit langen Messern. Freilich, barbarisch noch, kindlich fast, ganz und gar nicht kunstgerecht. In Europa heute betrieb man nun wissenschaftlich das große Morden. O ja! Auch er wollte mit dabei sein! Aus Patriotismus nicht – rein aus Lust am Abenteuer. Er war in der Südsee, träumte in Samoa, als die Welschen Tripolis raubten, hörte in Kaschmir von den großen Balkanschlachten erst, als alles vorüber war. Zwei Gelegenheiten hatte er schon verpaßt – diesmal mußte er dabei sein. Aber es war nicht anders, als ob er zu einem Kriege reiste, den wildfremde, ihm völlig gleichgültige Völker miteinander führten. War, wie damals in El Paso, als er mit dem texanischen Kuhreiter den Silberdollar hochwarf: Kopf oder Schwanz? Für Villa oder Huerta? Nur daß er diesmal keine Wahl hatte, zu welcher Seite er reiten sollte. Und er dachte, daß das wohl das einzige sei: dieses bestimmte, sichere Gefühl, daß er für Deutschland und nicht gegen Deutschland kämpfen würde. Aber es war kaum mehr als ein Reinlichkeitsgefühl, etwas Anererbtes, Anerzogenes, das ihn leitete. So wie er kein fremdes Hemd anziehen würde, solange sein eignes noch hielt in den Nähten. *** Es war, als sie aus Saltlake-City hinausfuhren. Da saß der Mann ein wenig vor ihnen, drei Sessel entfernt, oder vier. Er saß da und spuckte, spuckte regelmäßig alle zwei Minuten in den großen messingenen Spucknapf. Nicht in den, der vor ihm stand; er spuckte im Bogen in den andern, weg über zwei Sessel, gerade auf sie zu. Nicht einmal fehlte er sein Ziel, traf stets, genau in die Mitte. »Ein ausgezeichneter Spucker!« lobte der Zweite. Der Assistent krähte: »Der Kerl sollte ein Unterseeboot sein! Und seine Spucke ein Torpedo. Und der Spucknapf ein englischer Kreuzer.« Frank Braun starrte den Fremden an. Der hatte früher nicht dagesessen, er mußte wohl erst eingestiegen sein, eben im Bahnhof. Oder aber – er war herübergekommen aus einem andern Wagen. Frank Braun starrte ihn an. Er glich seinem Onkel, dem alten Sanitätsrat ten Brinken – auf ein Haar glich er ihm. Es war ein kleiner Mann und häßlich genug. Glattrasiert; dicke Tränensäcke hingen unter den Augen. Wulstig die Lippen, fleischig die große Nase. Tief hing deckend das Lid über dem linken Auge, aber das rechte stand weit offen, schielte lauernd heraus. Nur: sein Onkel spuckte nicht, das tat er nicht. Er säberte wohl, hie und da – genau so wie dieser Mann. Der Sanitätsrat war es nicht, gewiß nicht. Auch war der ja tot, ganz und gar tot. Hatte sich aufgehangen; vor drei Jahren nun, gottseidank. Der Zweite stand auf. »Ich gehe in den Speisewagen!« erklärte er. »Ich hab in meinem Leben schon viele gute Dagos spucken sehn – aber so schwarz wie den da noch keinen, verdammt noch mal! Das stört mich weiter nicht, aber die Regelmäßigkeit macht mich kribbelig. Bis hundertundfünfzehn kann ich zählen – klatsch springt's in den Napf! Er rührt sich nicht – und ich zähle von neuem.« »Zählen ist wohl deine besondere Freude!« lachte der Assistent. »Willst du nicht wieder eine Liste aufmachen wie in den Quarantänetagen?« »Zähl du allein weiter!« gab ihm der Zweite zurück. Der Onkel saß da, still und stumm und starr. Er las nicht, er rauchte nicht, er rührte sich nicht. Er spuckte. Frank Braun zählte nun die Pausen ab, er brachte es auf hundertunddreiundzwanzig. Dann waren es zwei mehr und wieder vier weniger. Es werden genau zwei Minuten sein, dachte er. Und er zählte wieder. Zählte fünfmal, zehnmal, vierzehnmal – Nun stand der Mann auf. Blickte hinüber, rasch, ganz flüchtig nur; ein schleimiges verfaultes Lachen troff von den Hängelippen. Und in diesem einen Augenblick glaubte Frank Braun, daß es – o ganz bestimmt! – der Ohm Jakob wäre und kein anderer. Dann aber – und zu gleicher Zeit – glich er auch wieder dem toten Chinesen, der herumschwamm um das Fieberschiff. Oder aber: der war ja eben sein Onkel, war der Geheime Sanitätsrat ten Brinken. Er faßte sich an den Kopf – Der Assistent rief: »Gottlob, das Schwein ist weg!« Frank Braun sah auf, ja, der Mann war fort; soeben ging er durch die Türe in den nächsten Wagen. »Komisch,« sagte er, »der Mann glich sehr meinem Onkel.« »Na, dann ist Ihr Herr Onkel auch keine große Schönheit,« meinte der Assistent. Frank Braun sagte: »Nein, das war er wohl nicht. – Ich will ihm nachgehn.« »Wem?« fragte der andere. »Dem Mann. Dem Spucker.« Frank Braun stand auf, langsam und schwerfällig. Seine Stimme klang eingetrocknet. »Er sah genau aus wie der Chinese!« Der Assistent horchte auf: »Wie wer – sah er aus?« »Wie der Chinese,« antwortete Frank Braun. »Wie der Chinese, wissen Sie, der am Fieber starb und den ich einnähte. Der wieder hochkam am andern Tage und herumschwamm ums Schiff.« »Sagen Sie mal, Doktor,« unterbrach ihn der kleine Assistent, »es ist Ihnen wohl ein bißchen zu warm hier, was? Jetzt gleicht der Kerl dem Chinesen und eben Ihrem Onkel!!? Oder war der tote Chinese etwa Ihr Onkel? Dann gratulier ich! – Immerhin, gehn Sie einen Highball trinken – aber recht kalt bitte, es wird Ihnen gut tun.« Frank Braun sah ihn groß an. »Er glich beiden,« stotterte er. »Ich muß ihm nachgehn.« »Von mir aus!« lachte der Assistent. »Dann gestatten Sie wohl, daß ich Ihren Platz nehme, bis Sie zurück sind – hier scheint die Sonne mir gerade ins Gesicht. Und grüßen Sie mir den chinesischen Spuckonkel.« Frank Braun hörte kaum hin. Er dachte: es ist heller Tag – es ist ein Uhr mittags, und heißer sommerheller...