Evers DSA 41: Und Altaia brannte
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86889-880-4
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Schwarze Auge Roman Nr. 41
E-Book, Deutsch, Band 41, 348 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
ISBN: 978-3-86889-880-4
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Jahr 1017 nach Bosparans Fall starb auch eine Borongeweihte in der Feuersbrunst von Altaia. Tulameth lässt der Tod ihrer Schwester keine Ruhe; sie versucht, Licht in das Dunkel des schrecklichen Geschehens zu bringen... und stößt auf eine Schar tatendurstiger Abenteurer auf dem Weg nach Altoum. Keiner der Reisenden ahnt, daß sich das Dunkel über der Insel bereits zusammengezogen hat ...
Momo Evers (*1971) ist eine deutsche Autorin und Redakteurin. Sie studierte Geschichte, Germanistik und Erwachsenenbildung und arbeitet vorrangig im Bereich phantastischer Literatur. Sie war Chefredakteurin des Phantastik-Magazins Nautilus und Redaktionsmitglied beim Rollenspiel 'Das Schwarze Auge'. Als solche war sie an mehr als einem Dutzend Veröffentlichungen beteiligt. De freiberufliche Übersetzerin, Lektorin und Autorin lebt zurzeit in Halle an der Saale.
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3. Kapitel 10. Peraine 1017 nach Bosparans Fall Grangor, am Mittag Während Tokahe und Zoe nach einer kurzen Rast noch immer lachend und scherzend auf ihren Reittieren in Richtung der Hafenstadt Grangor ziehen und Orlan Okenheld endgültig die Hoffnung aufgibt, der entflohenen Spötterinnen habhaft zu werden, schließen wir, werter Leser, Bekanntschaft mit einer weiteren wichtigen Person unserer Erzählung: dem jungen Thorwaler Raskir Ingramsson. Am Mittag des 10. Peraine 1017 nach Bosparans Fall steht er mit seinem Oheim, dem Kapitän Liskolf, an der Schiffswerft von Grangor und bewundert staunend das mächtige Schiff, mit dem ihrer beider Ottajasko bereits einen Tag später in See stechen wird. Noch ahnt er nicht, wohin seine Reise ihn letztendlich führen, und auch nicht, wer ihn auf dieser begleiten wird... »Was sagst du, Liskolf? Fünfhundert Quader Frachtraum hat dieses Monstrum von einer Karracke? Bei Swafnir, ein ganz schöner Brocken, das Mädchen! Warenlieferung, hm? Also, mit dem, was das Schiff hier fassen kann, stampft man auf dieser Südmeerinsel mühelos eine ganze Stadt aus dem Boden! Sind doch vor allem irgendein Holz und Metalle, die wir transportieren, oder? Na, Holz sollten sie da unten ja wirklich genug haben, hm?« Die zwei Männer, die an einem abgelegeneren Teil der Grangorer Schiffswerft standen, blickten ehrfürchtig zu der Karracke auf, die in ihrer Massigkeit das ganze Hafenbecken auszufüllen schien. Von Bord des Schiffes wehte Efferds Odem vereinzeltes Klopfen und Rufen der Handwerker herüber, die letzte kleine Ausbesserungen vornahmen. Denn morgen sollte das stolze Schiff sich erstmals dem Wassergott stellen. »Weißt du irgend etwas Genaueres?« nahm Raskir seinen Monolog wieder auf. »Wo genau soll das Zeug denn hin? Was wollen sie damit? Und wer hat dieses Mordsding bauen lassen? Bei Swafnir, welch ein Riese von einem Schiff!« Der alte Liskolf antwortete nicht, sondern stopfte statt dessen bedächtig seine Pfeife und ließ den Blick zum wiederholten Male zum Bug des Schiffes gleiten, wo sich in schmiedeeisernen Lettern der Name der Karracke von dem Eichenholz abhob: Golgaris Schwinge. »Ein reichlich sonderbarer Name für ein Handelsschiff, hmhmhm, reichlich sonderbar«, murmelte er dann. Der Jüngere neben ihm schien noch immer ganz in den Anblick des Schiffes versunken. Reglos stand er da, hoch gewachsen, kräftig, die langen Strähnen seines dicken, rotblonden Haares rechts und links des markanten Gesichts zu Zöpfen geflochten. Dort, wo die Kleider aus hellem Leinen den muskulösen Körper nicht bedeckten, glänzte wettergegerbte Haut; er hielt die vollen Lippen fest zusammengepreßt, und seine strahlendblauen Augen waren unter den dichten Brauen zu schmalen Schlitzen verengt. Liskolf entzündete seinen Pfeifentabak und antwortete, während Rauchwolken ihn einhüllten: »Länge vierunddreißig Schritt, Breite zwölf Schritt, fünf Schritt Tiefgang, fünfhundert Quader Schiffsraum, acht Dutzend Matrosen, sechs Dutzend davon angeheuerte Seeleute aus Grangor. Fast so groß wie die legendäre Fürchtenichts! Ins Südmeer soll‘s gehen, Brabak, einmal ums Kap, schäbige Gegend, Seeschlangen und anderes unschönes Kroppzeug, aber das weißt du ja schon, mein Junge. Und dann nach Altoum, diese Südmeerinsel, die ich euch bei der letzten Besprechung auf der Karte gezeigt hab. Hmhmhm, hab kein gutes Gefühl bei der Sache... Golgaris Schivinge, hm, will ja nichts verlauten lassen gegen den guten, alten Herrn Boron, aber ein Schiff nach dem Totenvogel zu benennen ...« »Was sagtest du gerade? Totenvogel? Wieso? Wie heißt es denn, das Mädchen?« Der rotblonde Hüne betrachtete forschend die schmiedeeisernen Lettern am Schiffsbug. Ein langes Wort. Und dieses Zeichen am Anfang, das war ein G ... »Güldenland?« schlug er vor. Liskolf zog nachdenklich an seiner Pfeife. Die meisten Seeleute waren des Lesens nicht mächtig. Bei ihm als Kapitän war das natürlich anders, und er war stolz darauf. In der Tat wäre es besser, wenn niemand seiner Leute um den wahren Namen des Schiffes wüßte. Es würde nur Unruhe in die Mannschaft bringen. Doch Lügen war noch nie seine Sache gewesen. »Nein«, sagte er also. ›Golgaris Schwinge‹ heißt es. Wie der Totenvogel des Herrn Boron. Schwarzer Humor, den diese Brabaker Adelssöhnchen haben. Also, wenn‘s nach mir ginge ... ach was!« Verärgert spuckte er aus. Der Jüngere warf dem Kapitän einen erstaunten Blick zu. Da war er wieder - der besorgte, entmutigende Ausdruck im Gesicht des Oheims. Der verbitterte Zug um den sonst stets zufrieden lächelnden Mund. Gewöhnlich hatte Liskolf mit ihm immer ausführliche Erkundungsgänge über die Schiffe in der Werft gemacht, erst recht, wenn sie beide es auf seiner Jungfernfahrt begleiten sollten. Darüber hinaus war er, Raskir, auf dieser Fahrt erstmalig von der Ottaskin dazu auserwählt worden, Liskolfs Platz einzunehmen, falls diesem auf der Fahrt etwas zustoßen sollte. Eigentlich bin ich sozusagen zweiter Kapitän - erst recht ein Grund, mich ein bißchen genauer in Kenntnis zu setzen, so dachte Raskir bei sich. Doch bei der Golgaris Schwinge war alles anders gewesen. Der alte Kapitän hatte die Ottajasko wie immer genauestens über Route und Bauart des Schiffes in Kenntnis gesetzt. Die Summe, die bei dieser Sache für die Mannschaft heraussprang, war beträchtlich. Doch über die Auftraggeber und das, was es zu transportieren galt, hatte der Alte kein überflüssiges Wort verloren. Genaugenommen wußte Raskir selbst nichts weiter darüber, als daß es sich um einen Auftrag irgendwelcher feinen Herrschaften aus Brabak handeln sollte, die irgendwelche Materialien in den Süden schaffen wollten. Warum diese ihr Schiff hier und nicht weiter im Süden bauen ließen, war keine Frage: Grangor war bekannt für seine Zimmermänner und Baumeister, und wer etwas Besonderes haben wollte - was dieses Schiff zweifelsohne war -, tat gut daran, sich an die besten Schiffbauer Aventuriens zu wenden. Der Grund, warum gerade seine und Liskolfs Ottajasko ausgewählt worden war, um die Karracke zu überführen, lag gewiß nicht zuletzt daran, daß sie seit kurzem einen der führenden Zimmermänner dieser Region in ihren Reihen hatten: Fjornwulf, dessen hochgewachsene Gestalt Raskir auch jetzt zwischen den Handwerkern an Bord der Karracke ausmachen konnte. Fjornwulf stammte aus einer anderen Ottaskin und hatte vor gut einem Götterlauf mit Firinja, der Tochter Liskolfs, den Traviabund geschlossen. Firinja hatte ihr Leben dem Swafnir geweiht, und sie und ihre Familie waren innerhalb der Ottaskin hoch angesehen. Gewöhnlich war die junge Swafnirgeweihte bei den Fahrten der Ottajasko dabei, doch diesmal würden sie ohne sie in See stechen, da Firinja vor einigen Monden überraschend nach Prem aufgebrochen war. Fjornwulf begleitete die Ottajasko erst zum zweiten Mal, und für die anstehende Fahrt hatte er sich bei Liskolf ausgebeten, für die Koordination und Wartung der Lagerräume eingeteilt zu werden, was der Alte ihm gern zugestanden hatte. Fjorn könnte ich fragen, ob er mich einmal durch die Lagerräume führt, fiel es Raskir denn auch ein... obwohl ich viel lieber mit Liskolf gehen würde, beendete er seinen Gedanken. Doch derlei schien nicht möglich zu sein. Liskolf war, seit er von der Grangorer Werft als Kapitän dieses Schiffes bestellt worden war, immer stiller geworden, und man hatte ihn nur noch selten in den Hafenkneipen der Stadt zu Gesicht bekommen. Aber so sicher Raskir war, daß der Oheim ihn mochte, so sicher wußte er auch, daß man den Kapitän niemals nach etwas fragen sollte, über das dieser nicht sprechen wollte. Denn der Jähzorn des Alten war so gewaltig wie Swafnirs Leib... Liskolfs Stimme unterbrach den Hünen in seinen Gedanken. »Ach, Raskir, sei doch so gut und treib mir noch zwei Gehilfen für den Koch auf. Norhild wollte ihre Söhne mitnehmen, aber daraus wird wohl nichts, die beiden liegen mit Dumpfschädel zu Hause.« Dann, ohne eine Antwort seines Neffen abzuwarten, erhob sich der alte Kapitän und entfernte sich grußlos in Richtung der Hafenkneipen. Traurig sah ihm Raskir nach, bis die Gestalt mit dem langen grauen Haar zwischen umhereilenden Werftarbeitern und Matrosen nicht mehr auszumachen war. »Was ist nur mit dem Alten los?« seufzte er mißmutig. Raskir überlegte, ob er Fjornwulf jetzt gleich sein Anliegen bezüglich einer Führung durch die Laderäume vortragen sollte, entschloß sich aber kurzerhand dagegen. Geladen war die Fracht ohnehin schon, und ob er sie nun heute inspizierte oder morgen, war im Grunde einerlei. So stieß er lediglich einen trillernden Pfiff aus, machte Fjornwulf ein Zeichen, das soviel hieß wie »Wir treffen uns gleich auf einen Humpen!«, und machte sich dann auf zum Efferdtempel. Wie vor jeder Fahrt hoffte er, sich den Meeresgott durch eine großzügige Spende gewogen zu machen. Ehe die Karracke seinem Blick entschwand, wandte er sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf das Schiff, welches aus der Entfernung eher noch riesenhafter wirkte. Ungehalten schüttelte er den Kopf und stampfte mit dem Fuß in den dicken Fellschuhen auf, um die trüben Gedanken zu vertreiben. »Bei Swafnir, Raskir, jetzt reicht‘s!...