Euchner | John Locke zur Einführung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Reihe: zur Einführung

Euchner John Locke zur Einführung


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96060-036-7
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-036-7
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
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John Locke (1632-1704) war ein Intellektueller, der die geistigen, politischen und wirtschaftlichen Tendenzen seiner Zeit nicht nur genau beobachtete, sondern als Politikberater und Inhaber politischer Staatsämter selbst im politischen Leben stand. Als Philosoph ging es Locke darum, unbefangen die Reichweite des menschlichen Verstandes auszuloten, als politischem Theoretiker um den Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte. Die Darstellung Walter Euchners berücksichtigt auch seine Beiträge zur politischen Ökonomie, zur Pädagogik und zur Theologie und eröffnet einen Zugang zur Locke-Diskussion der Gegenwart.

Walter Euchner ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen.
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1. Lockes intellektuelle Statur


Zu Recht gilt John Locke als Klassiker der Philosophie. Doch diese Aussage charakterisiert seine Bedeutung nur unzureichend. Locke war ein Intellektueller, der die geistigen, politischen und wirtschaftlichen Tendenzen seiner Zeit erkannte – doch er interpretierte sie nicht nur, sondern stand als Berater von Politikern und Inhaber von Staatsämtern selbst im politischen Leben. Vielleicht erfaßt man sein Wirken am besten, wenn man ihn als Gentleman-Philosophen und Gentleman-Politiker sieht.

Auf eine ausführliche Darstellung seines Lebens soll hier verzichtet werden, da hierüber an anderen, bequem zugänglichen Stellen nachgelesen werden kann.1 Locke, 1632 geboren, stammte aus einem puritanischen Elternhaus, zog es jedoch vor, sich zur anglikanischen Staatskirche zu bekennen, vielleicht, um Schwierigkeiten, die die Zugehörigkeit zu einer religiösen Sekte mit sich gebracht hätte, aus dem Wege zu gehen. Seine akademische Karriere am Christ Church College in Oxford, in das er zwanzigjährig als Stipendiat eintrat, ließ sich gut an; bald galt er als ein zu den schönsten Hoffnungen berechtigender junger Mann.

Der junge Locke hatte ein Gespür für die Entwicklung des modernen Denkens. Er verwarf die aus dem Mittelalter überkommene Scholastik seiner akademischen Ausbildung und wandte sich Fragen der empirischen Naturerkenntnis und der Medizin zu. Er brachte es zum praktischen Arzt, der prominente Patienten mit Erfolg behandelte.2

Lockes naturwissenschaftliche Interessen brachten ihn mit dem gleichfalls in Oxford wirkenden, renommierten Naturwissenschaftler Robert Boyle in Kontakt; er experimentierte zusammen mit ihm und beobachtete für ihn das Wetter. Boyles Korpuskulartheorie machte Locke sich zu eigen.

Als Locke bereits in London lebte, knüpfte er Beziehungen zu Thomas Sydenham, einem der führenden Mediziner seiner Zeit; 1668 wurde er zum Mitglied der berühmten naturphilosophischen Gesellschaft Englands, der Royal Society, gewählt. Naturforscher und Naturphilosophen, darunter Isaac Newton, akzeptierten Locke als gelehrten Gesprächspartner.

Zu Lockes Aufgaben als Dozent am Christ Church College gehörte der Unterricht in Moralphilosophie. Diese war Bestandteil der »Praktischen Philosophie«, zu der auch Fragen der Politik bzw. des Verhältnisses von Politik und Religion gezählt wurden. Zu Beginn der sechzigerJahre, d.h. am Beginn der Restauration der Stuarts nach dem Cromwell-Regime, griff Locke die Frage der staatlichen Regelung des Gottesdienstes auf. Er befürwortete sie, im Unterschied zu seiner späteren Auffassung, weil er unter dem Eindruck des englischen Bürgerkrieges sektiererisches Verhalten für friedensgefährdend ansah. Über dieses Problem schrieb er um das Jahr 1660 zwei Abhandlungen; ein Publikationsplan zerschlug sich. Das philosophische Problem der Voraussetzungen systematischer Erkenntnis auf politischem Gebiet verfolgte er weiter. Als Grundlage hierfür wurde damals die Fähigkeit der Vernunft angesehen, die Prinzipien der Gerechtigkeit und einer ihr entsprechenden politischen Ordnung erfassen zu können – eine Sichtweise, die der aus der Scholastik überkommenen Naturrechtslehre entstammte. Locke widmete dieser Frage zwischen 1663 und 1664 mehrere gründliche Essays, die gleichfalls unveröffentlicht blieben. Aus ihnen läßt sich erkennen, daß Locke bei der Behandlung dieses Problems seine naturwissenschaftlichen Erfahrungen nutzbar machte, die seinen Blick für erkenntnistheoretische Fragen geschärft hatten. Diese Fragen rückten bald ins Zentrum seines philosophischen Interesses. Obwohl Lockes Untersuchungen politischer und naturrechtlicher Themen nicht veröffentlicht wurden, blieben sie nicht unbekannt, denn nach damaligem Brauch ließ er seine Manuskripte im Kreise seiner akademischen Gesprächspartner zirkulieren.

Locke empfahl sich Mitte der sechziger Jahre als ein junger Gelehrter, dem höhere Aufgaben anvertraut werden konnten. 1665 wurde er dazu ausersehen, den englischen Gesandten Sir Walter Vane als Sekretär nach Kleve zu begleiten, dem damaligen Sitz des Kurfürsten von Brandenburg, der für die Zeit der englisch-niederländischen Auseinandersetzungen von einer englandfeindlichen Position abgehalten werden sollte. Kaum zurück, wurde Locke die Stelle eines Sekretärs beim englischen Botschafter in Schweden angetragen. Er verzichtete, doch die Politik sollte ihn bald um so stärker beschäftigen. Locke machte nämlich die Bekanntschaft eines der wichtigsten englischen Politiker jener Tage, des Lord Ashley, des späteren Grafen von Shaftesbury, in den sechziger und siebzigerJahren Inhaber höchster Staatsämter, als First Lord Chancellor für einige Zeit faktisch Regierungschef. Ashley holte Locke nach London, also ins Zentrum des politischen Geschehens, wo Locke ihm als Sekretär, Berater und Leibarzt diente.3

Ashley war Whig, d.h. ein Vertreter jener Gentry genannten Schicht aus Landadel und Bürgertum, die sich in Opposition zum Königshaus der Stuarts befand. Seine Politik orientierte sich hauptsächlich an den Interessen der Kreise, die Handel und Gewerbe, nicht zuletzt durch koloniale Expansion, vorantreiben wollten. Innenpolitisch vertrat Ashley einen liberalen Kurs, d. h., er trat für die Tolerierung der puritanischen Sekten ein, da er zu Recht der Auffassung war, daß deren Mitglieder besonderen Gewerbefleiß entfalteten. Man würde Ashley jedoch verkennen, sähe man in ihm ausschließlich den machtbewußten Interessenpolitiker. Er besaß durchaus Neigungen zur Philosophie, Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie und versprach sich gerade darin Anregungen von der Zusammenarbeit mit dem brillanten Intellektuellen Locke. Ashley ermunterte Locke, Fragen der religiösen Toleranz und der Währungspolitik zu durchdenken, und ließ ihm bewußt Muße für seine erkenntnistheoretischen Überlegungen, an denen er Anteil nahm. Zudem war Locke an der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs für die Kolonie Carolina in Amerika beteiligt; ferner wurde er zum Staatssekretär des Amtes »Presentation of Benefits« und schließlich für den einflußreichen »Council of Trade and Plantations« (des Handels- und Kolonialministeriums) bestellt. Seinen Einblick in wirtschaftliche Zusammenhänge nutzte er zu gewinnbringenden Geldanlagen – eine Praxis, die er bis ins höchste Alter beibehielt. Nicht verschwiegen werden soll, daß der Vorkämpfer liberalen Denkens auch am Sklavenhandel verdiente.4

Folgenreich für Lockes Entwicklung als politischer Theoretiker war der Umstand, daß Shaftesbury im Abwehrkampf gegen die mögliche Thronfolge eines katholischen Mitglieds des Königshauses, des Herzogs von York, auf Lockes Fähigkeiten zur politischen Analyse zurückgriff. Ende der siebzigerJahre begann Locke, sich mit der Position eines Verfechters der absolutistischen Königsgewalt, Sir Robert Filmers, auseinanderzusetzen. Resultat dieser politiktheoretischen Untersuchung war ein dickleibiges Manuskript, das er nach der »Glorious Revolution« unter dem Titel anonym publizierte. Es scheint, daß Locke von Shaftesbury zur Abfassung dieser Schrift – eine »Gelegenheitsarbeit«, wie gesagt worden ist – aufgefordert wurde.5 Sie hat Locke ein für alle Mal in den Rang eines Klassikers des politischen Denkens erhoben.

Die thematisieren die verhängnisvollen Auswirkungen absoluter Herrschaft auf das politische und gesellschaftliche Leben. Unter dieser Herrschaftsform hatten Shaftesbury, aber auch Locke zu leiden, die sich in Opposition zu den Stuarts und deren Gefolgsleuten befanden. Shaftesbury wurde politisch verfolgt, saß sogar über ein Jahr im Tower und war schließlich 1682, nachdem er gegen den König konspiriert hatte, gezwungen, nach Holland zu emigrieren. Auch Locke war der Gefahr der politischen Verfolgung ausgesetzt. Im Jahr 1675, als Shaftesbury zum ersten Mal in politische Schwierigkeiten geriet, entzog Locke sich möglichen politischen Belästigungen durch eine Reise nach Frankreich, von der er sich zudem eine Linderung seines Asthmaleidens erhoffte.

Locke nutzte diese Reise, die ihn hauptsächlich nach Montpellier und Paris führte, dazu, die Bekanntschaft bedeutender Gelehrter, Naturwissenschaftler und Mediziner zu machen. Er hatte nunmehr Muße, wieder stärker seinen erkenntnistheoretischen Interessen nachzugehen, wie die Eintragungen in seinen berühmten, von ihm als »Common place Book« bezeichneten, enzyklopädisch angelegten Tage- und Notizbüchern, die reizvoll zu lesen sind, zeigen. In ihnen kommt seine Ablehnung bestimmter Positionen Descartes’ und seine Nähe zu Auffassungen des neoepikureischen Philosophen Pierre Gassendi zum Ausdruck. Dessen Schüler François Bernier, Arzt wie Locke, zugleich ein weitgereister Mann von Welt, lernte er persönlich kennen. Locke wurde in jenen Jahren zu einem anerkannten Mitglied der internationalen »Gelehrtenrepublik«, der »république des lettres«, d.h. jener Gelehrter überall in Europa, die miteinander korrespondierten, sich z.T. persönlich kannten,...


Walter Euchner ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen.



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