Eschstruth / Schulze | Nataly von Eschstruth - Gesammelte Werke | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 4273 Seiten

Reihe: Gesammelte Werke bei Null Papier

Eschstruth / Schulze Nataly von Eschstruth - Gesammelte Werke

Romane und Geschichten
Überarbeitete Fassung
ISBN: 978-3-96281-101-3
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Romane und Geschichten

E-Book, Deutsch, 4273 Seiten

Reihe: Gesammelte Werke bei Null Papier

ISBN: 978-3-96281-101-3
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Neue Deutsche Rechtschreibung Nataly von Eschstruth war eine deutsche Schriftstellerin und eine der populärsten und berühmtesten Erzählerinnen der Gründerzeit. Null Papier Verlag

Nataly von Eschstruth (1860-1939) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der populärsten und berühmtesten Erzählerinnen der Gründerzeit. In ihren unterhaltsamen Romanen schilderte sie eingängig das Leben einer höflichen Gesellschaft, wie sie es aus eigener Erfahrung gelernt hatet.
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1.



Die Blüte fiel, mir blieb der scharfe Dorn,
Noch immer aus der Wunde quillt das Blut;
Es sind das Weh, die Sehnsucht und der Zorn
Mein einzig Gut.

Es war im Juni. Blendende Sonnenglut lag auf dem weit gedehnten Häuserkomplex der Kadettenanstalt, flimmernd, wie ein unabsehbares Strahlennetz, welches mit tausend feinen Goldmaschen Himmel und Erde umsponnen hält. Die jungen Gartenanlagen standen matt und welk, einzelne Schmetterlinge hingen an den Blumen, und die Fliegen blitzten wie übermütige Gedanken durch die Luft, ebenso bunt und schillernd wie der Sonnenstaub, in welchem sie sich tummelten. Hinter dem Hauptgebäude dehnte sich der Reitplatz aus, da war Schatten.

»Durch die Mitte der Bahn changiert!« klang die Summe des unterrichtenden Kavallerieoffiziers. Er ließ die Reitpeitsche sinken, stemmte die Arme in beide Seiten und ließ die erhitzten Pferde an sich vorüber defilieren. Mit glühendem Gesicht führten die jungen Reiter das Manöver aus, mit fast peinlicher Genauigkeit, und dennoch war kein einziger bei der Sache. Zur Seite des Platzes nämlich, dicht an der Barrière, stand ein kleiner Kreis sehr eleganter Zuschauer; die hohe, imposante Gestalt eines Herrn mit dem Band des eisernen Kreuzes im Knopfloch, mit weißem Schnurrbart und hellen Handschuhen, und ihm zur Seite die Frau Majorin, seine Gemahlin, klein, korpulent, mit der Lorgnette vor den Augen.

»Dagmar!« wandte sie sich plötzlich mit strengem Blick zur Seite, »geh’ von dem Geländer herunter! Du bist nicht allein hier!«

Dagmar war ein Backfischchen, graziös, kokett, von Kopf bis zu Füßen rosa. Die kleine Nase mit ihrem kecken, aufwärts strebenden Spitzchen wandte sich halb zur Seite. »Da unten sehe ich nichts, Tante!« rief sie mit leicht gefaltetem Mündchen, »und Frieda und Herr von Sangers stehen ja vor mir!« Und ohne nur die mindeste Notiz von dem missbilligenden Gesicht der Majorin zu nehmen, rückte sie sich noch übermütiger auf ihrem Sitz zurecht und warf die wilden Kraushaare in den Nacken zurück.

»Sagen Sie mir doch, Herr von Sangers, wer ist jener entsetzlich hässliche Mensch dort auf dem Schimmel!« lachte sie plötzlich laut auf, ihre tiefdunkeln Augen zu dem jungen Kürassieroffizier hebend, welcher lächelnd mit dem Blick der Richtung folgte, die ihm die kleine Hand ungeniert angab, »nein, das ist ja haarsträubend! Wie eine Leiche sieht er aus und hängt auf dem Pferde wie ein Hampelmann! Hahaha! Fritz!« Und sie wandte sich jäh zu einem rotwangigen, zehnjährigen Knaben zurück, welcher dicht hinter ihr stand: »Dass Du mir niemals solch einen Ritter von der traurigen Gestalt abgibst, sonst verleugne ich Dich bei Gott vor aller Welt!«

»Da kannst Du ruhig sein, Dagmar!« schüttelte Fritz mit wegwerfendem Naserümpfen den Kopf, »ich glaube, wir Beide reiten jetzt schon besser wie all’ die Kerls da zusammen!«

»Aber Kinder, bitte, menagiert Euch!« wandte sich die Majorin mit strafendem Blicke um, und auch Frieda schüttelte ganz verlegen ihr achtzehnjähriges Blondköpfchen und sagte in entschuldigendem Flüsterton zu Herrn von Sangers: »Die beiden Kleinen sind gar zu wild, das kommt von dem ewigen Landaufenthalt bei uns; ich bin recht bange, wie Fritz sich hier einleben wird!«

Der schöne Offizier strich lächelnd seinen glänzenden Schnurrbart. »Unbesorgt, mein gnädiges Fräulein, lassen Sie den kleinen Vetter erst ein paar Monate bei uns sein, und Sie werden Ihre Freude erleben, welche Wunder das Kadettenkorps bewirkt. – Wie befahlen Sie, Fräulein Dagmar?«

»Ich befahl, dass Sie mir nun endlich sagen, wer jenes junge Scheusal auf dem Schimmel ist!« klang es mit grausamer Betonung von den frischen Lippen und Dagmar zupfte kokett an der dunkelroten Rose, welche, weithin leuchtend, in ihrem Knopfloch stak, »jetzt kommt er eben hier angeritten, der dritte – heiliger Laurentius, wenn er doch einmal herunterfiele!« Und mit hellem Gelächter strich sie das schwere Haar aus der Stirn und hämmerte ausgelassen mit dem spitzen Stiefelhacken gegen die hölzerne Barrière.

»Bitte, nicht so laut, Fräulein Dagmar!« raunte ihr Sangers mit leichtgefalteter Stirn zu, »Graf Echtersloh ist unser zukünftiger Moltke, klug, strebsam, sehr brav und tüchtig.«

»Aber hässlich! Hässlich über alle Begriffe!« Laut und scharf klang die Stimme Dagmars über den Platz, ein spöttischer Ausdruck umspielte ihre roten Lippen, fest und groß hafteten ihre Augen auf dem Gesicht des Kadetten, ein fast herausfordernd trotzig moquanter Blick, welcher jedoch den Zauber des pikanten Gesichts eher erhöhte als vernichtete.

Wie von einem Dolch getroffen schrak Graf Echtersloh empor, momentan ruhte Auge in Auge, jeder Blutstropfen wich aus seinen an und für sich schon sehr bleichen, großgeschnittenen Zügen, starr wie das Antlitz eines Toten schaute er zu ihr herüber.

»In abgekürztem Tempo Galopp – Marsch!« klang das Kommando des Offiziers dicht neben ihm. Der Schimmel zuckt auf, mit jäher Bewegung setzt er sich in das rasche Tempo seiner Vorgänger, und Graf Echtersloh, überrascht, verwirrt, wie aus tiefem Traum erwachend, sucht schwankend die Balance zu halten – umsonst, mit schneller Wendung kündigt der Schimmel den Gehorsam und sein Reiter fliegt vornüber in schwerem Sturz aus dem Sattel.

»Nun haben Sie ja Ihren Willen gehabt, Fräulein Dagmar«, flüsterte Sangers zwischen den Zähnen, und ein fast finsterer Blick streift die Kleine, welche momentan leicht erbleichend auf das herrenlos dahintrabende Pferd starrt. »Das hätte leicht recht schlimm ablaufen können. Aber Gott sei Dank, unser braver Selektaner scheint sich nicht erheblich verletzt zu haben! Sie scheinen sehr viel Gewicht auf das Äußere zu legen, Fräulein von der Ropp, für Sie existiert nur die Schönheit?«

»Natürlich!« Dagmar warf ihr reizendes Köpfchen in den Nacken: »Es gibt drei Dinge auf der Welt, welche mir verhasst sind: Kälte, Dunkelheit und hässliche Gesichter, und wenn Ihr Graf Echtersloh auch ein wahrer Ausbund von Klugheit und Geist wäre, er ist für meine Begriffe ein Monstrum von Hässlichkeit, und das genügt, um ihn für mich aus dem Register der Existierenden zu streichen!«

»Du übertreibst, Dagmar«, warf Frieda mild ein, »es ist nur seine auffallend bleiche Gesichtsfarbe, welche ihn auf den ersten Blick unschön erscheinen lässt, seine einzelnen Züge sind nicht hässlich, im Gegenteil, sie sind fast zu regelmäßig ausgeprägt für das hagere Gesicht!«

»Gesicht! Wie kann man einen solchen Totenkopf nur Gesicht nennen!« zuckte die Kleine geringschätzend die...



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