E-Book, Deutsch, 462 Seiten
Reihe: Klassiker bei Null Papier
Eschstruth / Schulze Frieden
Überarbeitete Fassung
ISBN: 978-3-96281-098-6
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Komplettausgabe
E-Book, Deutsch, 462 Seiten
Reihe: Klassiker bei Null Papier
ISBN: 978-3-96281-098-6
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nataly von Eschstruth (1860-1939) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der populärsten und berühmtesten Erzählerinnen der Gründerzeit. In ihren unterhaltsamen Romanen schilderte sie eingängig das Leben einer höflichen Gesellschaft, wie sie es aus eigener Erfahrung gelernt hatet.
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I.
Wie ein großer Blütenstrauß lag der Park. Auf sammetweichen Rasenflächen, deren Grün so fleckenlos und licht wie ein Riesensmaragd in der Sonne lag, erhoben sich die Tuffs von Flieder und Goldregen, untermischt mit dem Schatten dunkellaubiger Taxus und Zypressen, um welche der Perückenstrauch seine zarten Schleier wob.
Alles, was an Frühlingsblumen existiert, hob die bunten Köpfchen, die Krokus, Tazetten und Hyazinthen lachten von den sorgsam gepflegten Beeten, und in dem gewaltigen Basaltbecken rauschten die silbernen Wasser aus Tritonhörnern und fluteten wohlig über den Rand, sich in breiten Kaskaden den sanften Abhang der Schlossanlage hinab ergießend.
Die Front des königlichen Schlosses dehnte sich an dem herrlichen Paradeplatz entlang, die Nebenflügel und uralten Seitenbauten mit Türmen, Erkern, Giebeln und Söllern wandten sich den weitläufigen Parkanlagen zu und versteckten ihr graues Gemäuer hinter einem wahren Dickicht von Epheugespinst und Klematisranken, welche neugierig in die ehrwürdigen Fenster lugten, hinter welchen so manch’ prächtiges, geheimnisvolles, glückliches und leidenvolles Leben schier sagenhaft dahingeflutet.
In dem runden Turmausbau der Westseite lag das Ankleidezimmer der jungen Kronprinzessin, die elegante Flucht ihrer Privatgemächer auf das würdigste abschließend.
Nicht steife, zwingende Konvenienz hatte vor zwei Jahren das Eheband des königlichen Paares geknüpft, sondern heiße, innige Liebe hatte es schon seit Jahren im geheimen gewebt, seit Kronprinz Georg die liebreizende kleine Prinzessin Ingeborg anlässlich der Silberhochzeit ihrer Eltern an befreundetem Fürstenhof zuerst geschaut.
Da hatte er ihr sonniges, lachendes Kindergesichtchen tief in sein Herz geschlossen und als er ihr bei Tafel die purpurnen Rosen, welche vor ihm dufteten, mit lächelndem Gruß hinübersandte, da nickte ihm Schön-Ingeborg mit strahlenden Augen zu, nahm scherzend ein Knallbonbon und schickte es ihm zum Gegengruß.
In dem Bonbon aber befand sich eine gedruckte Devise mit dem Vers:
»Was sich findet
Und verbindet,
In der goldnen Jugendzeit,
Bleibt verbunden
Auch in Stunden,
Wo im Leben wogt der Streit.«
Als Kronprinz Georg diese Worte las, färbte sich sein ernstes Antlitz höher und er hatte das Empfinden, als hielte er in diesem Augenblick seinen Schicksalsspruch verbrieft und besiegelt in Händen.
Obwohl er die damals fünfzehnjährige Prinzessin in den nächsten Jahren nicht wiedersah, blieb ihr doch sein Herz mit tausend geheimen Fäden innigen Gedenkens verbunden.
Er beobachtete jedes Vorkommnis an dem Hofe ihrer Eltern mit lebhaftem Interesse, und als von seinem Vater die Notwendigkeit einer baldigen Heirat des Thronfolgers erörtert wurde, wusste er alle etwaigen Bedenken zu besiegen und den König seinen Plänen geneigt zu machen.
Am achtzehnten Geburtstag der Prinzessin Ingeborg kehrte Kronprinz Georg abermals als Gast in dem nachbarlichen Schlosse ein, und was die Zeitungen sofort als interessante Vermutung ausposaunten, war wirklich schon nach wenigen Tagen eine Tatsache geworden.
Eine tiefe, schwärmerische Neigung für den ernsten, stattlichen Mann, welcher ihr das Ideal eines ritterlichen Königsohnes schien, erfüllte die bildschöne, jugendliche Prinzessin, und diesmal war es – aller Tradition zum Trotz – Gott Amor, welcher eigenhändig die blühende Myrte um die Königskronen eines überglücklichen Paares flocht.
Die Hochzeit ward unter beispiellosem Jubel von dem ganzen Land gefeiert.
Das Volk war stolz auf seine bezaubernde Kronprinzessin; wo sie sich zeigte, flogen ihr die Herzen im Sturme zu, und wen ihre Schönheit nicht sieghaft zu eigen nahm, den gewann ihre Anmut und Liebenswürdigkeit.
Voll kindlich froher Laune und harmloser Heiterkeit, von Herzen gut und freundlich, wirkte Kronprinzessin Ingeborg wie ein Sonnenstrahl auf ihre ganze Umgebung, und ihr hoher Gemahl war der Erste und Eifrigste, welcher ihr die Rosen der Liebe und Verehrung auf den Lebensweg streute.
Er selber hatte die Zimmer für »seine kleine Frau« – nach eigensten Plänen und Anordnungen auf das idealste ausgestattet.
Er wollte ihrer lichten Schönheit in allem und jedem für einen passenden Rahmen sorgen. Das alte, düstere Schloss sollte selbst bis in das hinterste Winkelchen hinein in Glanz und Duft getaucht werden.
Hellrosa – himmelblau – und goldgestickt, von duftigen Spitzen umwallt, belebt von zwitschernden Vögelchen und durchweht von dem süßen Odem immer frischer Blüten, reihten sich die Salons der Kronprinzessin aneinander. Gold-, Silber- und Kristallglitzern überall, – die Kunst in Bild, Statue und Wort, ganz modern und ganz antik – aus jedem Zeitalter das Schönste und Beste zusammengetragen, der herrlichsten von allen in ihrem »« zu huldigen. Auch das Toilettenzimmer, das weite, sechsfenstrige, runde Turmgemach war auf das geschmackvollste und originellste für die junge Gebieterin hergerichtet.
Von der gemalten Decke fielen die graziösen Bronzegewinde nieder, welche die rosigen Lilien des elektrischen Lichts trugen und von schwebenden Amoretten gehalten wurden. In allen Pfeilerwänden zwischen den vielen Fenstern befanden sich hohe Kristallspiegel, welche das Bild der Anwesenden wiederholt zurückwarfen.
Eine Symphonie in Weiß und Gold!
Bis auf den kleinsten Gegenstand trägt der goldumrahmte Toilettentisch seine Elfenbeinbürsten, Vasen, Dosen, Fläschchen, Schalen und Leuchter, alles mit dem goldenen Namenszug und der Königskrone geschmückt.
Und mit weißen Atlaskissen ist auch der kleine Sessel von vergoldetem Bambus bedeckt, auf welchem Prinzessin Ingeborg soeben Platz genommen hat, um sich frisieren zu lassen.
Die Kammerfrau hat das Spitzengeriesel eines Frisiermantels um die zarten, noch so mädchenhaften Schultern der Fürstin gelegt und öffnet soeben mit geschickten Händen die langflutende Pracht lichtblonden Haares, das dem rosigen Antlitz der Prinzessin...