E-Book, Deutsch, Band 198, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Esch Lore-Roman 198
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-7207-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Bei dir geh' ich in Lebensstellung
E-Book, Deutsch, Band 198, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-7207-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Als Dorothea von Kempkes ihre erste Stelle als Restauratorin auf Schloss Mergenthausen antritt, hat sie schon einiges an Gerüchten über den jungen Fürsten Thomas gehört: Über den tragischen Tod seiner schönen Frau vor wenigen Jahren, die, so munkelt man, seine Untreue nicht ertrug und unter dramatischen Umständen verstarb. Und über die betrübliche Tatsache, dass der kleine Sohn Florian nun Halbwaise ist und vernachlässigt wird. Aber Dorothea nimmt sich fest vor, sich nur auf ihre Arbeit zu konzentrieren und nichts auf das Gerede zu geben.
Doch als sie dem Fürsten zum ersten Mal begegnet, gerät dieser Entschluss gehörig ins Wanken - dieser aufrichtige, freundliche Mann kann doch nicht ein gewissenloser Don Juan sein. Oder will Dots dummes Herz die Wahrheit einfach nicht sehen? Ein dramatischer Zwischenfall bringt Gewissheit ...
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Bei dir geh' ich in Lebensstellung Wie Dorothea den Weg zum Herzen ihres Fürsten fand Von Ursula Freifrau von Esch Als Dorothea von Kempkes ihre erste Stelle als Restauratorin auf Schloss Mergenthausen antritt, hat sie schon einiges an Gerüchten über den jungen Fürsten Thomas gehört: Über den tragischen Tod seiner schönen Frau vor wenigen Jahren, die, so munkelt man, seine Untreue nicht ertrug und unter dramatischen Umständen verstarb. Und über die betrübliche Tatsache, dass der kleine Sohn Florian nun Halbwaise ist und vernachlässigt wird. Aber Dorothea nimmt sich fest vor, sich nur auf ihre Arbeit zu konzentrieren und nichts auf das Gerede zu geben. Doch als sie dem Fürsten zum ersten Mal begegnet, gerät dieser Entschluss gehörig ins Wanken – dieser aufrichtige, freundliche Mann kann doch nicht ein gewissenloser Don Juan sein. Oder will Dots dummes Herz die Wahrheit einfach nicht sehen? Ein dramatischer Zwischenfall bringt Gewissheit ... Das Schloss war ein mächtiger quadratischer Renaissancebau, umgeben von einem breiten Wassergraben, auf dem Schwäne und Enten schwammen. Eine Brücke schwang sich im großen Bogen über das Wasser. An drei Ecken des Schlosses befanden sich mächtige Türme. Der Turm an der vierten Ecke des Baus war schlanker, die hohen schmalen Fenster dieses Gebäudeteils ließen Dot vermuten, dass sich hier die Schlosskirche befand. Hier sollte sie also für die nächste Zeit arbeiten. Die blonde Dorothea von Kempkes schüttelte ein bisschen über sich selbst den Kopf. Seit dem plötzlichen Tod ihrer Eltern war ihr Leben ziemlich turbulent verlaufen. Während ihrer Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste in München hatte sie feststellen müssen, dass sie doch nicht das Zeug zur freischaffenden Künstlerin hatte. Da sie aber äußerst talentiert und geschickt in Bezug auf die reinen Maltechniken war, einen sicheren Blick für Farben und Formen und einen guten Geschmack hatte, hatte sie ihre Ausbildung auf die Wiederherstellung alter oder beschädigter Gemälde konzentriert. Die ganze Zeit über hatte sie sich mit Aushilfsjobs und kleineren Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten können, aber die Hoffnung, jemals nicht mit dem Pfennig rechnen zu müssen, hatte Dorothea schon längst aufgegeben. Und jetzt der Jahrhundertauftrag, wie Dorothea ihn bei sich nannte, des Fürsten Thomas von Mergenthausen, den ihr ihr ehemaliger Professor an der Akademie beschafft hatte! Auf Schloss Mergenthausen war bei einem Brand im vergangenen Jahr ein zugemauerter Gang entdeckt worden, in dem stapelweise kostbare Gemälde lagerten, die alle restaurierungsbedürftig waren. Doch in Dorotheas Freude über den Auftrag mischte sich das ungute Gefühl der Unsicherheit, was sie wohl auf Schloss Mergenthausen erwartete. Die Gerüchte, die über den Fürsten und seine Familie in Umlauf waren, waren nicht sehr ermutigend. Fürst von Mergenthausen hatte seine Frau früh verloren und stand nun allein mit seinem inzwischen sechsjährigen Sohn da. Mit auf dem Schloss lebte auch noch die jüngere Schwester der verstorbenen Fürstin, die Komtess – sie bestand auf dieser Anrede, weil sie unverheiratet war – Eliza von Thann. Man munkelte, dass sie selbst ein Auge auf den Fürsten geworfen hatte, und auch das Gerücht, dass es beim Tode der schönen Fürstin Helena nicht mit rechten Dingen zugegangen sein sollte, hielt sich hartnäckig. Dorothea oder Dot, wie sie von ihren Freunden genannt wurde, schüttelte wieder den Kopf. So ein Unsinn, sich von dem Gerede der Leute verunsichern zu lassen! Schließlich waren der Fürst und sie nicht mehr als Geschäftspartner ... seine Familie ging sie ja nun wirklich nichts an. Dorothea schaute auf ihre Armbanduhr. Gleich vier Uhr. Nun, dann würde sie sich jetzt in die Höhle der Löwen begeben. Sie hatte lange überlegt, was sie zu dieser Unterredung anziehen sollte. Am Ende hatte sie sich für ein bequemes, aber schickes grünes Lodenkostüm mit einem weißen Pullover, passenden Kniestrümpfen und festen Schuhen entschieden. Denn Dot wusste ganz genau, dass sie schlank und groß genug war, um auch in dieser ländlich-sportlichen Aufmachung elegant auszusehen. Auch wenn der Fürst nur an Antiquitäten interessiert war ... eine gut aussehende, selbstbewusste Frau verkaufte sich immer besser! *** »Hoffentlich hat dir Hauff einen guten Mann empfohlen!«, sagte Komtess Eliza von Thann zu ihrem Schwager. Sie sah der verstorbenen Fürstin, ihrer Schwester, sehr ähnlich ... nur dass bei ihr alles farbloser wirkte. »Schade, dass der Restaurator, den du das letzte Mal beschäftigt hast, inzwischen zu alt für diese Aufgabe ist. Seine Sehkraft hat merklich nachgelassen. Man wusste doch, was man an ihm hatte!« »Papi, darf ich bitte aufstehen?«, ertönte die Stimme des sechsjährigen Florian. Der kleine Erbprinz, das einzige Kind des Fürsten, war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Freilich, vorläufig waren seine Gesichtszüge noch kindlich weich, aber auch er würde einmal wie sein Vater das schmale, kantige Gesicht der Mergenthausens bekommen. Die großen dunklen Augen unter dichten Brauen und Wimpern waren heute schon die gleichen. »Du kannst mir doch nicht einfach ins Wort fallen!«, rügte Eliza ihren Neffen. Der zog den Kopf ein, presste seinen hübschen Mund einen Moment zusammen und überlegte dann wohl, dass es besser und diplomatischer wäre, nicht zu widersprechen. »Tschuldigung, Tante Eliza«, antwortete er. »Ich dachte, du hättest ausgesprochen, und ich wollte ...« »Erstens heißt es ,Entschuldigung', und zweitens hat ein Kind deines Alters überhaupt nichts zu wollen. Es tut, was die Erwachsenen ihm gestatten«, fuhr die Komtess dazwischen. Florian warf seinem Vater einen raschen Blick zu, doch der schien in seine Tasse Kaffee vertieft. »Tschu... ich meine Entschuldigung!« Der Junge betonte die erste Silbe. »Ich dachte, ich störe bei eurer Besprechung über die Bilder und ...« »Du kannst gehen, Flori«, unterbrach der Fürst. »Sag dem Otto, er soll mir den Hektor satteln und dir dein Pony. Wir reiten zusammen aus!« »Hurra! Papi, prima, dass du Zeit hast!« Flori schoss so von seinem Stuhl in die Höhe, dass seine Tasse mit dem Kakao umfiel, und sauste aus dem Zimmer, bevor die gestrenge Tante Eliza Zeit fand, ihn erneut zu schelten. »Wie kannst du ihm das durchgehen lassen!«, entsetzte sie sich dafür jetzt gegenüber ihrem Schwager. »Nachdem ich mit der Marmelade auch schon gekleckert habe, dachte ich, dass es auf einen Flecken mehr oder weniger nicht ankommt«, verteidigte der Fürst sich und seinen Sohn. »Das ist etwas anderes!«, fand Eliza, die mit ihrem heimlich geliebten Schwager immer eine Ausnahme machte. Freilich, so heimlich war ihre Liebe nun auch wieder nicht, dass nicht das gesamte Personal und auch ihr Bekanntenkreis darüber mehr oder weniger boshaft lästerten. »Allerdings«, stimmte Thomas von Mergenthausen zu. »Wenn ein Mann meines Alters kleckert, ist das weit weniger entschuldbar als bei einem Kind.« »Das kann ich nicht finden!«, widersprach Eliza. Der Fürst unterdrückte einen Seufzer. Manchmal war die beharrliche Anbetung seiner Schwägerin schon ziemlich lästig. Aber sie war die Schwester seiner sehr geliebten verstorbenen Frau und würde aus diesen beiden Gründen wohl immer nur das tun, was für den Jungen und damit auch für ihn und Mergenthausen das Beste war. Trotzdem glaubte er, ihr wieder einmal sagen zu müssen, mit Flori etwas geduldiger zu sein. »Du bist manchmal zu streng, Eliza. Ich weiß, du meinst es gut!«, wehrte er ihre Ansätze, ihn zu unterbrechen, ab. »Aber ist es denn schlimm, wenn ein kleiner Junge, der noch nicht mal in die Schule geht, ,Tschuldigung' sagt? Übrigens hatte er dich wirklich nicht unterbrochen: Du hast eine Pause gemacht ...« »Ja, weil ich auf deine Antwort wartete!« »Nun gut. Aber ich hatte noch nicht einmal zur Antwort angesetzt ...« »Du findest, ich war ungerecht? Oh, du verziehst den Jungen!« Wieder unterdrückte der Fürst einen Seufzer. Manchmal kam es ihm so vor, als wäre Eliza auf den Jungen eifersüchtig. Vielleicht bildete er sich das ein. Aber sie benahm sich, als eifere sie mit jedem, mit dem ihn ein besonderes Gefühl verband: mit Flori vor allen Dingen, aber auch mit seinem Lieblingspferd, dem treuen alten Stallknecht Otto und der lang gedienten Köchin Berta. Wann immer er jemandem seine Zuneigung schenkte, fand sie etwas an demjenigen auszusetzen und nörgelte und stichelte. Er musste wirklich einmal ernsthaft mit ihr reden! Nur ... zugeben, dass er seit Langem von ihren Gefühlen wusste, dass schon seine Frau früher mit ihm darüber gelacht hatte, das wollte er lieber nicht ... Es würde nur Komplikationen geben. Nun seufzte Fürst Thomas doch. Helena. Die schöne Helena, wie sie genannt worden war, wie unendlich glücklich war er die ersten Jahre mit...