E-Book, Deutsch, 220 Seiten
Ernst Fette Herzen: Thriller
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95764-121-2
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 220 Seiten
ISBN: 978-3-95764-121-2
Verlag: Hallenberger Media Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Kriminalroman aus Norddeutschland, der die Grenzen des Genres durchbricht und sich zu einem packenden Thriller entwickelt:
Nach dem Unfalltod eines Arztes stolpert Jacob Fabian über üble Intrigen im Kardiologen-Milieu. Vordergründig geht es zunächst nur um finstere Zustände in der scheinbar sterilen Welt des Herzzentrums Hitzacker, doch schon bald findet der Ermittler sich selbst als Marionette in einem ganz anderen Spiel wieder. Aus dem vermeintlichen Routinefall wird ein dramatischer Wettlauf auf Leben und Tod, bei dem auch er alles zu verlieren droht...
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ZWEI
Tags darauf störte Conny mich beim Rasieren. Ich stand im Bad und schabte mit einer stumpfen Klinge an Bartstoppeln. Sie kam rein, die Teetasse in der Rechten, und lehnte sich gegen die Waschmaschine.
»Warum fährst du zu diesem Dickmais?«
Ich kämpfte konzentriert mit Klinge und Kinn. »Weil Steinhausen mich drum gebeten hat.«
Steinhausen hatte kurz nach Mitternacht noch mal angerufen. Wegen des Pharmafritzen. Er habe es ein Dutzend Mal probiert, auch über die Auskunft, und es gäbe garantiert nur einen Gernot Dickmais in Lauenburg, aber er käme nicht durch. Ob ich nicht mal einen Blick werfen könne?
Conny streifte sich eine Strähne aus der Stirn. »Arbeitest du jetzt für Steinhausen?«
Es war ihr Ton. Ich ließ den stumpfen Schaber sinken. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel.
»Nein.«
»Hast du ihm nicht vorgestern erst einen Gefallen getan?«
»Was ist los?«
»Freitag ist mein letzter Tag. In spätestens acht Wochen sind wir hier zu dritt. Nächstes Jahr hatte ich eigentlich nicht vor, anschaffen zu gehen, und wir haben nichts als Schulden.«
Ihre Iris glänzte pechschwarz. Ich wischte mir die Seife aus dem Gesicht und drehte mich um.
»Vorläufig sind wir flott, wenigstens, was die Miete angeht.«
Meine Stimme hörte sich belegt an. Dabei sollte sie fest klingen. Conny nickte langsam, ohne mich aus den Augen zu lassen.
»Notfalls fahre ich eben wieder Taxi«, sagte ich.
Sie setzte die Tasse ab und lächelte müde. »Das ist doch keine Lösung.«
Ich nahm sie in den Arm. Ihre Schultern zitterten. Es war kühl im Badezimmer und sie plötzlich sehr weit weg.
Ich dachte an ihr Lachen in der Nacht, als wir über das Kind sprachen. Den Mut und die Hoffnung darin. Frauen können das. Männer sind dafür zu feige. Jedenfalls war ich es immer. Nun spürte ich, wie sie anfing, das Vertrauen zu verlieren.
»Gib mir noch zwei Wochen. Wenn sich bis dahin nichts ergeben hat, fahre ich so lange, bis wir aus dem Gröbsten raus sind. Dann sehen wir weiter.«
Sie hob das Kinn und sah mich skeptisch an. »Wieso glaubst du eigentlich, du könntest da locker wieder einsteigen?«
»Ich habe mit Kurt gesprochen.«
Kurt war der Kollege von früher, der inzwischen vier Taxis laufen hatte und mich in seinen Büchern führte.
»Wie bitte?« Sie löste sich von mir und trat einen Schritt zurück. »Wann?«
»Anfang April. Rein prophylaktisch.«
»Und?«
»Alle guten Schichten sind vergeben, aber er kann mich jederzeit als Aushilfe einsetzen.«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich wollte dich nicht verunsichern.«
»Verunsichern?« Sie lachte verständnislos. »Mich verunsichert viel mehr, wenn du bei Axel sitzt und Trübsal bläst.«
»Es ist wirklich nur ein Notnagel.«
Sie streckte den Arm aus und streifte mir mit dem Zeigefinger über die Unterlippe. »Und ich dachte, du lässt es so laufen.«
Ihr Finger war kühl, aber ihr Lächeln wie ein warmer Strom. Es blieb einen Moment lang still. Nur der Wasserhahn tropfte. Schließlich räusperte ich mich.
»Woher auch? Ich hänge bei Axel, bohre wahlweise in der Nase, verliere im Schach oder verpenne den Geburtsvorbereitungskurs, was mir nebenbei leid tut, zeige kein oder nur geringes Interesse für ökologische Babynahrung und damit den künftigen Koliken deines Kindes die kalte Schulter ...«
»Hör auf.«
Sie legte den Kopf in den Nacken, griff nach meinen Hüften und zog mich an sich. Ich küsste sie. Heftiger. Sie wehrte sich kichernd.
»Ich denke, du willst gleich los.«
»So dringend ist es nun auch wieder nicht.«
»Ach ja?«
Sie warf die Haare zurück. Ihre Wangen waren gerötet.
So wie damals, als ich gerade aus Thailand zurück war, wir uns an der Alster trafen und sie mich auf einmal bat, sie kurz zu halten.
Wir kamen von der Alten Rabenstraße, waren zum Kleinen Fährhaus spaziert, standen auf dem Anleger und guckten auf die Schöne Aussicht. Vielleicht war es der Ort, obwohl ich erst später über die Namen stolperte, oder der Duft ihres Haars und der leise Schauer, den ich durch ihr Kleid hindurch spürte und der mich höllisch verwirrte, weil ich merkte, wie ihre Brustwarzen fest wurden.
Bis zu dem Tag hatte ich es stets vermieden, sie auch nur ahnen zu lassen, dass ich weit mehr als platonische Liebe für sie empfand, weil ich mir ums Verrecken nicht vorstellen konnte, dass sie meine Gefühle erwiderte.
Ich würgte, sie müsse zurück zur Arbeit, doch das schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Stattdessen schlang sie ihre Arme um meinen Hals und erklärte, sie habe mich vermisst. Als ich es endlich schnallte, fing mein Herz an zu rasen und ihre Lippen wurden zum Sog.
»Nur dass du's weißt«, sagte sie jetzt zwischen zwei Küssen, »wenn du mich das nächste Mal versetzt, greife ich zur Keule.«
»Versprochen?«
Sie biss mich ins Ohrläppchen. »Hundertpro.«
Ich liebkoste ihr den Steiß. Gar nicht einfach bei ihrem Bauchumfang. Ihre Hand glitt in meine Unterhose.
»Du schmeckst nach Seife.«
In dem Moment meldete sich das W 28, mein antiker Fernsprecher von Siemens und Halske, schwarz lackiert, mit Nickelscheibe und geflochtener Hörerschnur. Baujahr 1929. Ein echter Tischapparat, der noch richtig zu klingeln versteht. Insbesondere, wenn man ihn auf den Dielen vergisst, die einen hervorragenden Resonanzboden abgeben. Steinhausen war dran.
»Hast du 'ne Ahnung, wie spät es ist?«
»Zwanzig nach sieben«, verkündete er munter. »Andere Leute haben um diese Zeit bereits gejoggt und gefrühstückt.«
Er war Protestant und Wahlpreuße. Obendrein Frühaufsteher.
»Na toll«, sagte ich. »Falls es um Dickmais geht, wirst du dich gedulden müssen. Oder glaubst du, dass ich um diese Zeit fremde Leute für dich aus dem Bett zerre?
Er räusperte sich. »Marion Roth hat eben bei mir angerufen. Sie wollte wissen, ob du tatsächlich Privatdetektiv bist. Anscheinend will sie dich heuern.«
Er baute eine Kunstpause ein, um die Spannung zu steigern. Ich jedoch kauerte halbnackt neben dem W 28. Meine Zigaretten lagen im Schlafzimmer. Zu weit entfernt für die vier Meter Telefonkabel. Eben erschien Conny im Türrahmen und schob sich auffordernd das Haar in den Nacken.
»Sag schon.«
»Es war kein Unfall. Irgendwer hat das Rad manipuliert. Sieht aus, als sei ihr Mann ermordet worden.«
Ich kaute leer. Richtig zu liegen ist auch nicht schöner, als hinterher schlauer zu sein. Dafür hatte Steinhausen jetzt seine Story.
»Wo komm ich da ins Bild?«
»Sie befürchtet, dass man sie verdächtigt.«
Abends zuvor war die Kripo bei ihr gewesen. Daraufhin hatte sie ihren Anwalt angerufen, nachts trotzdem wach gelegen und morgens als Erstes mit Berlin telefoniert, um über Steinhausen meine Nummer zu erfragen.
»Was ist mit den Papieren?«
Aber Steinhausen wusste auch nichts Genaueres. Sie hatte darauf bestanden, persönlich mit mir zu sprechen. Also vervollständigte ich meine Rasur und rief sie an. Sie nahm beim zweiten Klingeln ab.
»Endlich«, stöhnte sie. »Ich sitze hier wie auf Kohlen. Gestern Abend bin ich verhört worden. Es war die Hölle. Abschließend sagte man mir, ich solle mich zur Verfügung halten.«
Sie klang schrill. Drei bis vier Zacken überdreht.
»Wer ist ›sie‹«, fragte ich. »Die Polizei?«
»Wer sonst? Hat Ihr Freund Sie denn nicht informiert? Da rufe ich in Berlin an, um mir Ihre Nummer zu besorgen, erkläre ihm alles, weil er behauptet, er müsse erst bei Ihnen nachfragen.«
»Er sagte bloß, man habe Spuren am Fahrzeugwrack gefunden, die nahe legen, dass es sich nicht um einen Unfall handelt ...«
»Sondern um Mord. Die Kripo glaubt, dass ich es war. Mein Anwalt erklärt, er kann da nichts tun.«
»Angehörige werden immer in den Kreis der Verdächtigen einbezogen. Das ist Routine.«
Sie würgte an einem unterdrückten Schluchzer. »Bitte. Ich weiß wirklich nicht mehr, an wen ich mich wenden soll. Können Sie sich nicht freinehmen und vorbeikommen? Ihren Verdienstausfall ersetze ich Ihnen natürlich.«
Ich grunzte ratlos. Anscheinend verwechselte sie mich mit einem der Serienzombies, die nachts durch die Kommerzkanäle geistern. Jeder anderen hätte ich gesagt, dass sie zu viel fernsah: Das kostet mich bloß Nerven und Sie Geld. Wir sind hier in der Bundesrepublik. Hier läuft das nicht so locker wie bei »Detektiv Rockford«. Mag sein, dass James Garner mir entfernt ähnelt, abgesehen davon teilen wir höchstens den hübschen Dackelblick.
...



