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Ernesti | Der Vatikan | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 129 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Ernesti Der Vatikan

Geschichte, Verfassung, Politik

E-Book, Deutsch, 129 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-82931-4
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der „Staat der Vatikanstadt“ ist der kleinste Staat der Welt und verfügt doch über alle Elemente eines souveränen Staatswesens: Verfassung, Staatsvolk, Armee, Territorium, Währung und diplomatische Vertretungen. Staatsoberhaupt ist der Papst, der zugleich „Haupt der universalen Kirche“ ist. Jörg Ernesti beschreibt anschaulich, wie nach dem Untergang des einst mächtigen mittelalterlichen Kirchenstaates der winzige Staat 1929 von Mussolinis Gnaden gegründet wurde, wie Verfassung und Regierung funktionieren und wie im Vatikan politische Macht, religiöses Charisma, Kunst und Geschichte eine einzigartige, faszinierende Mischung eingehen..
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1. Der alte Kirchenstaat und die päpstliche Souveränität
Vor 1870 waren die Päpste sowohl religiöses Oberhaupt der katholischen Kirche als auch Souveräne eines eigenen Staates, des sogenannten «Kirchenstaates». In den anderen großen europäischen Sprachen ist zumeist vom «Päpstlichen Staat» die Rede (engl. Papal States, frz. États Pontificaux, span. Estados Pontificios, ital. Stato Pontificio). Dieser geht auf die Pippinische Schenkung zurück, hat aber noch ältere Wurzeln. Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches (476) rückte das Papsttum in eine politische Führungsrolle auf. Bereits in der Spätantike besaßen die Bischöfe von Rom umfangreichen Landbesitz, dessen Kerngebiet im heutigen Latium lag (das sogenannte Patrimonium Petri, der «Erbteil Petri»). Dieser wurde von Papst Gregor dem Großen (590–604) straff organisiert. Faktisch übten er und seine Nachfolger dort hoheitliche Rechte aus, auch wenn die byzantinischen Kaiser immer noch nominell die Oberhoheit über ganz Italien beanspruchten. Sie ließen sich in Italien durch einen Statthalter (Exarchen) vertreten, der in Ravenna residierte. Die eigentlichen Herren des Landes waren aber die Langobarden. Im Jahr 728 schenkte deren König Liutprand der römischen Kirche die Stadt Sutri in Latium, was den päpstlichen Machtbereich erweiterte. Doch bereits unter seinen Nachfolgern verschlechterte sich das Verhältnis zum Papst. Die Langobarden suchten die Byzantiner aus dem Land zu verdrängen und besetzten schließlich auch Ravenna. Entscheidend für die weiteren Entwicklungen wurde das Bündnis des Papsttums mit den Franken. Der Karolinger Pippin der Jüngere ließ sich 751 die Absetzung des letzten merowingischen Königs und seine eigene Erhebung zum König durch Papst Zacharias (741–752) legitimieren. Als die Langobarden schließlich auch vor päpstlichen Besitzungen nicht haltmachten, begab sich Zacharias’ Nachfolger Stephan II. (752–757) im Jahr 754 ins Frankenreich, um Pippin um Hilfe zu bitten. Dieser versprach, die kirchlichen Gebiete von den Langobarden zurückzuerobern und auf immer dem Apostel Petrus und seinen Nachfolgern, den Päpsten, zu überlassen. Man spricht von der sogenannten Pippinischen Schenkung – oder nach dem lateinischen Namen des Ortes Quierzy, an dem die nicht erhaltene Schenkungsurkunde ausgestellt wurde, von der Promissio Carisiaca. Pippin wurde zum Dank der Titel «Schutzherr der Römer» (Patricius Romanorum) verliehen. Wahrscheinlich salbte der Pontifex ihn und seine beiden Söhne in der Klosterkirche von Saint-Denis zu Königen. Nach einem siegreichen Feldzug gegen die Langobarden erfüllten die Franken ihr Versprechen und überließen der römischen Kirche den größeren Teil Latiums, Umbriens und der Marken (einschließlich des Exarchats Ravenna) – weit mehr, als ihnen die Langobarden genommen hatten. Die Romagna, die südlichen Marken und der Süden Tusziens kamen unter Pippins Nachfolger Karl dem Großen hinzu, der an Weihnachten 800 in Sankt Peter durch Leo III. (795–816) zum Kaiser gekrönt wurde. Sechseinhalb Jahrhunderte erhielten die deutschen Könige in Rom durch den Papst die Kaiserkrone. Noch heute zeigt man im Petersdom die Porphyrplatte, auf der die heilige Handlung vollzogen wurde. Die Schatzkammer von Sankt Peter bewahrt das geistliche Gewand (die Tunika), mit dem die Monarchen zu diesem Anlass bekleidet wurden. Das Kaisertum fungierte trotz aller Konflikte mit dem Papsttum als Schutzmacht des Kirchenstaates. Wohl noch im 8. Jahrhundert kam eine berühmte Fälschung auf, die sogenannte Konstantinische Schenkung. Die entsprechende Urkunde (das Constitutum Constantini) ist in den Pseudoisidorischen Dekretalen überliefert, einer in Frankreich zusammengestellten zeitgenössischen Rechtssammlung. Demnach sei Kaiser Konstantin auf wunderbare Weise von seinem Aussatz geheilt worden, nachdem ihm Papst Silvester I. (314–335) die Taufe gespendet habe. Aus Dank soll er im Jahr 315 ihm und seinen Nachfolgern den Lateranpalast, die Stadt Rom sowie die Herrschaft über Italien und das ganze Weströmische Reich überlassen haben. Ebenso werden den Bischöfen von Rom in diesem Dokument die Insignien und Ehrenbezeugungen zugesprochen, die an sich den Kaisern zustanden. Dazu gehörten der Fußkuss und das Tragen des kaiserlichen Diadems. Unter Berufung darauf wurden die Päpste seit dem 11. Jahrhundert gekrönt – zuerst mit einer einfachen Krone, ab dem 14. Jahrhundert mit der aus drei Kronen bestehenden Tiara. Nach seiner Schenkung habe sich Konstantin in seine neue Hauptstadt im Osten zurückgezogen, um dem Papst im Westen das Feld zu überlassen, weiß die berühmte Schenkungsurkunde ferner zu berichten. Es erschien ihren Verfassern offenkundig nicht würdig genug, dass die Päpste das eigene Hoheitsgebiet aus der Hand eines Frankenkönigs, der noch dazu ein dynastischer Newcomer war, erhalten hatten. Es musste der erste christliche Kaiser sein, der als Ahnherr des päpstlichen Staates zu gelten hatte. Diese Urkunde, die also der Bestätigung und geistigen Überhöhung der Pippinischen Schenkung diente, wurde allgemein bis zum 15. Jahrhundert für echt gehalten, bis die Fälschung durch die humanistischen Gelehrten Nicolaus Cusanus und Lorenzo Valla aufgedeckt wurde. Im Jahr 962 bestätigte Otto I. im Privilegium Ottonianum die Pippinische Schenkung und die hoheitlichen Rechte des Pontifex, ebenso wie Friedrich II. im Jahr 1213 in der Goldbulle von Eger. Der Kirchenstaat wurde unter Innozenz III. (1198–1216) noch einmal erweitert, insbesondere durch das Herzogtum Spoleto. Unter den Renaissancepäpsten des frühen 16. Jahrhunderts wurde das Territorium des Staates weiter arrondiert und gesichert. Im 18. Jahrhundert erreichte dieser seine größte Ausdehnung. Neben den heutigen Provinzen Latium, Umbrien und den Marken gehörten große Teile der Emilia-Romagna mit den bedeutenden Städten Ferrara und Bologna zum Kirchenstaat, dazu noch einige kleinere Exklaven. Immer wieder vergaben Päpste ganze Regionen als Lehen an ihre Familienangehörigen, so etwa das Herzogtum Urbino an die Della Rovere oder Parma und Piacenza an die Farnese. Ferner verwalteten sie vom 14. Jahrhundert bis zur Französischen Revolution die Grafschaft Venaissin mit der Stadt Avignon. Dort befand sich der alte Papstpalast, in dem die Bischöfe von Rom während ihres siebzigjährigen Exils in Frankreich (1309–1377) residiert hatten. Nach der Renaissance setzte ein Niedergang des Kirchenstaates ein, der sich bis zu dessen Ende nicht aufhalten ließ. Die Ursachen für diese Entwicklung waren vielfältig. So war der Staatshaushalt chronisch defizitär. Das lag am überspannten Mäzenatentum der päpstlichen Landesherren, die Rom durch zahlreiche profane und kirchliche Bauwerke zur glänzendsten Hauptstadt Europas machten. Es erwies sich auf die Dauer als äußerst kostspielig, dass jeder Papst Neffen (lat. nepotes) oder andere Familienangehörige für die Regierungsaufgaben einspannte und durch diese Verwandten die materielle Sanierung des eigenen Geschlechtes organisieren ließ (man spricht vom «Nepotismus»). Außerdem schlugen hohe Ausgaben für das Militär zu Buche, die zeitweise bis zu 20 Prozent des Staatshaushalts ausmachten. Die Einnahmen blieben dagegen stets hinter den Möglichkeiten zurück. Es grassierte die Korruption, die Zölle und Steuern wurden nur nachlässig erhoben, umherziehende Räuberbanden bedrohten die öffentliche Ordnung. Merkantilistische Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft und des Handels gab es im Unterschied zu anderen absolutistischen Staaten kaum. Außenpolitisch hatte der Kirchenstaat schon seit dem Westfälischen Frieden kein Gewicht mehr gehabt. Gegen dessen Bestimmungen hatte der päpstliche Vertreter nur zahnlos protestieren können. Nach 1798 ging ein großer Teil des Staatsgebietes an die französischen Satellitenstaaten auf italienischem Boden über, bis schließlich 1809 der verbliebene Rest von Napoleon annektiert wurde. Pius VII. (1800–1823), der sich den Anordnungen des Herrschers nicht fügen wollte, wurde in Savona und in Fontainebleau unter Hausarrest gestellt. Der Wiener Kongress restituierte den Kirchenstaat wider Erwarten nahezu in seiner alten Ausdehnung. Er zählte damals 3,1 Millionen Einwohner und war 41.470 Quadratkilometer groß. Das entspricht in etwa der Größe der heutigen Niederlande. Er fand nicht den Anschluss an das...


Jörg Ernesti ist Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Universität Augsburg.


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