Buch, Deutsch, 288 Seiten, Format (B × H): 137 mm x 204 mm, Gewicht: 431 g
Roman | Über den Schmerz der Rückkehr, die Dämonen der Vergangenheit und die schicksalhafte Freundschaft zweier Jungen aus Neapel
Buch, Deutsch, 288 Seiten, Format (B × H): 137 mm x 204 mm, Gewicht: 431 g
ISBN: 978-3-7374-1183-7
Verlag: Marix Verlag
Nach fünfundvierzig Jahren kehrt Felice Lasco nach Neapel zurück, in das Viertel Sanità, wo er geboren wurde. Seine Mutter liegt im Sterben, und er kümmert sich verspätet, doch mit Hingabe bis zuletzt um sie. Nach ihrem Tod gehorcht Felice seiner inneren Stimme und bleibt, trotz seiner Frau, die in Kairo auf ihn wartet. Er selbst wartet auf die Begegnung mit Oreste, seinem Jugendfreund, der als hartgesottener Krimineller gilt.
Felice erzählt einem pensionierten Kardiologen und Don Luigi Rega, dem kämpferischen Priester der Sanità, seine Geschichte:
Felice ist siebzehn Jahre alt, stolz auf sein Motorrad und auf seine Freundschaft mit Oreste Spasiano. Er wird zu dessen Kompagnon bei immer waghalsigeren Überfällen. Dann endet ein Einbruch fatal. Felice erstarrt in qualvollem Schweigen, bis ihn der Bruder seiner Mutter nach Beirut mitnimmt. Die Flucht in ein neues Leben. Geplagt von Nostalgie und den Schatten der Vergangenheit.
Jetzt, nach dieser langen Zeit, setzt sich Felice der schmerzhaften Schönheit seiner Stadt aus. Er begleitet Don Rega durch das heimatliche Viertel.
Bis er wirklich auf Oreste trifft. Es gibt kein Lösegeld, um sich aus der eigenen Geschichte freizukaufen.
Ein meisterhaftes Werk, in dem Ermanno Rea Realität und soziale Tragödie eindrücklich miteinander verschränkt. Eine Liebeserklärung an das Neapel der Sanità, an seine Helden, an seine Opfer.
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Die Minuten, die uns von einem Zeitpunkt trennen, den wir als einschneidend für unser Leben betrachten, beinahe als eine Herausforderung des Schicksals, ziehen sich meist lang und zäh hin. Wir wünschten, die Zeit verginge rasch, befreite uns von der Ungewissheit eines Ereignisses, das durchaus die Gestalt einer Tragödie annehmen kann. Bisweilen ist es aber auch umgekehrt. Da erscheinen sie uns auf skandalöse Weise überstürzt, und zwar so sehr, dass wir in diesem vermeintlich wirbelnden Lauf der Uhrzeiger fast eine der Grausamkeiten unseres menschlichen Daseins zu erkennen glauben.
Felice Lasco durchlebte diese zweifache und widersprüchliche Erfahrung einer einmal reglosen, ja, erstarrten, einmal in selbstzerstörerischer Ungeduld schier überstürzten Zeit. Vor allem die selbstgesuchte Einsamkeit ließ ihn die Minuten verfluchen, die scheinbar nicht vergingen. Sein Umherstreifen an manchen Abenden, unter den Massen sich überkreuzender Sterne, verursachte hingegen ein Schwindelgefühl, fast sogar Angst. Während ein Teil von ihm, in dem die intensive gemeinsame Vergangenheit mit Spasiano gespeichert lag, die Begegnung herbeisehnte (Arsch, du machst mir keine Angst. Los, gib mir die Hand!), war da ein anderer, der sie fürchtete, sich sogar davor entsetzte: zwei ausgewogene, gleichwertige Gefühle.
Malommo war immer in seinem Herzen gewesen und außerhalb von ihm, gleichzeitig geliebt und gehasst, mit demselben Ungestüm. Zumindest so lange, bis die Umstände geboten, sich von ihm fern zu halten. Aber selbst nach so vielen Jahren der Ferne und des Schweigens war es Felice nicht gelungen, sich ganz von der Fessel dieser Freundschaft zu befreien …
Normalerweise erwachte Felice Lasco morgens weder brüsk noch unvermittelt; er schwebte in einem rosigen Nichts, frei von jeder Angst, bis sich dann dringliche Dinge und Wünsche meldeten. Aber dieser Tag war nicht wie alle anderen. Sondern in verschiedener Hinsicht entscheidend. Vielleicht entschied er sogar über sein Leben. Aus diesem Grund erwachte er schlagartig, während sich Oreste Spasianos Gesicht groß wie ein Vollmond über ihn beugte.
Dieses Erwachen hatte ihn verstört. Es hatte auch mich verstört, als er mir abends davon erzählte und Einzelheiten beschrieb, die mir heute bemerkenswert erscheinen. Er lag am Boden, verletzt, und Malommos eine Hand stützte seinen Kopf, während die andere die Pistole hielt, mit der er ihn getroffen hatte.
Er zweifelte nicht daran, dass er sterben würde. Malommo würde ihn jeden Augenblick auspusten: Er war keiner, der es sich noch einmal überlegte. Was sollte er da anderes tun, als ihn zu beleidigen?
Schieß doch, du Arsch!