E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Erlemann Wunder
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8463-5657-9
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Theorie – Auslegung – Didaktik
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-8463-5657-9
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Kurt Erlemann ist Inhaber des Lehrstuhls für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche an der Bergischen Universität Wuppertal.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1 Einführung
1.1 Die Intention des Buches
1.2 Erste Fragen und Antworten
1.2.1 Hat Jesus Wunder getan?
1.2.2 Was ist die ‚Wahrheit‘ der Wundertexte?
1.2.3 Kann man noch an Wunder glauben?
1.2.4 Wozu sind Wundertexte gut?
1.2.5 Welche Themen sind mitzudenken?
1.3 Vorgehensweise
1.4 Einführende Thesen
1.5 Was sind eigentlich Wunder?
1.5.1 Biblische Wunderterminologie
1.5.2 ‚Weiche Fakten‘
1.5.3 Profan-ästhetischer Wunderbegriff
1.5.4 Kontingent-liberativer Wunderbegriff
1.5.5 Biblisch-konfessorischer Wunderbegriff
1.5.6 Fazit: Provokation der menschlichen ratio
1.5.7 Exkurs: Naturgesetze und Quantenphysik
1.6 Antike Wundergattungen
1.6.1 Heilungswunder / Therapien
1.6.2 Exorzismen
1.6.3 Totenerweckungen
1.6.4 Geschenkwunder
1.6.5 Natur- und Rettungswunder
1.6.6 Normenwunder
1.6.7 Strafwunder
1.6.8 Epiphanien
1.6.9 Weitere Wunderformen
1.6.10 Wundersummarien
1.6.11 Wunder im Neuen Testament – Textgrundlage
1.7 Wunderspezifische Termini
1.7.1 Charisma
1.7.2 Dämonen
1.7.3 Magie und Zauberei
1.7.4 Schamanismus
1.7.5 Mythos
1.7.6 Rationalismus
1.7.7 Spiritualität
1.7.8 Mystik
1.7.9 Weiche Fakten
1.7.10 Faktualität / Fiktionalität
2 Historische Fragestellungen
2.1 Welt- und Menschenbild
2.1.1 Sichtbare und unsichtbare Wirklichkeit
2.1.2 Monotomisches Menschenbild
2.1.3 Wunderglaube und Wunderkritik
2.1.4 Nebeneinander von Mythos und ratio
2.2 Antike Heilkunst
2.2.1 Asklepios: Tempelmedizin
2.2.2 Hippokrates: ‚Schulmedizin
2.2.3 Wunderheiler u. a.: Volksmedizin
2.2.4 Krankheit und Sünde
2.2.5 Exkurs: Krankheitsbilder im Neuen Testament
2.3 Jesus und andere Wundertäter
2.3.1 Alttestamentliche Wunderpropheten
2.3.2 Frühjüdische Wundertäter
2.3.3 Wundertäter im hellenistischen Raum
2.3.4 Magier, Zauberer und Schamanen
2.3.5 Fazit: Die Außenwahrnehmung Jesu
2.4 Genese des Christusglaubens
2.4.1 Das Charisma des erinnerten Jesus
2.4.2 Begegnungen mit dem Auferstandenen
2.4.3 Konsequenzen für den Wunderglauben
2.4.4 Fazit: Von Begegnungen zum Glauben
2.5 Zwischen Glauben und Ablehnung
2.5.1 Die polarisierende Wirkung der Wunder
2.5.2 Vollmachtsfrage und Zeichenforderungen
2.5.3 Das Problem der Schweigegebote
2.5.4 Kult- und sozialkritischer Sprengstoff
2.5.5 Fazit: Eschatologisch-kritische Funktion
2.6 Ergebnis: Die historische Plausibilität der Wunder Jesu
3 Grundlinien der Wunderforschung
3.1 Wunderdeutung bis zur Neuzeit
3.1.1 Biblische und altkirchliche Deutung
3.1.2 Wunder in der Reformationszeit
3.1.3 Fazit: Allegorisch-spirituelle Deutung
3.2 Wunderdeutung in der Neuzeit
3.2.1 Ausgangspunkt / Grundlagen
3.2.2 Rationalistische Wunderdeutung
3.2.3 Mythische Wunderdeutung
3.2.4 Albert Schweitzers Fazit
3.3 Wunderforschung im 20. Jahrhundert
3.3.1 Religions- und formgeschichtliche Deutung
3.3.2 Existenziale Wunderdeutung
3.3.3 Tiefenpsychologische Deutung
3.3.4 Psychosoziale Deutung
3.3.5 Sozial- und kultkritische Deutung
3.3.6 Weitere Deutungsmuster
3.3.7 Fazit: Der lange Schatten des Rationalismus
3.4 Neueste Trends
3.4.1 Revision des Wahrheitsbegriffs
3.4.2 Human- und kulturwissenschaftliche Ansätze
3.4.3 Die Frage bleibender Relevanz
3.4.4 Der unerklärbare Rest
3.4.5 Fazit: Grenzen des Verstehens
3.5 Auswertung und Kritik
3.5.1 Harte Fakten vs. fromme Fiktion
3.5.2 Historische vs. unhistorische Wunder
3.5.3 Rationale vs. supranaturale Erklärung
3.5.4 Wörtliches vs. übertragenes Verstehen
3.5.5 Form vs. Inhalt?
3.5.6 Wundergeschehen vs. Wundererzählung
3.5.7 Rationale Verstehbarkeit vs. provokative Unverständlichkeit
3.5.8 Die Frage nach Jesus
3.5.9 Fazit: Der Output der Wunderforschung
3.5.10 Exkurs: Die historische Wunderfrage im Wandel
3.6 Weiterführende Überlegungen
3.6.1 Die Frage theologischer Relevanz
3.6.2 Der Wahrheitsbegriff der Wundertexte
3.6.3 Die Logik der Wunder
3.6.4 Sinnebenen und theologische Aspekte
3.6.5 Grundfunktionen und Textgruppen
3.6.6 Definition Wunder und Wundererzählung
3.6.7 Fazit: Plädoyer für eine emanzipierte Wunderforschung
3.6.8 Exkurs: Wundertexte und Gleichnisse
4 Inhaltliche Aspekte
4.1 Sinnebenen
4.1.1 Physisch-leibliche Sinnebene
4.1.2 Spirituelle Sinnebene
4.1.3 (Tiefen-)Psychische Sinnebene
4.1.4 Sozial-und kultkritische Sinnebene
4.1.5 Mythisch-kosmische Sinnebene
4.1.6 Kommunikative Sinnebene
4.1.7 Diakonisch-missionarische Sinnebene
4.1.8 Theologische Sinnebene
4.1.9 Fazit: Vielschichtige Befreiungstexte
4.2 Klassische Themenfelder
4.2.1 Theo-logische Aspekte
4.2.2 Christologische Aspekte
4.2.3 Pneumatologische Aspekte
4.2.4 Kosmologische Aspekte
4.2.5 Anthropologische Aspekte
4.2.6 Ekklesiologische Aspekte
4.2.7 Ethische Aspekte
4.2.8 Soteriologische Aspekte
4.2.9 Eschatologische Aspekte
4.2.10 Fazit: Heilvolle Wirkungen der Zuwendung Gottes
4.3 Weitere Themen
4.3.1 Wunder und Glaube
4.3.2 Wunder und Sündenvergebung
4.3.3 Wunder und Nachfolge
4.3.4 Wunder und Reich Gottes
4.3.5 Wunder und Theodizee
4.4 Einzelne Wunderprofile
4.4.1 Markusevangelium
4.4.2 Matthäusevangelium
4.4.3 Lukanisches Doppelwerk
4.4.4 Johannesevangelium
4.4.5 Corpus Paulinum
4.4.6 Weitere Schriften
4.5 Ergebnis
5 Exegetische Musterbeispiele
5.1 Fürsorge-Wundertexte
5.1.1 Speisungswunder (Mk 6,30–44parr.)
5.1.2 Bewahrung des Jesuskindes (Mt 2,13–23)
5.2 Erkenntnis-Wundertexte
5.2.1 Die Sturmstillung (Mk 4,35–41parr.)
5.2.2 Der Jüngling zu Nain (Lk 7,11–17)
5.3 Missions-Wundertexte
5.3.1 Der blinde Bartimäus (Mk 10,46–52parr.)
5.3.2 Strafwunder an Barjesus (Apg 13,6 – 12)
5.4 Konflikt-Wundertexte
5.4.1 Beelzebulfrage (Mt 12,22.30
5.4.2 Der Wassersüchtige (Lk 14,1–6)
6 Didaktische Impulse
6.1 Hermeneutische Vorbemerkungen
6.1.1 Voraussetzungen des Wunderverstehens
6.1.2 Lebensweltliche Brücken zum Wunderbaren
6.1.3 Sinnebenen und theologische Themenfelder
6.1.4 Unverzichtbare Befreiungsgeschichten
6.2 Pädagogische Überlegungen
6.2.1 Die Debatte um Wunder im Unterricht
6.2.2 Entwicklungspsychologische Aspekte
6.3 Von der Exegese zum Unterricht
6.4 Wunder-Textauswahl und Curricula
6.4.1 Vorgaben der Kerncurricula
6.4.2 Einordnung der Mustertexte
6.5 Didaktische Möglichkeiten
6.5.1 Wundertheorie und Methoden
6.5.2 Textunabhängige Methoden
6.6 Musterbeispiele
6.6.1 GS (1./2. Klasse): Bewahrung des Jesuskindes (Mt 2,13 – 23)
6.6.2 GS (3./4. Klasse): Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46 – 52)
6.6.3 Sek I (5.+6. Klasse): Speisung der Fünftausend (Mk 6,30 – 44)
6.6.4 Sek I (7. – 10. Klasse): Sturmstillung (Mk 4,35 – 41)
6.6.5 Sek II (10./11. Klasse): Jüngling zu Nain (Lk 7,11–17)
6.6.6 Sek II (GK, LK): Exorzismus und Beelzebulfrage (Mt 12,22 – 30)
6.6.7 BK I: Heilung des Wassersüchtigen am Sabbat (Lk 14,1 – 6)
6.6.8 BK II: Strafwunder an Barjesus-Elymas (Apg 13,6 – 12)
7 Serviceteil
S 1 Abkürzungen
S 2 Glossar
S 3 Schlagwörter (in Auswahl)
S 4 Textstellen (in Auswahl)
S 5 Übersicht: Ntl. Wundertexte
S 5.1 Fürsorge-Wundertexte
S 5.2 Erkenntnis-Wundertexte
S 5.3 Missions-Wundertexte
S 5.4 Konflikt-Wundertexte
S 6 Literaturangaben
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1.5 Was sind eigentlich Wunder?
Der Abschnitt liefert eine erste Annäherung an den Wunderbegriff. Die dieses Buches wird unter ? 3.6.6 vorgestellt.
Wunder erregen Staunen, denn sie zeigen, was alles möglich ist, und sie wirken heilvoll. Wunder sind wissenschaftlich-rational nicht beweisbare, unverfügbare . Die Feststellung von Wundern ist Sache subjektiver Deutung. Zu unterscheiden sind ein profan-ästhetischer, ein kontingent-liberativer und ein biblisch-konfessorischer Wunderbegriff. Die semantisch orientierte Definition des Religionswissenschaftlers Ulrich Nanko fängt die Bandbreite des Begriffs ein:
„Das dt. Wort ‚Wunder‘ bezeichnet allgemein ein Ereignis, das aus dem Bereich des Gewohnten herausfällt; das semantische Feld reicht von einem ‚Unerwarteten‘ bis zu der ‚Norm-Überschreitung‘. Die Reaktion auf dieses Ereignis kann einerseits zu Staunen und Bewunderung, andererseits zu Schrecken, Furcht und Angst führen.“
1.5.1 Biblische Wunderterminologie
Die gr. Sprache kennt unterschiedliche Termini für wunderhafte Vorgänge:
a) : Der Terminus bezeichnet eine staunenswerte Sehenswürdigkeit oder eine spektakuläre Wundertat. Der Begriff findet im NT keine Verwendung.
b) meint ursprünglich Tugend, kann aber auch besondere Tüchtigkeit oder eine Heldentat umschreiben. Auch dieser Begriff fehlt im NT.
c) beschreibt etwas Staunenswertes oder Wunderbares. Der Terminus ist ein ntl. Hapaxlegomenon (Mt 21,15).
d) : Etymologisch zielt der Begriff auf etwas, das gegen die Erfahrung steht, und benennt ein unerwartetes, unglaublich scheinendes Ereignis. Auch dieses Nomen ist ein ntl. Hapaxlegomenon (Lk 5,26).
e) : Das Nomen bezeichnet eine besondere Kraft- oder Machttat, genauer die göttliche Kraft, die ein Wunder bewirkt (vgl. Mk 6,2; Mt 11,20f.).
f) : Der Terminus kennzeichnet vorzugsweise im JohEv Wundertaten als Zeichen, die auf Gottes Handeln hinweisen (vgl. Mk 8,12; Joh 2,11; 20,30).
g) : Das Nomen umschreibt eine außergewöhnliche Erscheinung bzw. ein göttliches (Vor-)Zeichen. Es umschreibt besonders in der Apg in Kombination mit die Vielfalt wunderhafter Taten und Ereignisse.
h) : Das Nomen gehört mit und zu den ntl. Hauptbegriffen der Wundertaten und deutet diese als göttliche Werke (vgl. Mt 11,2; Joh 9,3).
: Es gibt keine einheitliche ntl. Wunderterminologie; Wunder sind nicht Gegenstand eines theoretischen Diskurses, sondern von Erzählungen. Eine Durchbrechung von Naturgesetzen ist mit keinem Begriff impliziert. Das Wort ist kein ntl. Wunderterminus; für Gott gibt es aus biblischer Sicht nichts Unmögliches.
1.5.2 ‚Weiche Fakten‘
Die rationalistische Wunderdeutung deutete im 18. und 19. Jh. die Wunder Jesu als erklärbare und nahm ihnen damit das Wunderhafte; der wissenschaftlich-rationale Wahrheitsbegriff wird ihnen jedoch nicht gerecht. Als folgen die Wunder einer eigenen, rational beschreibbaren Logik. Sie erschließen sich am ehesten einer religiös-mystischen Weltsicht (? 1.7.9; 3.2.2; 3.6.2f.).
a) Wissenschaftlich unerklärbare Vorgänge
Für die wissenschaftliche Vernunft sind Wunder eine und daher als Falschbehauptung, Märchen, Mythos, Sinnestäuschung oder Unwahrheit zu werten. Die rationale Erklärung macht die Wundertexte zwar glaubwürdig, nimmt ihnen aber das Wunderhafte bzw. führt zu ihrer Ent-Wunderung.
: Die unerklärliche Gesundung von eigentlich unheilbarer Krankheit gilt als ‚Spontanheilung‘. Die Etikettierung macht deutlich, dass der Vorgang medizinisch nicht erklärbar ist. – Krankheitsbilder, für die es (bislang noch) keine erklärbare Ursache gibt, gelten als ‚idiopathisch‘ (wörtlich: ohne erkennbare Ursache, selbstständig), was ebenfalls Rätselhaftigkeit andeutet.
b) Ereignisse mit eigener Kausalität
Wunder sprengen mit ihrer unverfügbaren Kontingenz die Logik naturwissenschaftlich-rationaler Kausalität. Die religiös-mystische Logik und Kausalität der Wunder besagt, dass nachhaltiger Glaube, intensives Gebet und konzentrierte Hoffnung im Zusammenspiel mit göttlicher, liebend-barmherziger Zuwendung Wunder bewirken können. Mystisch daran ist, dass menschliche Verfasstheit und Gestimmtheit mit göttlicher Verfasstheit und Gestimmtheit eins werden.
: Blutflüssige Frau (Mk 5,25–34parr.), blinder Bartimäus (Mk 10,46–52parr.) und Lazarus (Joh 11) sind Beispiele für die beschriebene Wunderlogik. Laut Mk 2,5; 5,34; 10,52 u.a. ist der Glaube die wunderwirkende Kraft. – Mt 17,20 spricht selbst unscheinbarem Glauben Wunderkraft zu. – Ein modernes Beispiel ist das ‚Wunder von Lengede‘ 1963: Die Rettung von elf Kumpels aus einem überfluteten Stollen lässt sich als Zusammenwirken intensiver Gebete, nachhaltiger Rettungsbemühungen und einem göttlichen Wunder werten.
Wunder können aber auch spontan geschehen. Voraussetzung für die Wahrnehmung von Wundern ist die Offenheit für eine religiös-mystische Weltsicht; dem nüchtern-analytischen Blick bleiben Wunder verborgen (? 3.6.2d).
c) Wunder oder doch eher Zufall?
„Wenn alle Lose einer Lotterie verkauft sind, wird ein Hauptgewinner dabei sein. Für denjenigen, den es trifft, wird es ein Leben lang ein Wunder bleiben […]. Aber die Tatsache, dass es einen Gewinner gibt, ist bei einer fairen Lotterie kein Wunder.“
Die Feststellung eines Wunders hängt von der persönlichen Wahrnehmung ab. Was in nüchtern-analytischer Optik eine Verkettung glücklicher Umstände, ein Zufall, ist, ist in religiös-mystischer Optik eine heilvolle, wunderhafte Fügung.
: Das zitierte ‚Wunder von Lengede‘ ist als Wunder und als glücklicher Zufall zugleich bewertbar. Ob man ein göttliches, rettendes Eingreifen annimmt oder einen Riesenzufall: In beiden Fällen kommt die Unverfügbarkeit des Geschehens zum Ausdruck. Wie es letztlich zu deuten ist, ist objektiv nicht zu entscheiden; für die Betroffenen ist es jedoch ein Fakt – so oder so.
1.5.3 Profan-ästhetischer Wunderbegriff
Dieser weite Wunderbegriff bezieht sich auf im nicht-religiösen, allgemein kulturellen Kontext. Ungewöhnlich beeindruckende Naturphänomene, Kunstwerke und technische Errungenschaften, aber auch ‚Wunderkinder‘, die ‚sieben Weltwunder‘ oder die Mondlandung erregen Staunen. Auch rational erklärbare, , wie z.B. die Geburt eines Kindes, die ‚große Liebe‘, das neu aufblühende Leben im Frühjahr oder eine reiche Ernte, lassen sich als ‚Wunder‘ deuten. Der gr. Terminus (Staunenswertes) trifft diesen Wunderbegriff. Die Wirkung profan-ästhetischer Wunder besteht in Staunen, Verwunderung und in der Bereicherung des Weltbildes. Eine religiöse Deutung kann, muss aber nicht erfolgen.
1.5.4 Kontingent-liberativer Wunderbegriff
Dieser Wunderbegriff betrifft , überraschende, unverfügbare , die das Leben heilvoll und nachhaltig verändern (Befreiung, Erlösung, lat. ). Wunder im kontingent-liberativen Sinne sind nicht gegen Naturgesetze gerichtet, sondern sprengen den Rahmen des Normalen, Gewöhnlichen, allgemeiner Lebenserfahrung oder statistischer Wahrscheinlichkeit. Auf sie passt der gr. Terminus . Solche Ereignisse lassen sich als göttliche Fügung oder als Zufall deuten, das heißt, sie sind . Typische Reaktionen sind Staunen, Verwunderung, Dankbarkeit, Freude, Erleichterung und Hoffnung.
: Wer aus schwerer Krankheit glücklich heraus und wieder ins Leben findet, kann das als Wunder ansehen. Wer unbeschadet an einem Verkehrsunfall vorbeikommt, vielleicht wegen einer ungewollten Verzögerung bei der Abfahrt, kann das Geschehen ebenfalls als glückliche Fügung deuten. Dass ein verloren geglaubter Sohn nach Jahren wieder auftaucht und Kontakt sucht, ist für jemanden, der nicht mehr damit gerechnet hat, erstaunlich und erfreulich zugleich; die glücklichen Eltern deuten es möglicherweise als Wunder.
Kontingent-liberative...