E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Erdmann Warum wir immer weitersegeln
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-667-11878-3
Verlag: Delius Klasing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 232 Seiten
ISBN: 978-3-667-11878-3
Verlag: Delius Klasing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für Elvis bis nach Schweden – ein unvergesslicher Segeltörn
Mit ihrem Segelboot Kathena nui sind sie auf der Ostsee unterwegs, mit Kurs auf Schweden. Ziel soll mindestens Gotland sein, über 600 Meilen entfernt. Genauer Fårö, die kleine Insel im Norden, wo man Elvis und Ingmar Bergman an einem Ort begegnen kann. Das gibt es nirgendwo sonst.
Ein Sommer wie jeder andere für den beliebtesten deutschen Fahrtensegler, könnte man meinen. Doch es wird ein besonderer Segelsommer für Wilfried Erdmann. Einer, der vor allem viel Sonne und wenig Westwind bringt. Man muss Geduld haben, aber darin sind Erdmann und seine Frau Astrid geübt. Er steht seit 53 Jahren an Deck, sie sogar noch länger – trotz Seekrankheit. Gemeinsam legen sie an Orten mit klangvollen Namen wie Kalmarsund, Solberg und Bovicken an, bezwingen Flauten, Hitze und das zunehmende Alter, das das Segeln nicht einfacher macht.
Reisetagebuch einer besonderen Segelreise
Trotz allem – oder gerade deswegen – ist "Warum wir immer weitersegeln" ein Loblied auf das Segeln, die Ostsee und auf Schweden, Erdmanns wahre Liebe. Sein Reisebericht lebt nicht von Katastrophen und Stürmen, stattdessen schildert der erfahrene Seebär seine Gedanken über das Leben an Bord – in einer Sprache, so klar und stoisch ruhig wie das Meer an einem Sommertag.
• Eindrücklicher Reisebericht über einen besonderen Segelsommer
• Erzählt von Wilfried Erdmann, Deutschlands beliebtestem Fahrtensegler
• Von der Ostsee bis nach Schweden – ein einzigartiger Segeltörn
• Anhang mit Anregungen, Ermutigungen und Tipps
• Maritimes Geschenk für Segler und Schweden-Liebhaber
Ein Buch über das Segeln von einem, der es wissen muss. Lassen Sie sich inspirieren - zum Nachmachen, oder vielleicht auch Andersmachen!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Es ist Mai
Der 10. Mai ist ein Montag. Das gleiche Aufbruchdatum wie zu unserem Nordseetörn zu den Färöern. Ich hocke im Cockpit, noch in langer Hose und im Pullover. Astrid liegt derweil auf der Koje. Es geht ihr schlecht. Die Aries, unsere Windsteueranlage, steuert uns sehr zuverlässig. Es gibt nichts weiter zu tun. Das Schiff ist ausgerüstet. Proviant und Wasser gebunkert, Ölzeug und Gummistiefel eingepackt, dicke Pullover sowie eine Flasche Rum und ein paar Flaschen Wein, um in den Häfen und Buchten für innere Wärme zu sorgen, falls der Sommer wieder kalt und nass wird. Wie in den Jahren zuvor. Doch der erste Morgen sieht gut aus. Der Himmel ist hoch, ein paar federleichte Wolken schmücken ihn. Die See bietet eine Szenerie, in der Farben und Konturen verlaufen wie auf einem impressionistischen Gemälde. An diesem Tag ist auf dem Wasser eine so brillante Sicht, dass ich auf direktem Kurs den Leuchtturm von Bagenkop auf 20 Meilen erahnen kann. Ich stelle mich an Deck, reiße die Arme hoch und rufe laut: »Land in Sicht.« »Blödsinn«, sagt Astrid, »mach endlich Frühstück.« Gut, dass wir auf unserer Hochzeitsreise 1972 in der Biskaya nicht untergangen sind. Seitdem führe ich noch intensiver Logbuch, um mein Leben festzuhalten. Es bildet eine Chronologie für jede Reise. – Mal sehen, was ich im Schweden-Sommer notiert habe: Beide um 09 h an Bord in Missunde. Kommen bei Abfahrt schwer aus der Box. Zu eng, da Wasser gefallen. Nur mit aller Kraft quetschen wir uns zwischen den Dalben raus. Es quietscht, aber gelingt. Wunderschöner Himmel und stilles Wasser. Leichter Wind und eine feine Strömung helfen uns bis Schleimünde. Anderntags geht es also aus der Schlei auf die Ostsee nach Bagenkop. Fast noch im Schlaf machen wir uns auf den Weg. Wie üblich sehr schnell. Raus aus der Koje, Tee im Stehen und ran an die Festmacher. Das Großsegel lässt sich verdammt schwer hochziehen, das Fall hat sich mit dem Kutterfall vertörnt. Rufe laut: »Scheiße«, und ordne die Wuhling. Danach brauche ich zum Abreagieren eine Stunde Wache. Astrid folgt mit zwei Stunden und ist letztendlich bis eine halbe Meile vor der Hafeneinfahrt seekrank. Wir machen gleich links an Platz fünf fest und sind müde – nach lumpigen 25 Meilen. Recht leer der Hafen. Genießen Kaffee und Eiskrem im einzigen Lokal des Hafens. Na, es ist eher eine Frittenbude. Wir bummeln durchs Dorf. Außer der Kirche, die leider verschlossen ist, können wir nichts Reizvolles entdecken. Auch der Friedhof drum herum ist ein Schmuckstück. Dänemark eben. Vielleicht etwas zu ordentlich und sauber angelegt, doch das scheint ein Standard auf diesen Inseln zu sein. Im Hafen liegen überwiegend deutsche Yachten. Zum Abend hin nur deutsche, die, wie ich vermute, auf der Durchreise nach Schweden sind. Wie wir. Die Dänen haben offenbar ihre Schiffe noch nicht zu Wasser gelassen. Tags darauf herrscht viel Wind. Genauer: Zu viel Wind, um abzulegen. Also bleiben wir, und ich darf vorrangig Bücher signieren. Zugegeben: So viele habe ich unterwegs noch nie signiert. Alle naselang kommt ein Skipper und noch öfter seine Frau, die mit äußerst freundlichen Sätzen um eine Unterschrift bitten. Gelegentlich mit der Zusatzfrage: »Wird aus dieser Fahrt wieder ein Buch?« Meine Antwort bleibt offen. Astrid ist währenddessen um unseren Bootsnachbarn in Sorge. Er segelt mit seiner Frau auf einer schmucken X 34 und hat sich mit seinem ebenso schicken Rennrad aufs Pflaster gelegt. Bei vermutlich höchstem Tempo mit Rückenwind rutschte er von der Pedale ab und landete kopfüber auf dem Asphalt. Ihn, der wie man hört, Chirurg ist, hat es an der Stirn erwischt, ebenso an Arm und Bein, und die Finger der linken Hand sehen ebenfalls übel aus. Er braucht gewiss einen Krankenwagen, der ihn schnell ins Krankenhaus nach Svendborg transportiert, immerhin 45 Kilometer entfernt. Der Unfall erinnert mich an meinen Bruder, der ebenfalls bei hoher Fahrt solch einen Sturz hatte und danach nie mehr richtig Hunderte Kilometer am Stück abreißen konnte. Die Rennmaschinen der Nachbarn standen fein angelascht an der Reling, als sie mit ihrer X festmachten. Sie stachen mir gleich ins Auge. »Meine ›Maschine‹ hätte ich auch gern mit an Bord«, sage ich zu Astrid. Als wir am folgenden Tag wieder auf See wollen, ist unser Nachbar seit Mitte der Nacht verarztet und überall verbunden aus dem Krankenhaus zurück. Seine Finger, »sein wichtigstes Werkzeug«, machen ihm Sorgen. Ich biete an, seine X mit seiner Frau zurück zur Küste nach Grömitz oder Heiligenhafen zu segeln. Doch das will er eindeutig nicht. Eine Kreuz steht uns bevor, ziemlich nass und schräg, klar, kaum eines der deutschen Boote bewegt sich mit uns. Ihre schönen Schiffe bleiben fein vertäut am Steg. Die Crews stehen am Kai und zeigen sauber gekämmtes Haar im Gegensatz zu dem, was uns erwartet. Nämlich klatschnasse Köpfe. Mit voller Kraft geht es an den Wind. Dreimal zick und zack, schon ist das Kap Dovnsklint gerundet, und der Wind hat gedreht. Weiter mit Kurs 100, das ist gut Ost und folglich mit achterlichem Wind. Ich fiere die Segel und lege mich lang. Klasse, so allein im Cockpit und die Aries macht es. Astrid liegt trotz Wilhelms Pillen gegen Drehschwindel bei Astronauten flach. Es geht ihr nicht gut. Höchstwahrscheinlich trägt die schlechte Nacht im Hafen mit Wind und quietschenden Fendern zu ihrer Lage bei. Mir geht es auch nicht besonders. Ich bin nicht in Form. Mir ist kalt, ich fühle mich schwach, und gleichzeitig zappele ich irgendwie aufgeregt umher. Ich tröste mich damit, dass ich mich ans Bordleben erst gewöhnen muss. Rødby ist das Ziel. Wir schneiden im Bojenweg eine Tonne, und schon stehen wir linker Hand vor dem großen Fährhafen. Am kurzen Schwimmsteg ist ein guter Platz frei. Die anderen sind belegt mit einheimischen Booten. Es scheint, dass Gastlieger selten Rødby anlaufen. Ist auch nicht sonderlich attraktiv. Ich weiß wirklich nicht, warum ich mit KATHENA 7 und KATHENA GUNILLA gute Erinnerungen mit Rødby verknüpfe. Wir suchen nach dem Festmachen ein Café und finden im Dorf eine Pølserbude. Astrid bestellt lässig zweimal Grillwurst mit Fritten. Keiner isst alles auf. Es schmeckt halt nicht. Ob die Dänen so wenig Wert legen auf Qualität? Hauptsache, sie haben eine Flasche Tuborg Grøn vor sich. Sogar zwei oder drei, es ist ja Sonntag. Warum nur trinken die Dänen am liebsten Bier aus der Flasche? An Bord machen wir uns ein Spiegelei und trinken warmes Bier – auch aus der Flasche. Sind dabei ungewöhnlich lustig und legen uns mit einem angenehmen Glimmer früh in die Kojen, weil wir schon seit der Morgendämmerung auf den Beinen sind. Astrid nutzt die Steuerbord-Hundekoje, es ist die breiteste, und ich ziehe Backbord im Salon die Decke über mich. Gute Nacht, Rødbyhavn. Hier wird schon tüchtig am Fehmarnbelttunnel gebuddelt. Überall Kräne, Erde, Bagger. Noch hat man nicht angefangen, unter der Ostsee zu graben, aber die dänischen Arbeiten schreiten voran, während auf deutscher Seite der Planfeststellungsbeschluss für die Anbindung und den Ausbau der Autobahn usw. noch nicht durchgewinkt sind – soviel ich weiß. Wir segeln an mindestens 100 Windrädern vorbei. Schönes Erlebnis, manchmal ganz dicht oder dazwischen hindurch auf dem Weg nach Gedser. Beim Segelbergen gibt es einen kleinen Disput mit meiner Frau. Sie möchte unbedingt, dass ich das Groß bei Wind von vorn einpacke, und hält dann schon dementsprechend Kurs. Mir ist jedoch mit dem Wind lieber, und so stöhne ich herum. »Monatelang habe ich das im Südmeer und bei hartem Wetter ohne Probleme hingekriegt. Hinkriegen müssen.« Das geht aber nicht in ihren Kopf, sie bleibt auf ihrem Kurs. Nach dem Festmachen im Lystbådehavn von Gedser beim Gang durch die Stadt schmeckt der Kaffee trotzdem. Es ist ein langweiliger Spaziergang. Praktisch jedes zweite Haus steht zum Verkauf. Viele Geschäfte sind geschlossen. Kein Mensch unterwegs. Was ist los? Gedser müsste ein lebendiger Fährhafen sein, die Fähren nach Rostock verkehren im Zweistundentakt. Im Logbuch steht: Porridge zum Frühstück. Danach starten wir mit Kurs Klintholm: 35 Seemeilen. See flach. Schönste Spiegelungen auf der glatten Ostsee. Rot, gelb, blau. Nach all den warmen Tagen kalt. Fest in Klintholm an Patz 25. Frisch geduscht als Erstes. War nach einer Woche nötig. Gönnen uns zum Abend eine exzellente Pizza im Restaurant schräg vis-à-vis. Vor dem Essen viele Komplimente ausgetauscht. Überfreundlich die Deutschen, die schon jetzt mit uns auf Ferientörn sind. Erneut recht früh los. Sechs Uhr und ohne Frühstück – diesmal ist es nicht meine Welt. Beide wollen wir Sverige sehen und spüren. Endlich. Wir brennen förmlich. Flaute. Totale Flaute. Bleibt nur die Maschine. Oje, 40 Meilen. Eine Stunde ich an der Pinne, zwei Stunden A. Nach sieben Stunden sind wir in Smygehamn, dem südlichsten schwedischen Hafen. Das Hurra verhalten. Ein...