E-Book, Deutsch, 106 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
Equit / Sambach / Hussong Ausscheidungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen
2., überarbeitete Auflage 2025
ISBN: 978-3-8444-3158-2
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Therapieprogramm zur Blasenschulung
E-Book, Deutsch, 106 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
ISBN: 978-3-8444-3158-2
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ausscheidungsstörungen (Einnässen oder Einkoten) kommen bei Kindern und Jugendlichen häufig vor und sind emotional belastend. Gerade Betroffene mit komplexen Formen, wie multiplen Ausscheidungsstörungen und/oder komorbiden psychischen Störungen, sind mit den diagnostischen und therapeutischen Standards jedoch oft nicht erfolgreich zu behandeln. Für diese Gruppe wurde das vorliegende Manual entwickelt. Das gruppentherapeutische Programm zur Behandlung von Ausscheidungsstörungen richtet sich an Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren. Elemente des Trainings lassen sich auch gut in eine Einzeltherapie integrieren; daneben werden Möglichkeiten für die Anwendung bei Jugendlichen vorgestellt.
Die vorliegende 2., überarbeitete Auflage berücksichtigt den aktuellen Forschungsstand zu den Störungsbildern und geht auf die Diagnostik und Anamnese ein. Anschließend wird das therapeutische Vorgehen praxisnah beschrieben. In 7 bis 9 Sitzungen werden Themen wie Anatomie und Physiologie, Pathophysiologie der Störung, Blasen- und Körperwahrnehmung, gesunde Ernährung, gesundes Trink- und Miktionsverhalten kindgerecht behandelt. Psychotherapeutische Elemente, wie z.B. Wahrnehmungsübungen und Stressmanagement, ergänzen das Programm, und die spielerische Umsetzung der einzelnen Komponenten erleichtert den häufig schambehafteten Umgang mit der Thematik. Die zahlreichen farbig illustrierten Materialien wurden für die 2. Auflage um Inhalte zur Enuresis nocturna (Einnässen nachts) erweitert. Die Materialien können nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.
Zielgruppe
Kinder- und Jugendärzt*innen, Kinder- und Jugendpsychiater*innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, Urotherapeut*innen, Physio- und Ergotherapeut*innen, Mitarbeiter*innen in pflegerischen und pädagogischen Berufen und Beratungsstellen
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
15Kapitel 1: Ausscheidungsstörungen im Kindes- und Jugendalter
1.1 Enuresis nocturna
1.1.1 Definition und Klassifikation
Gemäß den beiden Klassifikationssystemen ICD-10 (World Health Organisation [WHO], 1993; WHO/Dilling et al., 2015) und DSM-5 (American Psychiatric Association [APA], 2013, 2018, 2022) bezeichnet Enuresis einen unwillkürlichen Harnabgang ab einem Alter von 5 Jahren nach Ausschluss organischer Ursachen. Nach den Diagnosekriterien der ICD-10 muss das Einnässen in einem Zeitraum von 3 Monaten mindestens zweimal im Monat (bei einem Alter von 5 bis 7 Jahren) bzw. einmal pro Monat (ab einem Alter von >?7 Jahren) vorkommen. Nach DSM-5 muss das Einnässen mindestens zweimal pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monaten auftreten, um die Diagnose stellen zu können (vgl. Tab. 1).
In beiden Klassifikationssystemen werden jeweils die Subformen Enuresis diurna und Enuresis nocturna unterschieden. Diese Differenzierung entspricht jedoch nicht dem wissenschaftlichen/klinischen Standard und sollte vermieden werden. Stattdessen sollte eine Klassifikation der Subtypen anhand der Kriterien der International Children’s Continence Society (ICCS; Austin et al., 2016) erfolgen. Danach wird zunächst zwischen einer seltenen, fast immer organisch bedingten kontinuierlichen Harninkontinenz (d.?h. Harnträufeln) und einer häufigen, meist funktionellen intermittierenden Harninkontinenz (mit trocknen Intervallen) unterschieden. Bei der intermittierenden Harninkontinenz wird zwischen der Enuresis nocturna und der nicht organischen oder funktionellen Harninkontinenz tagsüber differenziert. Ein chronologisches Mindestalter von 5 Jahren, eine Häufigkeit von mindestens einmal pro Monat und einer Dauer von 3 Monaten sind weitere Voraussetzungen für eine Diagnose.
Nach der ICCS-Klassifikation, die derzeit die Grundlage nationaler und internationaler klinischer Forschungsarbeit darstellt, versteht man deskriptiv unter Enuresis (oder Enuresis nocturna) jede Form des Einnässens im Schlaf2(d.?h. auch während des Mittagsschlafs) – unabhängig von möglichen Begleitsymptomen oder angenommenen Ursachen (Austin et al., 2016). Diese Klassifikation wird auch in den nationalen Behandlungsleitlinien (DGKJP & DGKJ, 2021) aufgegriffen.
In der ICD-11, die bereits 2019 von der Weltgesundheitsversammlung (WHO) verabschiedet wurde (WHO, 2019), wird Enuresis zukünftig unter 6C00 klassifiziert. Leider wurde auch hier die derzeitige Klassifikation der Subtypen nicht überarbeitet und an die Kriterien der ICCS (Austin et al., 2016) angepasst. Es wird auch weiterhin zwischen Enuresis nocturna, diurna und nocturna und diurna unterschieden. Es erfolgt jedoch zumindest eine Differenzierung des primären vs. sekundären Subtyps der Enuresis, jedoch ohne, dass diese unterschiedlich kodiert werden können (vgl. Tab. 1).
Im Folgenden erfolgt die Differenzierung der Subtypen gemäß der ICCS-Klassifikation (Austin et al, 2016).
1.1.2 Subformen
Enuresis nocturna kann entsprechend der ICCS-Klassifikation in unterschiedliche Subformen eingeteilt werden (Austin et al., 2016). Tabelle 2 zeigt einen Überblick.
ICD-10 | ICD-11 | DSM-5 |
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Beschreibung | wiederholter willkürlicher/unwillkürlicher Harnabgang | wiederholter, willkürlicher/unwillkürlicher Harnabgang | wiederholter willkürlicher/unwillkürlicher Harnabgang |
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Häufigkeit |
| nicht angegeben | = 2-mal/Woche (o. klinisch bedeutsames Leiden u. Beeinträchtigungen [sozial, schulisch/beruflich]) |
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Dauer | = 3 Monate | nicht angegeben | = 3 Monate |
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Alter | chronologisches u. geistiges Alter: = 5 Jahre | Entwicklungsalter: = 5 Jahre | = 5 Jahre |
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Ausschluss | nicht als Folge epileptischer Anfälle, nicht neurologisch bedingt/anatomisch bedingt, keine Folge einer anderen nicht psychiatrischen, medizinischen Erkrankung | Erkrankungen des zentralen Nervensystems, muskuloskelettale Erkrankungen, kongenitale und erworbene Anomalien des Urogenitaltrakts | nicht Folge einer physiologischen Wirkung einer Substanz/eines medizinischen Krankheitsfaktors |
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Subformen |
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