E-Book, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Engemann Die Praktische Theologie Otto Haendlers
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-374-04783-3
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spurensicherung eines Epochenwechsels
E-Book, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
ISBN: 978-3-374-04783-3
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Otto Haendler (1890–1981) hat seit Beginn der 1940er Jahre einen wachsenden Einfluss auf die Praktische Theologie und die Erörterung der Grundfragen kirchlicher Praxis gewonnen. Seine interdisziplinär argumentierenden, vor allem im Dialog mit der Tiefenpsychologie verfassten Texte haben zu weitreichenden Veränderungen im Selbstverständnis und im Berufsbild von Pfarrerinnen und Pfarrern beigetragen. Ein 2014 gestartetes Editionsprojekt (Otto Haendler. Vorträge und Schriften zur Praktischen Theologie) war Anlass, sich im Rahmen zweier Symposien mit Haendlers Impulsen genauer auseinanderzusetzen und eine entsprechende Spurensicherung vorzunehmen, die bei seiner Habilitationsschrift (1930) ansetzt und bis in die Gegenwart reicht.
[The Practical Theology of Otto Haendler. On the Traces of an Epochal Change]
Since the beginning of the 1940s Otto Haendler (1890–1981) has exercised a growing influence on practical theology and the fundamental questions of ecclesial practice. His interdisciplinary argumentation, his texts written sometimes in direct dialogue with C. G. Jung, have contributed to far-reaching changes regarding the self-image and the occupational profile of pastors. At the height of dialectical theology, Haendler raised the question of the significance of person and subject for the life of faith of the church. An editorial project starting in 2014 provided the opportunity to address in the context of a symposion the impact of his work and to ensure its achievements.
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NEUENKIRCHEN UND GREIFSWALD
Lebens- und Arbeitsorte des Pfarrers und Professors Otto Haendler von Volker Gummelt Wenn der heutige Besucher an das Grab von Erika und Otto Haendler auf dem Kirchfriedhof von Neuenkirchen bei Greifswald tritt, kann er auf deren Gedenkstein neben den Namen und den Lebensdaten der beiden Verstorbenen lesen, dass Otto Haendler in den Jahren von 1935 bis 1949 als Pfarrer dieses Ortes wirkte. Wer war jener Otto Haendler, der am 18. Dezember 1934 aufgrund des der Greifswalder Universität zustehenden Patronatsrechts vom Rektor Wilhelm Meisner (1881–1956) zum Pastor des Kirchspiels Neuenkirchen berufen wurde?1 Warum war Haendler diesem Ort und seiner Umgebung so verbunden, dass er und seine Frau hier im Jahre 1981 ihre letzte Ruhestätte fanden? 1. DER WERDEGANG OTTO HAENDLERS BIS ZU SEINEM EINSTIEG IN DIE AKADEMISCHE LEHRTÄTIGKEIT IN GREIFSWALD Geboren wurde Otto Haendler am 18. April 1890 in Löwenhagen, Kreis Königsberg, als erstes Kind des dortigen Pfarrers Wilhelm Haendler (1863–1938) und seiner Frau Elisabeth (1863–1925).2 Am 6. Mai 18903 wurde Johannes Maximilian Wilhelm Otto von seinem Vater getauft. Bereits im Jahr 1892 zog die Familie in die in der Provinz Posen gelegene Stadt Bromberg, wo Wilhelm Haendler eine der zwei Pfarrstellen übernommen hatte. Hier begann der kleine Otto seinen Schulbesuch.4 Im Jahre 1903 wechselte die Familie erneut den Wohnort, nachdem der Vater zum Superintendenten von Potsdam und zum Ober-Pfarrer an der dortigen Nikolaikirche berufen worden war.5 In dieser Kirche wurde Otto Haendler am 26. März 1905 von Wilhelm Haendler eingesegnet.6 Am Viktoria-Gymnasium zu Potsdam legte Otto Haendler im März 1908 seine Reifeprüfung ab, die ihn gemäß des ausgestellten Zeugnisses zum Theologiestudium befähigte.7 Im Mai 1908 wurde Haendler an der Berliner Universität im Fach Theologie immatrikuliert, wo er sich sogleich zur Ableistung eines einjährigen Wehrdienstes beurlauben ließ.8 Zum Sommersemester 1909 wechselte Haendler dann an die Universität Tübingen.9 In den drei Semestern, die er dort studierte, besuchte er Lehrveranstaltungen sowohl im Neuen Testament als auch in Dogmatik vor allem bei Adolf Schlatter (1852–1932). Zum Wintersemester 1910/11 ging Haendler wieder zur Berliner Universität zurück.10 Prägende Lehrer für ihn während seiner Studien bis einschließlich dem Wintersemester 1912/13 waren in der Kirchengeschichte Adolf von Harnack (1851–1930) und Karl Holl (1866–1929) sowie in der Praktischen Theologie Friedrich Mahling (1865–1933). Da der Vater Wilhelm im Jahre 1911 zum Generalsuperintendenten von Berlin-Land berufen worden war, lebte seit dieser Zeit die elterliche Familie ebenfalls in Berlin.11 Vom 20. bis 23. September 1913 legte Otto Haendler im Konsistorium zu Berlin seine Erste Theologische Prüfung mit dem Prädikat »recht gut« ab.12 Sein Antrag auf Aufnahme in das Königliche Domkandidatenstift zu Berlin wurde am 14. März 1914 genehmigt.13 Im April/Mai darauf begann er dort seine pastorale Ausbildung.14 Freilich musste Haendler diese durch den Beginn des Ersten Weltkriegesalsbald abbrechen,15 denn bereits am 2. August 1914 wurde er als Leutnant der Reserve in den Kriegsdienst eingezogen.16 Während eines Genesungsaufenthaltes legte Haendler am 4. März 1915 im Berliner Konsistorium seine Zweite Theologische Prüfung mit der Note »gut« ab. Da diese Prüfung als »Notprüfung« verstanden wurde, war ihm die sonst geforderte wissenschaftliche Prüfungsarbeit erlassen worden.17 Nach einer weiteren schweren Verletzung im August 1915 schied Haendler aus dem aktiven Kriegsdienst aus und war ab April 1916 als Garnison-Hilfsprediger in Berlin tätig.18 Am 3. Juli 1916 wurde er von seinem Vater in der Berliner Nikolaikirche ordiniert.19 Seit dem 15. März 1917 war Otto Haendler zudem die Stelle des ersten Adjunkten am Domkandidatenstift und damit verbunden eines Domhilfspredigers übertragen worden.20 Zu Ende des Jahres 1918 bat der »Garnisons-Pfarrer und Domhilfsprediger« Haendler beim Ephorus des Stifts, dem Oberhofprediger Ernst von Dryander (1843–1922), um ein Zeugnis für eine Bewerbung auf eine Pfarrstelle in der Provinz Brandenburg.21 Nachdem Haendler am 19. Mai 1919 die Krankenschwester Erika Badstübner (1897–1981) geheiratet hatte, übernahm er zum 1. August des Jahres das Pfarramt in der Gemeinde Gumtow im Landkreis Prignitz.22 In dieser Zeit wurde der erste Sohn Gert am 17. August 1924 geboren.23 Neben der pfarramtlichen Tätigkeit hat Haendler sich mit seiner Promotionsschrift beschäftigt. Betreut von seinem einstigen Berliner Lehrer für Systematische Theologie Reinhold Seeberg (1859–1935), verfasste er eine Abhandlung zur Christologie des Erlanger Systematikers Franz Hermann Reinhold Frank (1827–1894). Noch vor Abschluss des Promotionsverfahrens zum »Lic. theol.« am 6. November 1925 in Berlin24 wurde Haendler am 16. Januar 1925 durch den Bürgermeister Carl Heydemann (1878–1939) und den Rat der Stadt Stralsund zum »zweiten Geistlichen an der St. Nicolai-Kirche hierselbst« berufen.25 Daraufhin verließ die Familie ihren bisherigen Berlin-Brandenburgischen Lebensraum und zog nach Pommern, wo die Tochter Ethelinde am 26. Oktober 1926 geboren wurde.26 Im gleichen Jahr legte Haendler in einem ausführlichen Aufsatz »Zur Christologie Franks« in der Zeitschrift für Systematische Theologie die Ergebnisse seiner Dissertation und damit auch zugleich eine erste wissenschaftliche Publikation vor.27 2. ERSTE AKADEMISCHE LEHRJAHRE IN GREIFSWALD Gemäß einer kurzen Angabe im Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Universität Greifswald für das Wintersemester 1927/28 war Pfarrer Lic. theol. Haendler von der dortigen Theologischen Fakultät mit der Abhaltung von homiletischen und katechetischen Kursen beauftragt worden.28 Dieser Eintrag findet sich gleichlautend in den Vorlesungsverzeichnissen der folgenden Semester bis einschließlich dem für das Wintersemester 1930/31.29 Später gab Otto Haendler an, dass er neben seinem Stralsunder Pfarramt im Jahre 1927 Assistent an der Greifswalder Universität geworden sei.30 Da Haendlers Kurse nicht in der Lehrübersicht der Fakultät aufgeführt wurden, ist der Umfang dieser nebenamtlichen Lehrtätigkeit schwer einzuschätzen. Seit dieser Zeit arbeitete Haendler auch an seiner Habilitationsschrift mit dem Titel »Die Idee der Kirche in der Predigt«. Am 2. August 1930 konnte er diese vor der Theologischen Fakultät Greifswald verteidigen.31 Für den 8. November des gleichen Jahres lud der Dekan Friedrich Baumgärtel (1888–1981) zu einer öffentlichen Vorlesung Haendlers zur Erlangung der Lehrerlaubnis für Praktische Theologie ein.32 Das gewählte Thema lautete: »Die Berneuchener Bewegung in ihrer kirchlichen Bedeutung für die Gegenwart«. Damit war Haendler in den Status eines Privatdozenten gelangt und konnte nunmehr eigenständige Lehrveranstaltungen abhalten. Wie dem Vorlesungsverzeichnis der Universität Greifswald für das Sommersemester 1931 zu entnehmen ist, kündigte er neben einem homiletischen Proseminar eine erste Vorlesung mit dem Titel »Psychotherapie und Seelsorge« an.33 Doch ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese Lehrveranstaltungen in Greifswald gehalten wurden,34 denn im März 1931 erhielt Haendler durch den Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin die Ernennung zum Studiendirektor des Evangelischen Predigerseminars in Stettin zum 1. April des gleichen Jahres.35 Wie dem Personal- und Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1931/32 zu entnehmen ist, war Haendler zu dieser Zeit von seiner Lehrverpflichtung als Privatdozent beurlaubt worden. Diese Beurlaubung wurde bis zum Sommersemester 1934 immer wieder erneuert.36 3. DIE TÄTIGKEIT ALS DOZENT IN GREIFSWALD UND PFARRER IN NEUENKIRCHEN Erst für das Wintersemester 1934/35 kündigte der Stettiner Studiendirektor Haendler dann erneut eine Vorlesung an der Greifswalder Fakultät an.37 Die Absicht, in die universitäre Lehrtätigkeit einzusteigen, zeigt Haendlers Bemühen in der zweiten Hälfte des Jahres 1934, sich beruflich neu zu orientieren. Zu dieser Zeit wurde er nämlich von der von den »Deutschen Christen« gestellten Kirchenleitung der pommerschen Provinz, die einen ihrer Anhänger zum Studiendirektor einsetzen wollte, aus dem Stettiner Amt gedrängt. So dürfte Haendler die Berufung in das Pfarramt des in der unmittelbaren Nähe zur Universitätsstadt Greifswald gelegenen Kirchspiels Neuenkirchen zu Anfang des Jahres 1935 gern angenommen haben.38 Am 20. Februar des Jahres zog die Familie in das alte, geräumige Pfarrhaus aus dem 18./19. Jahrhundert. Am 10. März fand die Einführung in der mittelalterlichen Pfarrkirche statt, bei der neben dem seit 1933 im Ruhestand lebenden Vater Wilhelm der Nachbarpfarrer Johannes Gudopp (1873–1945) aus Wieck bei Greifswald sowie als Vertreter des Patronats der Greifswalder Professor für Systematische Theologie Rudolf Hermann (1887–1962) anwesend waren.39 Im folgenden Sommersemester 1935 hielt Haendler eine Vorlesung zum Thema »Seelsorge als Grundanliegen der Kirche«.40 Diese Lehrveranstaltung dürfte Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) und die ihn...