Elsen | Neologismen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 198 Seiten

Reihe: narr STUDIENBÜCHER

Elsen Neologismen

Ein Studienbuch

E-Book, Deutsch, 198 Seiten

Reihe: narr STUDIENBÜCHER

ISBN: 978-3-8233-0340-4
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wie und warum bilden wir neue Wörter? Wird das von Textfunktion und Sprecherintention mitbedingt? Im Rahmen eines praktisch orientierten Überblicks über die Neologismenforschung beantwortet der Band diese Fragen exemplarisch anhand von Texten aus journalistischer, Kinder-, Sach- und Unterhaltungsliteratur. Die einzelnen Kapitel behandeln zunächst verschiedene theoretische Aspekte wie Lexikographie, Lexikologie, linguistische, methodische und empirische Grundlagen sowie Probleme der Wortbildung. Es folgen zahlreiche Beispielsanalysen, die als Grundlage eigener Arbeiten dienen können. Begleitet werden die einzelnen Kapitel von Übungsaufgaben und Hinweisen zu weiterführender Literatur. Der Band versteht sich als Lehrwerk und Begleitlektüre zu Seminaren im Hauptstudium. Er hilft beim Einstieg, bei den Vorüberlegungen und bei den ersten eigenen empirischen Erhebungen.

Prof. Dr. Hilke Elsen, M.A., lehrt germanistische Linguistik an der LMU München.
Elsen Neologismen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2.4 Lautsymbolik und Sprachspiel
Lautsymbolik ist einer der Beweggründe für die Gestaltung neuer Wörter. Die Definitionen in der Literatur variieren, und es ist bisher kein klarer Gegenstandsbereich festgelegt worden. Lautsymbolik heißt, dass unterhalb der morphologischen Ebene die Lautebene zum Träger von Information wird. Nicht nur Sprachlaute, sondern auch phonetische Merkmale, Töne, Lautgruppen, Silben, komplexere Lautstrukturen oder prosodische Muster können wiederholt und für größere Sprechergruppen bestimmte Assoziationskomplexe auslösen und dann mit Bedeutungsaspekten in Verbindung stehen. (Elsen 2016: 23) Lautsymbolik, vor allem Klang- bzw. Lautmalerei (Onomatopöie, Onomatopoiie, Onomatopoesie) als ein wichtiger Teilbereich, ist ein beliebtes Stilmittel, um Varianten zu lexikalisierten Einheiten zu schaffen. Sie gibt Zittern, Müdigkeit, Langsamkeit, Lautstärke, Betonung etc. wieder. Da es sich um kein morphologisches Mittel handelt, das Wort dadurch jedoch eine zusätzliche Bedeutung erhält, ist es zwar morphologisch nicht nachvollziehbar, aber trotzdem neu und führt zu Kunstwörtern. Es sind weder Druckfehler noch orthographische Varianten. „Klingt nach einem Wasserschnupfen, hm?“, stupst Sebi sie lieb an. Emmi nickt und niest gleich noch mal. „Und dü hast einö kleine Fröstbeule auf dem Kopf!“, schnieft sie und zeigt auf Herrn Kofferfisch. (Müller 2018: 54)   Snöfrid sah Panik in Björns aufgerissenen Augen. Dann sah Snöfrid noch etwas. Und jetzt verstand er endlich, was Björn rief. „Lauf!“, brüllte der Kauz. „Lauf, laaaauuuf!!!“ Denn nicht nur Björn kam unheimlich schnell näher. Die Trolle hinter ihm leider auch. (Schmachtl 2019: 85) Manche Neologismen sind nicht einfach nur Determinativkomposita, so etwa Toast-Tauben-Schießen (swr3, 20.01.2021). Bei dieser „Sportart“ handelt es sich um eine preiswerte Alternative zum Tontaubenschießen, die während der Coronasperre ganz einfach in der Küche mit einem Golfschläger und einem Toaster mit guter Springfeder praktiziert werden kann. Denn Sprachspielerei ist ein weiteres Motiv für neue Wörter. Für den Begriff des Sprach- oder Wortspiels gibt es ebenfalls keine feste Definition. Er beruht auf dem primären Erkennungsmerkmal der spielerischen und unterhaltenden Funktion eines Ausdrucks. Diese ließe sich im Grunde nur empirisch über Sprecherbefragungen belegen. Aber es ist weit mehr als nur ein Stilmittel, wie es im Rahmen literaturwissenschaftlicher Analysen oft scheint. Die wenigen Forschungsarbeiten, die bisher aus linguistischer Sicht vorliegen, offenbaren zunehmend systematische Aspekte des Phänomens. Beschreibungen, Typologien und Diskussionen haben aber noch nicht zu einem Konsens geführt, sodass es keine eindeutige Begriffsbestimmung, sondern nur verschiedene Vorschläge gibt. Dieser Abschnitt dient als vorläufige Vorstellung des Begriffs, ohne eine endgültige Definition festlegen zu wollen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Konzept des Wortspiels. Jean-François Sablayrolles unterscheidet mehrere Dimensionen der neologistischen Wortspiele: Bauweise, Funktion, Gebrauchssituation, Lebensdauer sowie Verbreitung. Er stellt in mehreren Veröffentlichungen die Gründe für Wortspiele bzw. Spiele mit Wörtern zusammen – sie dienen dem Vergnügen, helfen zu überzeugen, suchen nach Aufmerksamkeit oder Einverständnis, verführen, verspotten, provozieren, ersetzen Argumente, und dies in ganz unterschiedlichen Situationen wie verschiedenen Literaturgenres, Sketchen, Gesprächen, Reden, Werbung, Slogans, politischen Diskursen. Strukturell erweisen sich besonders Regelbrüche als relevant, für das Französische sind Kontaminationen offenbar am produktivsten. Im Rahmen der Neologismenanalyse übernimmt die spielerische Funktion eine untergeordnete Rolle, da sie nicht nur selten, sondern auch zumeist gepaart mit anderen Funktionen auftritt (u.a. Sablayrolles 2015). Inwiefern es sich also um einen eigenen Neologismentypus handeln könnte, muss sich erst noch herausstellen. Vorerst fassen wir das Wortspiel als eine der Gründe bzw. Motivationen für neue Wörter auf, das Kreativität, aber auch Provokation ausdrücken kann. Neuere Diskussionen führen von der primär strukturellen Ebene fort. Winter-Froemel betont die pragmatisch-interaktive Komponente. Auch Thaler fasst das Wortspiel ähnlich wie einen Sprechakt auf unter Beteiligung mindestens zweier Personen, der nicht gelingen muss, der aber auch dann gelingt, wenn er zwar unabsichtlich auftritt, aber von der Gegenseite als solcher akzeptiert wird. Es ist vor allem sozial bedingt. Neben der unterhaltenden Funktion dient es mit dazu, Aufmerksamkeit zu erregen, Gruppensolidarität auszudrücken, Erinnerungsvermögen zu stützen oder Kreativität zu demonstrieren. Es kann strategische, ästhetische, höfliche, satirische, didaktische, persuasive oder auch argumentative Aufgaben erfüllen (Thaler 2016, Winter-Froemel 2016). Die spielerische Wirkung beruht sehr oft auf einer Form von Kontrast – zwischen Bekanntem und Unbekanntem, Erwartetem und Unerwartetem (wenn eine Person in typisch bayerischer Lederhose Plattdeutsch spricht), zwischen zwei Wörtern in einem Kompositum, die ungewöhnliche Inhalte verbinden (Karies-Filet). Sie ergibt sich aus Überraschungseffekten bzw. Unerwartetheit, die auf vielen unterschiedlichen Wegen erreicht werden können, beispielsweise Regelverletzungen (unkaputtbar, Bäumin, Titanic 06/20: 51) und verschiedenen Formveränderungen. Sie können allein wirken, in Kombination und/oder mit anderen Bedeutungen einhergehen und zu Homophonie führen. Oft gibt es nicht nur eine einzige Entstehungsmöglichkeit, da es letztendlich um das Ergebnis geht, nicht um bestimmte Wege, es zu erreichen. Teils werden Laute, Buchstaben, Silben ausgetauscht, hier f durch b: „Brühling – Friseurlehrlinge, die Kunden die Kopfhaut verbrühen, während sie ’Ist es recht so?‘ fragen“ (Fröhlich et al. 2010: 60). Der neue Ausdruck klingt an brühen an und lässt sich auch als Kontamination aus brühen und Lehrling interpretieren. Neben neuen Trennungen („Bad Minton – Kurort für Gelenkverletzungen“, Fröhlich et al. 2010: 32) oder Umstellungen kann auch Sprachmaterial hinzugefügt werden: „Lahmbada – Medizinisch-gymnastischer Ausdruck für die Art und Weise, wie man sich bewegt, wenn einem das Bein eingeschlafen ist“ (Fröhlich et al. 2010: 209). Weitere Möglichkeiten sind die Verwechslung von Fremdwörtern (inkontinentes Verhalten statt inkonsequent), nachgeahmte Fachwörter („Linguinistik/die – […] Lehre vom Klebeverhalten ungarer oder italienischer Flachspaghetti“, Gisler et al. 2019: 510, „Sitzophrenie/die – volkstümlich auch Plattarschsurfen“ Gisler et al. 2019: 783, „Mythologramm/das – alte Geschichten komplett in 3D neu aufgezeichnet“ Gisler et al. 2019: 575), schwer oder unaussprechbare Wörter, vgl.: Wenhuzienkuviov, Venedikucekz Apolkijihun (*Gtzugbbbjiuk, Sibirien, 4.12.1786; † Frunglkkkimug, Sibirien, 4.2.1809) Venedikucekz Apolkijihun Wenhuzienkuviov war ein Maler aus Gtzugbbbjiuk, Sibirien. Er inspirierte mit seinem Hauptwerk Swuqartzklamvid (‚Elisenteigrezept‘) neben dem armenischen Grußkartenfabrikanten Hufrezik Duggntijfereit auch den dalmatinischen Vogelpfeifer Rutingruzk Sokenfraawtz (Fröhlich et al. 2010: 393), Wiederholungen (DINGELDIDONG! DINGELDIDING! DINGELDIDONG!,  Müller 2018: 8), graphische Auffälligkeiten, Homophonie („Ökomähne – Unfassbar schlechte Frisur gläubiger, junger Christen“, Fröhlich et al. 2010: 268) und/oder zusätzliche Assoziationen bzw. Remotivationen, vgl. „Rotkehlchen –...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.