E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Elliott Lady Beatrices Sommertraum
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7337-4661-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-4661-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lady Beatrice ist empört: Ungeniert mustert Charles Lord Pelham ihre Figur, sein Blick verweilt auf ihrem Dekolleté. Und dann macht er ihr auch noch ein anrüchiges Angebot, das sie selbstverständlich zurückweist! Doch der attraktive Adlige hat in ihr eine Sehnsucht geweckt. Die Sehnsucht nach heißen Küssen in einer lauen Sommernacht ...
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1. KAPITEL
Charles Summerson, neunter Marquess of Pelham, wollte nicht spionieren – ganz gewiss nicht. Er hatte sich lediglich hinausgelehnt, um die Temperatur zu prüfen. Ihn plagten sogar Gewissensbisse, weil er das Fenster nicht sofort schloss, nachdem er festgestellt hatte, dass keine Regenwolken in Sicht waren, sodass er getrost einen Ausritt in den Park unternehmen konnte. Es gab keinen Grund, noch länger an seinem Fensterplatz zu verweilen.
Dennoch verweilte er.
Charles stand nicht einmal an seinem eigenen Fenster. Vielmehr befand er sich in seinem ehemaligen Zimmer im Haus seiner Mutter in der Park Lane, wo er vorübergehend wohnte, während seine eigene Residenz renoviert wurde. In all den Jahren seiner Kindheit hatte er nie erkannt, welch vorzüglichen Aussichtspunkt das Fenster bot, um die Geschehnisse im Nachbargarten zu beobachten. Nicht, dass ihn diese Geschehnisse je interessiert hätten. Offen gestanden war er auch jetzt nicht neugierig darauf, was Lady Sinclair in ihrem Garten trieb. Sie lebte schon so lange nebenan, wie er denken konnte, und war eine jener Matronen der feinen Gesellschaft, deren neunundfünfzigstes Lebensjahr nie zu enden schien, gleich wie viele Jahre vergingen. Das Gift, das sie versprüht, konserviert sie wohl, mutmaßte er.
An diesem Tag jedoch saß nicht Lady Sinclair im Nachbargarten, sondern eine ganz andere Dame, eindeutig jünger und ein viel angenehmerer Anblick als besagte Matrone.
Reglos beobachtete Charles die ihm unbekannte junge Frau. Sie lag mit dem Rücken zu ihm gekehrt auf Lady Sinclairs akkurat geschnittenem Rasen, hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und schrieb eifrig etwas in ein kleines Buch. Zu seinem großen Bedauern konnte er ihr Gesicht nicht sehen, sondern nur ihren Kopf, den sie tief über ihre Notizen gebeugt hielt.
Er ließ den Blick über ihren Körper schweifen, oder zumindest über das, was er davon erkennen konnte. Sie trug ein zartgelbes Kleid im Farbton von Lady Sinclairs Kletterrosen, das einen angemessenen – wenngleich auch für ihn enttäuschend – sittsamen Schnitt aufwies. Auf seine Fantasie vertrauend malte er sich die Einzelheiten aus, die das Kleid verbarg: eine schmale Figur, sanft geschwungene Hüften, eine schlanke Taille, runde Brüste. Stumm wünschte er, sie würde sich umdrehen, um seine Neugier zu befriedigen.
Weiter ließ er den Blick wandern, nun über ihre ausgestreckten Beine. Sie hatte die Schuhe abgestreift und nachlässig neben sich auf den Boden fallen lassen. Ihre Waden waren zwar – so, wie es sich ziemte – züchtig bedeckt, aber ihre Füße sah er deutlich. Gelegentlich wackelte sie mit den Zehen im Gras.
Er wusste, er sollte sich abwenden, und hätte dies wohl auch getan, wären da nicht ihre verflixten bestrumpften Füße gewesen. Ihr Anblick stachelte seine Neugier zusätzlich an und ließ ihn umso heftiger wünschen, einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen zu können. Zudem war sie ganz vertieft in das, was auch immer sie da tat, und so bestand wohl kaum die Gefahr, von ihr ertappt zu werden.
Plötzlich hielt die junge Frau im Schreiben inne und blätterte durch die Seiten des Buchs. Charles hätte in diesem Moment alles gegeben, um mit ihr lesen zu können. Fast schon begierig hoffte er, es handele sich um ihr Tagebuch, in dem sie ihre innersten Geheimnisse, ihre verborgensten Wünsche aufzeichnete …
Er schenkte dem Buch indes keinerlei Beachtung mehr, als sie, offenbar vergessend, dass sie eine junge Dame war, ein Bein unbekümmert abwinkelte und es hin- und herschwang. Ihr Rock fiel ihr dadurch bis zum Knie hoch, und er kam in den Genuss, einen schlanken Knöchel und eine wohlgeformte Wade bewundern zu können.
Anerkennend hob er eine Augenbraue. Vermutlich sollte ich mich schämen, sie heimlich zu beobachten, dachte er. Sein lästig moralisches Gewissen schob er indes beiseite; es war ihm schlicht unmöglich, den Blick von ihr zu nehmen. Er überlegte sogar, rasch die Gemächer seiner Schwester aufzusuchen, um sich ihr Opernglas zu borgen.
Bevor er allerdings diese Entscheidung treffen konnte, wurden seine ruchlosen Gedanken jäh von einer schrillen Stimme unterbrochen – vermutlich gehörte sie der Xanthippe Lady Sinclair. „Bea! Komm herein, es ist Zeit zum Umkleiden.“
„Ich komme“, antwortete die junge Frau. Jedoch schloss sie weder das Buch, noch stand sie auf.
Einen Augenblick später erklang die Stimme erneut, diesmal ungehaltener: „Bea! Wir werden zu spät kommen.“
Widerstrebend schlug die junge Dame ihr Buch zu, aber sie erhob sich nicht gleich. Sie drehte sich auf den Rücken, streckte sich wie eine Katze und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Mit entrückter Miene und dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen schaute sie in den Himmel.
Nun hätte Charles den Blick tatsächlich abwenden sollen. Jeden Moment hätte sie die Augen zu seinem Fenster richten und entdecken können, dass er sie begehrlich anstarrte. Und dies wäre wirklich fatal gewesen. Die unangenehmen Folgen, die eine Entdeckung nach sich ziehen könnte, kamen ihm jedoch gar nicht in den Sinn. Einen Augenblick vergaß er sogar zu atmen.
Himmel, sie war hinreißend. Ihre Figur fand seine Bewunderung, ihr Gesicht indes raubte ihm den Atem … Die perfekte kleine Nase, die vollen Lippen … Charles schluckte schwer. Nun, da sie auf dem Rücken lag, sah er seine Vorstellung bestätigt. Sie war tatsächlich schlank, aber definitiv an den richtigen Stellen gerundet. Immer noch sah er nicht alles, was er zu sehen wünschte – die Farbe ihrer Augen beispielsweise, den Schwung ihrer Brauen – aber mit ihrem goldblonden Haar war sie unbestritten eine Schönheit.
Wie alt sie wohl ist? fragte er sich. Zwanzig? Vielleicht einundzwanzig? Sie war eindeutig jung, aber nicht zu jung.
Mit unerfahrenen Debütantinnen ließ er sich nicht ein, was schlicht an der Tatsache lag, dass diese gewöhnlich auf Gattenfang waren. In die Ehefalle wollte er ganz gewiss nicht gehen.
Schließlich erhob sich die junge Frau und ging, das Buch fest an die Brust gedrückt, ins Haus. Der Bann war gebrochen.
Mehrere Minuten wartete Charles, darauf hoffend, dass sie wieder in den Garten hinauskam, dann aber schoss ihm ein Erfolg versprechenderer Gedanke durch den Sinn.
Er verließ seinen Platz am Fenster und ging geradewegs zum Zimmer seiner Schwester. Das im Korridor hängende Porträt seines Ururgroßvaters, der missbilligend unter buschigen Augenbrauen auf ihn herabstarrte, ignorierte er geflissentlich.
„Lucy? Bist du da?“, rief er durch die Tür. Seine achtzehnjährige Schwester verbrachte zum ersten Mal die Saison in London. Trotz der zwölf Jahre Altersunterschied standen sie sich sehr nahe, wenngleich er sich immer noch nicht an die Tatsache gewöhnt hatte, dass seine Schwester kein Kind mehr war.
Lucy öffnete lächelnd die Tür. Sie war ein hübsches, zierliches Mädchen. Wie ihr Bruder hatte sie schwarzes Haar und grüne Augen. Von der Größe einmal abgesehen – er war über einen Meter achtzig groß –, war die Ähnlichkeit zwischen ihnen frappierend. „Hast du Sehnsucht nach mir, Charles?“, fragte sie kess.
„Oh, du musst dir nicht selbst schmeicheln, Lu. Ich möchte lediglich deine Pläne für den heutigen Abend erfahren.“
Sie hob eine Augenbraue. „Willst du mich etwa begleiten? Das wäre ja ganz neu.“
„Zu deinem Debüt vor zwei Wochen habe ich dich ebenfalls begleitet“, warf er ein.
„Das zählt nicht, weil du daran teilnehmen musstest. Außerdem hast du mir an jenem Abend selbst gesagt, es wäre das erste und letzte Mal.“
„Vielleicht habe ich meine Meinung inzwischen geändert. Welche Veranstaltung steht heute Abend auf dem Programm?“
„Lady Teasdales alljährlicher Ball.“
Charles nickte, als überlege er, ob er sie begleiten solle, aber er hatte seine Entscheidung längst gefällt. Kaum etwas verabscheute er mehr, als Lady Teasdales verflixten Ball zu besuchen, indes hoffte er, dort der jungen Frau im gelben Kleid zu begegnen, um mehr über sie zu erfahren. Lady Sinclair hatte sie hereingebeten, damit sie sich für irgendeinen Anlass umkleidete, wahrscheinlich für diesen Ball. „Gut, ich werde dort sein.“
„Aber du kannst Lady Teasdale nicht ausstehen!“, rief Lucy.
Charles wurde klar, dass dieses Gespräch wohl kaum so kurz werden würde, wie er angenommen hatte. Er betrat Lucys Zimmer und ließ sich in einen der Sessel fallen, in Gedanken bereits nach einer plausiblen Erklärung suchend. „Mir ist bewusst geworden, dass ich meine Pflichten vernachlässigt habe, Lu. Ich sollte dich mit den Aasgeiern nicht allein lassen.“
„Charles, Mutter begleitet mich. Es ist nicht so, als hätte ich keine Anstandsdame.“
„Ja, aber Mutter kennt die diversen Gentlemen nicht so wie ich. Mir wäre es verhasst, wenn du deine Zeit mit Tunichtguten vergeudest.“
Sie stöhnte ungläubig auf. „Wie kannst ausgerechnet du nur so argwöhnisch sein? Du bist doch der größte Herzensbrecher von allen. Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass ich deine Gesellschaft vielleicht gar nicht möchte?“
Er gab sich entsetzt. „Und diese Worte aus dem Mund meiner geliebten Schwester.“
Lucy gab sich so schnell nicht geschlagen. Sie liebte ihren Bruder von ganzem Herzen, aber gelegentlich übertrieb er es etwas mit der Fürsorglichkeit. Ein letztes Mal wollte sie versuchen, ihm den Ball auszureden. „Gewiss wirst du Mutter sehr glücklich machen, wenn du uns begleitest. Erst heute Morgen erzählte sie mir, es sei höchste Zeit, dass du dich vermählst.“
...