E-Book, Deutsch, Band 1, 384 Seiten
Reihe: Die Buchreisenden-Reihe
El-Bahay Die Buchreisenden - Ein Weg aus Tinte und Magie
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7517-7457-4
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman. Eine fantastische Reise in die Welt der Bücher
E-Book, Deutsch, Band 1, 384 Seiten
Reihe: Die Buchreisenden-Reihe
ISBN: 978-3-7517-7457-4
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In einem Hinterhof einer kleinen Gasse unweit der berühmten Charing Cross Road in London liegt ein unscheinbarer Buchladen, der nur auf Anfrage öffnet. In Libronautic Inc. gelangt man an Orte, zu denen eigentlich kein Weg führt. Adam arbeitet hier als Erzähler und hat die Gabe, Menschen in die Geschichten hineinzuführen. Doch eines Tages hält sich ein buchreisender Kunde nicht an die Regeln und weicht in einem Roman vom besprochenen Weg ab. Mitten in einem Wald, in dem eine Leiche im Mondschein liegt, verlässt der Kunde seine Reiseführer Adam und Gabriel. Adam verfolgt den Mann, der etwas zu suchen scheint, und findet ihn vor einer Tür, die plötzlich zwischen den Bäumen steht ...
Auftakt der magischen BUCHREISENDEN-Dilogie
Ein Leseabenteuer voller Spannung, Humor und literarischer Figuren
Akram El-Bahay hat seine Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf gemacht: Er arbeitet als Journalist und Autor. Für seinen Debütroman FLAMMENWÜSTE wurde er mit dem SERAPH LITERATURPREIS und dem RPC AWARD ausgezeichnet. Als Kind eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter ist er mit Einflüssen aus zwei Kulturkreisen aufgewachsen, deren Mythenwelt ihn gleichermaßen inspirieren. Er ist Mitglied des Phantastik-Autoren-Netzwerkes PAN.
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Prolog
In der Londoner Charing Cross Road, dort, wo sich die Buchgeschäfte eng aneinanderdrückten, gab es einen Laden, der noch nie ein Buch verkauft hatte. Einen Laden, der nur denjenigen öffnete, die einen Termin vereinbart hatten. Einen Laden, der ganz und ganz einzigartig war. In die Luft vor diesem kleinen Buchladen mischte sich der Duft von Geschichten. Die meisten der Vorbeilaufenden hätten ihn, wäre er ihnen aufgefallen, mit dem von Papier verwechselt. Doch dieser Duft war anders. Denn er trug all die Gerüche in sich, die man in den Geschichten fand. Den Laden selbst, der so selten geöffnet hatte, bemerkten die Vorbeilaufenden ebenfalls kaum. Er war so unscheinbar neben den vielen Buchläden, die ihre Kunden mit aufwendig dekorierten Schaufenstern und großen Reklametafeln zu sich lockten wie bunte Blüten die Insekten, als wollte er nicht auffallen. In der Auslage waren nur wenige Bücher zu sehen. Und der verschnörkelte Schriftzug auf dem schmutzigen Glas war so schwer leserlich, dass man nahe an das Schaufenster herantreten musste, um ihn zu entziffern.
Libronautic Inc.
Der untersetzte Mann, der an diesem späten Nachmittag vor der Tür stand, sah sich nervös um. Obwohl der Winter bereits die kalten Hände um die Welt legte, schimmerten Schweißperlen auf seiner Stirn. Er blickte auf die andere Straßenseite zu einem Wagen und nickte jemandem zu, der hinter den getönten Scheiben nicht zu erkennen war. Dann atmete er tief durch und klopfte. Noch einmal rief er sich den Ort ins Gedächtnis, an den er gleich reisen würde. Einen Ort, den es nicht gab. Außer in Worten auf altem Papier.
»Ja?« Der hünenhafte Mann, der die Tür öffnete, besaß eine Glatze. Dafür wuchs ihm ein brauner Bart um den Mund, in den sich einige graue Haare wie Silberfäden mischten.
Libronautic beschäftigte mehrere Mitarbeiter. Der schwitzende Mann wusste nicht, wie viele es waren. Dieser hier war ihm bislang unbekannt geblieben. »Ich habe gebucht.« Die vereinbarte Antwort für alle Kunden des Geschäfts. Für alle Buchreisenden.
Einen Moment lang musterte der Mann seinen Gast, dann trat er beiseite und bat ihn mit einer einladenden Geste hinein. »Willkommen bei Libronautic«, sagte der Glatzkopf ein wenig gelangweilt, als würde er einen auswendig gelernten Text aufsagen. »Hier werden Sie eine Reise erleben, die Sie nie vergessen werden. Mein Name ist Gabriel. Ich bin heute einer Ihrer Begleiter.« Er räusperte sich. »Wenn ich recht informiert bin, haben Sie bereits eine Reise mit uns unternommen.«
»Sogar schon mehr als eine.« Die Aufregung ließ die Worte des Gastes zittern. Es war nicht nur die Aussicht auf den Besuch eines Ortes in einer Geschichte, die ihn schneller atmen ließ. Es war der Ort selbst. Nervös strich er sich das schwarze Haar aus der Stirn und rückte sich die Brille zurecht, die ihm ständig die Nase herabrutschte.
Gabriel schloss die Tür und ging hinter den Tresen des kleinen Ladens. Die Einrichtung in dem Verkaufsraum war mehr als spärlich. Es gab wenige Regale, in denen kaum ein Dutzend Bücher standen. Alte, in Leder geschlagene Schätze, die alle ihre von der Zeit gezeichneten Vorderseiten präsentierten. »Sie haben sich Der Vampyr ausgesucht?« Gabriel hatte ein großes Buch, das Reisejournal, aufgeschlagen und nahm einen Finger zu Hilfe, um daraus abzulesen. In dem Reisejournal waren die Termine und Kunden notiert.
»Ich liebe alles Finstere«, erwiderte der Gast. »Ich heiße Stevenson«, sagte er. »Robert Stevenson.«
»Natürlich.« Gabriel verzog keine Miene bei dem gelogenen Namen. Robert Stevenson. Der Autor der Geschichte über Dr. Jekyll und Mr Hide.
Der Mann, der sich den Namen umgelegt hatte wie einen Mantel, leckte sich über die Lippen, als wäre dort ein schlechter Geschmack zurückgeblieben. »Wann werden wir abreisen?«
Gabriel legte den Kopf schief und sah von seinem Buch auf. »Bei Ausflügen in derart gefährliche Geschichten ist es meine Pflicht, Sie zu fragen, ob Sie sich sicher sind. Bitte missverstehen Sie mich nicht. Das Buchreisen ist eine Angelegenheit, die Sie nicht mit Sorge erfüllen muss. Doch in einem solchen Fall, bei einem derartigen Ziel, sind unsere Regeln bis auf das Komma genau zu befolgen. Wenn Sie also doch lieber einen etwas weniger aufregenden Ort bevorzugen, kann ich Ihnen auch eine andere Tour anbieten. Gerade ist Alice im Wunderland besonders beliebt. Wir haben einen schönen Aussichtspunkt auf die Teegesellschaft. Oder wie wäre es mit einem modernen Klassiker? In Hogwarts können wir den Gemeinschaftsraum von Ravenclaw besichtigen. Dieser Ort hat sich als sehr unempfindlich gegenüber Besuchern von außerhalb erwiesen. Wir nehmen dort die Identität namenloser Lehrer an. Der Besuch eines Quidditch-Spiels ist ebenfalls im Paket enthalten.«
Für einen Moment war der Mann, der sich Robert nannte, geneigt, sich lieber im Zauberer-Internat als in der Welt eines tödlichen Blutsaugers umzusehen. Aber er hatte einen Auftrag. Und um ihn zu erfüllen, musste er sich unweigerlich in Lebensgefahr begeben. »Der Vampyr, bitte«, sagte er und hoffte, dass seine Stimme nicht allzu sehr zitterte.
Gabriel blickte ihn prüfend an, als müsste er entscheiden, ob Robert mutig oder irre war. »Natürlich. Der Vampyr von John Polidori«, sagte er schließlich. »Die alte Erzählung, die Bram Stoker zu seinem Roman über den berühmten Grafen Dracula inspiriert hat. Sie müssen noch den Preis entrichten.«
»Sicherlich.« Robert griff in die Tasche seines Mantels und zog ein Bündel Scheine hervor.
Gabriel nahm sie entgegen, ohne eine Miene zu verziehen. Es war üblich, dass die Kunden des Geschäfts diese Form der Bezahlung nutzten und nicht ihre Kreditkarte zückten, selbst bei der fünfstelligen Summe, die eine Reise in ein derart gefährliches Buch kostete. So blieb ihre wahre Identität im Verborgenen.
»Vielen Dank«, sagte Gabriel und setzte sich nun ein Lächeln auf das breite Gesicht. Es schien, als hätte er es sich antrainieren müssen. Er kam hinter dem Tresen hervor und ging zu einer Tür, die in einen weiteren Raum führte.
Robert wusste, was sich dahinter verbarg. Er hatte bereits die finstere Erzählung des Mannes besucht, dessen Namen er für seine Besuche bei Libronautic verwendete. Ebenso war er dem beklagenswerten Geschöpf gefolgt, das sich Mary Shelley ausgedacht hatte. Seine Reise in ihre Erzählung über den modernen Prometheus Frankenstein hatte auf seinem Rücken eine sichtbare Spur hinterlassen. Ein Andenken, das noch immer nicht ganz verheilt war. Und er war bereits einmal in den Vampyr gereist. Eine Erfahrung, die ihm mehrere Nächte lang den Schlaf gekostet hatte.
Er atmete tief durch. Nun würde er sich zum zweiten Mal an einen Ort wagen, an dem dieses schreckliche Wesen lauerte. Ausgerechnet in dessen Erzählung hatte er den lang gesuchten Hinweis gefunden.
»Sie verstehen sicher, dass wir für diese spezielle Reise ein wenig strengere Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen«, hörte er Gabriel sagen. »Daher werden Sie von zwei Erzählern begleitet.« Der Mitarbeiter von Libronautic öffnete die Tür, und Robert sah auf die drei Chesterfield-Sessel, die vor dem Kamin standen. In einem davon saß ein junger Mann. Vor ihm auf einem Tischchen lag ein altes Buch.
Langsam, als könnte schon der Anblick des Einbands ihm gefährlich werden, betrat Robert den Raum. »Ich weiß, dass wir zu dritt reisen werden«, sagte er und atmete tief durch.
»Sehr gut.« Gabriel war direkt hinter ihm. »Dies ist mein Kollege Adam.«
Der junge Mann erhob sich. Er war höchstens zwanzig Jahre alt und trug sein braunes Haar so lang, dass es ihm fast an die Schultern reichte.
So jung? Robert konnte sich kaum vorstellen, dass dieser Adam der Aufgabe gewachsen war, einen Weg in einen Roman zu öffnen.
»Da wir uns gleich in Griechenland befinden werden, ist es sicher angebracht, wenn Sie Ihren Mantel ablegen«, sagte Gabriel.
»Oh«, erwiderte Robert und drückte seine Hand auf die Manteltasche. »Ich fühle mich so äußerst wohl.« Er sah, wie die beiden Männer einen verwunderten Blick wechselten, während er sich auf einen der drei Sessel setzte. Gabriel zuckte mit den Schultern, schloss die Tür und nahm neben ihm Platz.
Zuletzt ließ sich Adam nieder und hob das Buch vom Tischchen. »Guten Tag«, sagte er mit einer Stimme, die so freundlich klang, als würde sie den dunklen Worten in dem Buch ihren Schrecken nehmen wollen. »Bei der Buchung haben Sie sich entschieden, im Wald in die Geschichte einzutauchen«, sagte Adam. »Es ist Sommer. Nachts. Wenn Sie möchten, können wir die Geschichte aber auch in London betreten und an einem Empfang teilnehmen. Da geht es weitaus harmloser zu.«
»Nein«, erwiderte Robert. »Ich möchte noch einmal in den Wald.« Seine Stimme wurde leise. »Dorthin, wo es wirklich gefährlich ist.«
Adam lächelte ihn an, als würde ihn die Aussicht, gleich einem lebenden Toten zu begegnen, nicht schrecken. »Gut, dann also eine der gefährlichsten Passagen der Erzählung. Halten Sie sich an die Regeln! Es gibt einen abgesteckten Weg. Sie werden ihn nicht erkennen, aber wir wissen, wo er verläuft. Nur dort können wir uns aufhalten, ohne uns oder die Geschichte zu gefährden. Weichen Sie von ihm ab, könnten Sie auf den Vampir treffen. Diese Begegnung kann tödlich enden. Wir öffnen gleich...