E-Book, Deutsch, 422 Seiten
Eilert Integratives Persönlichkeitscoaching mit emTrace
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7495-0382-7
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Heldenreise und Emotionscoaching
E-Book, Deutsch, 422 Seiten
ISBN: 978-3-7495-0382-7
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dirk W. Eilert ist Wirtschaftspsychologe (M.Sc.), spezialisiert auf emotionale Intelligenz. Als einer der führenden Mimik- und Körperspracheexperten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Mehr Informationen unter www.eilert-akademie.de
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Biologische Psychologie, Neuropsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Kognitionspsychologie Emotion, Motivation, Handlung
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologie: Allgemeines
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie
Weitere Infos & Material
Einführung: Was bedeutet Emotionscoaching auf Identitätsebene?
Benedikt und Sonja waren seit dem Abitur, das 16 Jahre zurücklag, ein Paar. Vor zwei Monaten hat er ihr einen Heiratsantrag gemacht, um ihre gemeinsame Liebe zu besiegeln. Doch Sonjas Antwort fiel anders aus, als er erwartet hatte: „Ich kann dich nicht heiraten. Ich überlege seit Monaten, wie ich es dir schonend beibringen soll. Ich möchte mich trennen, Benni. Ich habe nicht das Gefühl, dass du irgendwann deinen Job auf die Reihe bekommst. Du wirst nie genug Geld verdienen, um eine Familie zu ernähren. Außerdem bist du mir zu anhänglich. Am Anfang war das ja süß, aber in den letzten Jahren ist das wirklich immer schlimmer geworden. Das strengt echt an.“ Benedikt war am Boden zerstört, zumal er mit einer ganz anderen Reaktion gerechnet hatte. Wobei er zugibt, es doch schon irgendwie gespürt zu haben. Er hatte sich aber – aus Angst vor der Wahrheit – nicht getraut, es bei Sonja anzusprechen. „Irgendwie hat sie schon recht“, sagt er. „Ohne sie fühle ich mich einfach nicht vollständig und jobmäßig habe ich mich echt verrannt. Ich habe immer davon geträumt, einmal viel Geld zu verdienen. Ich bin im Versicherungsvertrieb, aber irgendwie stagniere ich da schon seit Jahren. So richtig Geld verdiene ich damit jedenfalls nicht.“ Als ich Benedikt nach seinem Coachingziel frage, antwortet er: „Ich möchte in meine Kraft kommen – das Gefühl haben, dass ich jemand bin, der seinen Mann steht und die Dinge anpackt. Aber: Ohne dass ich meine ‚weiche‘ und liebevolle Seite verliere.“ Wie würden Sie im Coaching mit Benedikt vorgehen?
Annika hatte schon zu Beginn ihres Studiums gespürt, dass Verwaltungswissenschaften nicht das Richtige für sie sind. Ihr Vater, ein Urgestein im Düsseldorfer Ordnungsamt, hatte ihr aber immer wieder gepredigt: „Kind, geh in die öffentliche Verwaltung, das ist sicher.“ Deswegen hatte sie ihr Studium durchgezogen und war anschließend sogar ein bisschen erleichtert, als sie als Beamtin vereidigt wurde. Auch wenn sie eigentlich davon träumte, Psychologie zu studieren. Warum sich Menschen so verhalten, wie sie sich verhalten, hatte sie schon immer wahnsinnig interessiert. In jedem Urlaub verschlang sie Stapel an psychologischen Fachbüchern. Als sie zu mir ins Coaching kommt, ist sie emotional an einem Tiefpunkt angelangt: „Mein Job erfüllt mich einfach nicht, ich spüre schon seit Jahren immer wieder den Wunsch, Psychologie zu studieren. Vor drei Wochen hat mir meine beste Freundin erzählt, dass sie sich gerade an einer Hochschule immatrikuliert hat und doch tatsächlich jetzt ein Psychologie-Studium anfängt. Ich würde das gerne auch tun, traue mich aber einfach nicht, diesen Schritt zu machen – ich kann doch die Sicherheit nicht einfach aufgeben.“ Was hat dieser Coachingfall mit dem ersten gemeinsam?1
Die drei Kriterien emotionaler Kernthemen auf Level 3
Der gemeinsame Nenner beider Fälle – und das ist kennzeichnend für ein Coaching auf Identitätsebene (Level 3) – ist: Sowohl Benedikt als auch Annika geht es um eine Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Der Unterschied zu einem emotionalen Kernthema, das auf Level 1 liegt, umfasst hier vor allem drei Punkte:
- Das emotionale Kernthema ist transsituativ – es bezieht sich nicht auf eine einzelne Situation, sondern ist kontextübergreifend. Es involviert also das Selbstkonzept, die Idee eines Menschen, wer er ist. Dies ist z. B. bei der reinen Auflösung einer Auftrittsangst meist nicht der Fall. Bloß weil sich eine Redeangst löst, erleben wir uns nicht zwangsweise auch als anderer Mensch. Ein solches neues oder erweitertes Erleben des eigenen Selbst ist aber Teil eines Coachings auf Identitätsebene.
- Es geht nicht schlichtweg um die Lösung einer emotionalen Blockade, sondern um eine innere Entwicklungsreise, um einen Prozess des persönlichen Wachstums. Hier steht die Erweiterung oder gar der Wechsel einer sozialen Rolle im Fokus. Im Fall von Benedikt geht es darum, sich als Liebespartner und als Berufstätiger neu zu definieren. Bei Annika steht zwar auch ihre berufliche Rolle im Vordergrund, hier könnte sich aber gleichzeitig eine Entwicklung ihrer Rolle als Tochter anbahnen, da sie in ihrer „Geschichte“ ihrem Vater die Rolle des Schwellenhüters (vgl. Phase 4 der Heldenreise) zugewiesen hat. Eine solche Selbstaktualisierung ist fester Bestandteil eines Level-3-Themas. Darunter verstehen wir eine dem Menschen innewohnende Kraft zu Wachstum und authentischer Selbstverwirklichung (Bolen, 2000).
- Level-3-Themen zielen auf die Integration entgegenwirkender innerer Kräfte. Im Fokus steht die Integration des Selbst – als Mensch vollständiger zu sein. Annika möchte ihr Bedürfnis nach Sicherheit nicht aufgeben, sondern mit ihrer Leidenschaft in Balance bringen. Ebenso geht es bei Benedikt nicht darum, dass er voll in seine Ich-Stärke geht und dabei andere Menschen oder gar die Liebe aus seinem Leben ausschließt. Bei einem Level-3-Thema steht die Integration von gegensätzlichen Energien im Mittelpunkt: Wir wollen etwas Neues erreichen und dabei bestehende Ich-Qualitäten integrieren.
Nachdem wir uns nun die Gemeinsamkeiten der beiden Coachingfälle angeschaut haben, lassen Sie uns noch kurz einen Blick auf ihren Unterschied werfen. Dieser liegt in der Motivfeld-Achse der angesteuerten Entwicklungsreise: Annikas emotionales Kernthema verläuft auf der Achse des situativen Status (zu den Motivachsen und -feldern siehe Kapitel „Von Hauptfeldern und Sehnsuchtszielen: Wie unsere Motive die Entwicklungsreise bestimmen“). Das verletzte Motivfeld ist Ordnung & Stabilität und das zu stärkende Feld Inspiration & Leichtigkeit. Bei Benedikt erfolgt die Entwicklungsreise hingegen von Harmonie & Geborgenheit nach Durchsetzung & Einfluss – entlang der Achse des sozialen Status. Wobei es bei beiden nicht um das Verlassen des einen Motivfelds geht, um das gegenüberliegende zu erreichen. Bei beiden liegt die Lösung in der Integration der entgegengesetzten Energien. Und genau dies ist Kern der Level-3-Interventionen.
Mit Level-3-Interventionen zielen wir darauf ab, dass der Klient sich im tiefsten Verständnis seiner Identität als integrierte Persönlichkeit erlebt – mit einer hohen Klarheit des Selbstkonzepts – und sich kraftvoll durch die Zeit bewegt, also effektiv mit anstehenden Veränderungen umgeht und diese ebenso proaktiv gestaltet. Dies erreichen wir zum einen durch eine gezielte Aktualisierung des Selbstkonzepts (wie z. B. die Reflexion der eigenen Werte und Entwicklung) sowie die Veränderung der Einstellung zum selbigen – also eine Stärkung des Selbstwerts. Zum anderen unterstützen wir durch gezielte Interventionen die emotional-motivationale Eigendynamik von Veränderungen und fördern damit proaktiv die Entwicklung sowie Potenzialentfaltung der Persönlichkeit. Proaktiv ist hier ein wichtiges Schlüsselwort. Denn es geht im Emotionscoaching auf Identitätsebene nicht nur darum, auf aktuelle Veränderungen zu reagieren. Wir zielen vielmehr darauf ab, zukünftige Veränderungen zu antizipieren und bereits jetzt proaktiv die dafür notwendigen Ressourcen zu aktivieren. Damit befähigen wir unsere Klienten und Klientinnen, zu dem Menschen zu werden, der sie wirklich sind, um so eine stabile, authentische Ich-Stärke zu entwickeln und dauerhaft zu leben.
Beispielhafte Coachingthemen, die sich aus den drei Kriterien emotionaler Kernthemen auf dieser neuro-logischen Ebene ergeben (Transsituativität, innere Entwicklungsreise, Integration des Selbst), sind:
- die Entwicklung und Umsetzung der persönlichen Lebensvision / -mission
- ein proaktiv ressourcenorientierter Umgang mit Veränderungen auf der Ebene der Identität; Beispiele dafür sind eine neue Arbeitsstelle oder Existenzgründung, ein Rollenwechsel (Beförderung zur Führungskraft, Eltern werden usw.), das Ende eines Lebensabschnitts (Partnerschaft, Arbeitsleben usw.), Beginn einer neuen Lebensphase (Umzug, Ruhestand, Lottogewinn usw.)
- Auflösung transsituativer dysfunktionaler emotionaler Muster (z. B. chronische Scham)
- Entwicklung und / oder Stärkung einer Charakterstärke (z. B. Beharrlichkeit, Humor)
Die psychologische Struktur der dritten neuro-logischen Ebene
Der präzise Blick dafür, welche der vier neuro-logischen Interventionsebenen (Level 1 bis 4) in der Persönlichkeit des Klienten durch sein im Coaching formuliertes Problem involviert wird, sowie die daran anschließende punktgenaue (oder vielmehr levelspezifische) Auswahl der passenden Intervention ist ein zentrales Element im Emotionscoaching mit emTrace. Die damit erreichte Passgenauigkeit der Intervention zur inneren Landkarte des Klienten macht den Zauber und die Wirksamkeit in der Arbeit mit emTrace aus. Lassen Sie uns deshalb die Struktur der dritten neuro-logischen Ebene und ihre Abgrenzung zu den benachbarten Leveln zu Beginn dieses Buchs etwas tiefer beleuchten. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Interventionsebenen des Wholeception-Klärungsmodells finden Sie im emTrace-Grundlagenbuch Integratives Emotionscoaching mit emTrace: Wie emotionale Veränderung wirklich gelingt (Eilert, 2021).
Um die dritte neuro-logische Interventionsebene (Level 3) zu verstehen, hilft die Metapher der Wohnung: Im Laufe eines Tages bewegen wir uns durch alle Räume unserer Wohnung (durch die Facetten unseres Ichs), halten uns mal da auf und mal dort. Würden wir nun mit Wärmebildkameras ein Bewegungsprofil...