Eicker-Wolf Money for nothing?
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96317-734-7
Verlag: Büchner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Kontroverse
E-Book, Deutsch, 150 Seiten, Format (B × H): 145 mm x 205 mm
ISBN: 978-3-96317-734-7
Verlag: Büchner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Kai Eicker-Wolf, Ökonom und Politikwissenschaftler, arbeitet als hauptamtlicher Gewerkschafter in Frankfurt, ist Referent für Wirtschafts- und Finanzpolitik. Er publiziert unter anderem zu finanz- und verteilungspolitischen Themen.
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2. Aktuelle BGE-Modelle: Ein Überblick
Unter einem Bedingungslosen Grundeinkommen ist ein Einkommen zu verstehen, »das von einem politischen Gemeinwesen an alle seine Mitglieder individuell, ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung ausgezahlt wird«.4 Alle BGE-Vorschläge haben zum Ziel, bedarfsorientierte und bedürftigkeitsgeprüfte Sozialleistungen (Grundsicherung) sowie die Sozialversicherungen und ihre Leistungen ganz oder zumindest zum Teil zu ersetzen. Das heißt mit anderen Worten: Ausnahmslos alle Menschen, die in einem Staat leben, erhalten ein Einkommen, ohne dafür irgendeine Arbeit oder irgendeinen Beitrag leisten zu müssen. Wie hoch das sonstige Einkommen oder der Vermögensbesitz ausfallen, spielt für den Bezug des Grundeinkommens keine Rolle. Die einzige Unterscheidung, die in einigen BGE-Modellen gemacht wird, ist eine Differenzierung nach dem Alter – Kindern wird dann ein niedrigerer Betrag zugestanden als Erwachsenen. Dafür, so die Idee, entfallen dann andere sozialstaatliche Leistungen wie etwa die Sozialhilfe, die derzeit individuell zu beantragen und die durch einen Bedürftigkeitsnachweis zu begründen ist.
Beim BGE sind grundsätzlich zwei verschiedene Formen zu unterscheiden – die sogenannte (oder auch ) und die . Eine Sozialdividende wird in ihrer festgesetzten Höhe an die BGE-Berechtigten ausgezahlt, jedes Mitglied des Gemeinwesens erhält monatlich den entsprechenden Betrag auf sein Konto überwiesen. Auch im Falle einer negativen Einkommensteuer wird zwar jedem Berechtigten der festgelegte BGE-Betrag zugestanden. Allerdings wird dieser mit der auf alle sonstigen Einkommen zu zahlenden Einkommensteuer verrechnet: Ausbezahlt wird also das Grundeinkommen vermindert um die Steuerschuld. Übersteigt die Steuerschuld das Grundeinkommen, muss die Differenz als Steuerzahlung beglichen werden.
Ist das BGE nicht auf Existenzsicherung ausgelegt, wird es manchmal auch als »partielles Grundeinkommen« bezeichnet. Es deckt die existenzsichernden Mindestbedarfe dann nur zum Teil.
In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl von BGE-Modellen und -Konzepten zur Diskussion gestellt worden. Hier werden vor allem jene Vorschläge näher betrachtet, die eine gewisse öffentliche Beachtung gefunden haben, und die auch die Gestaltung des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme sowie Finanzierungsfragen in den Blick nehmen.5 Unterscheiden lassen sie sich vor allem im Hinblick auf die politische Zielsetzung, und im Folgenden sollen idealtypisch sozialutopische Konzeptionen und neoliberale Konzeptionen einander gegenübergestellt werden. Diese beiden Konzeptionen unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf die konkrete Höhe des BGE und auf die Frage, welche weiteren Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik empfohlen werden.
Sozialutopische BGE-Modelle wollen Existenz und gesellschaftliche Teilhabe durch ein entsprechend hohes Grundeinkommen sichern. Daneben soll der bestehende Sozialstaat ausgebaut und eine generelle Umverteilung von unten nach oben erreicht werden. Die Bezeichnung wird hier bewusst gewählt, da die entsprechenden Vorstellungen einen sozialen Ausgleich der Gesellschaft anvisieren. Sie sind allerdings auch utopisch, da ihre Umsetzung aus verschiedenen, in den folgenden Kapiteln noch zu erläuternden Gründen nicht funktionieren kann.
Im Gegensatz zu sozialutopischen geht es neoliberalen BGE-Konzeptionen um das Aufbrechen »inflexibler Arbeitsmärkte« und damit um die Senkung von Arbeitskosten. Zwar reklamieren auch neoliberale BGE-Modelle ein Streben nach sozialer Gerechtigkeit für sich. Im Kern geht es aber darum, ganz im Sinne wirtschaftsliberaler Ideen Arbeitsmärkte etwa durch die Beseitigung des Kündigungsschutzes zu flexibilisieren und Lohnkosten zu verringern. Die Sinnhaftigkeit von Tarifautonomie und Flächentarifverträgen sowie sozialen Sicherungssystemen wird dabei grundsätzlich in Frage gestellt. Zudem streben neoliberale BGE-Modelle weitreichende Veränderungen im Bereich der Steuerpolitik an, die hohen Einkommen und Vermögen zu Gute kämen – hierauf werden wir im 4. Kapitel ausführlich zu sprechen kommen.
Von den im Bundestag vertretenen Parteien gibt es in der Partei DIE LINKE und in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN relevante Debatten oder konkrete Vorschläge zur Einführung eines BGE. Die FDP will zwar in Anknüpfung an die Idee einer negativen Einkommensteuer die steuerfinanzierten Sozialleistungen in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen. Selbstverdientes Einkommen soll auf dieses liberale Bürgergeld angerechnet werden.6 Da das liberale Bürgergeld allerdings nicht bedingungslos gewährt wird, ist es nicht als BGE-Modell zu qualifizieren und wird hier auch folglich nicht behandelt. Eingegangen wird hingegen kurz auf den Diskussionstand zum BGE bei den Globalisierungskritiker_innen von Attac. Die Modelle von der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Attac möchte ich im Folgenden als sozialutopisch charakterisieren.
In der Partei DIE LINKE hat sich im Jahr 2005 eine Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Grundeinkommen gebildet, die parteiintern ein nicht zu unterschätzendes Gewicht hat. Zwar gehört die Forderung nach einem BGE nicht zum Parteiprogramm, aber mit Katja Kipping steht eine bekennende BGE-Anhängerin an der Spitze der Partei. Im Oktober 2016 hat die BAG Grundeinkommen das von ihrem Sprecher Stefan Wolf ausgearbeitete Konzept eines »emanzipatorischen Grundeinkommens« verabschiedet, das sowohl eine Variante als Sozialdividende und eine andere Variante als negative Einkommensteuer enthält.7 Das Modell zielt – flankiert durch weitere Maßnahmen – auf eine Umverteilung von oben nach unten ab und soll darüber hinaus sowohl »die freie Verfügung jedes Menschen über sein eigenes Leben als auch die schrittweise Überwindung der Marktverwertungsabhängigkeit des Menschen ermöglichen.«8 Arbeitszwang wird abgelehnt, Verhandlungsmacht und Autonomie der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften werde, so die von der BAG vertretene Meinung, hingegen durch ein Grundeinkommen gestärkt: Ihr BGE-Vorschlag begünstige »die erfolgreiche Durchsetzung von Mindestlöhnen und Arbeitszeitverkürzung, ebenso die ökonomische Besserstellung und Unabhängigkeit der Frauen.«9 Gefordert wird ein BGE in Höhe von 1.080 Euro für Personen ab 16 Jahren und in Höhe von 540 Euro für Personen bis 16 Jahre. Das Kindergeld wird abgeschafft. Parallel zum BGE sind weitere umfangreiche Maßnahmen wie die Erhöhung des allgemeinen Mindestlohns auf 10 Euro – perspektivisch auf 12 Euro – sowie die Umgestaltung der Kranken- und Pflegeversicherung zu einer gesetzlichen Bürger_innenversicherung vorgesehen. Bürger_innenversicherungsmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass den Beiträgen alle Einkunftsarten (Löhne, Gewinne, Einnahmen aus Mieten usw.) zu Grunde liegen und alle Bürger_innen in die Kranken- oder Pflegeversicherung einzahlen. Im Krankheits- oder Pflegefall stehen dann allen Versicherten die gleichen Leistungen zu.
Neben den LINKEN bilden die BGE-Befürworter_innen in der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls eine relevante Strömung, die sich im Jahr 2007 im zusammengeschlossen hat.10 Das Netzwerk sieht im BGE »eine zentrale Antwort auf die ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit«.11 Erklärtes Ziel ist es, »die politischen Entscheidungen innerhalb der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens auf den Weg zu bringen.«12 Mit Blick auf das im Herbst des Jahres 2020 angestrebte neue Grundsatzprogramm hat das Netzwerk im März 2019 ein Positionspapier verabschiedet.13 In diesem wird ein BGE gefordert, das »Existenz sichern sowie die kulturelle, soziale und politische Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen«14 soll. Das grüne BGE zielt u. a. darauf ab, sich anderen, nicht bezahlten Tätigkeiten wie Ehrenamt, Pflegearbeit oder Kindererziehung ausreichend widmen zu können. Einhergehen soll die Einführung des BGE, die allerdings »behutsam« zu gestalten sei,15 mit der Entwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer »Arbeitsversicherung«, die insbesondere Angebote zur Weiterbildung bereitstellt. Außerdem sollen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu Bürger_innenversicherungen werden. Des Weiteren wird ein Ausbau der öffentlichen, barrierefreien Infrastruktur angestrebt.
Eine genaue Höhe für das grüne BGE wird in dem Positionspapier nicht genannt, auch zur Finanzierung gibt es keine Ausführungen. Ein konkreter Vorschlag findet sich allerdings in einem Beschluss der Grünen Jugend Hessen aus dem Jahr 2017:16 Gefordert wird hier ein Grundeinkommen in einer Höhe von monatlich 1.000 Euro für alle Bürger_innen, Kinder sollen 500 Euro pro Monat erhalten. Das BGE soll in Form einer negativen Einkommensteuer ausgezahlt werden.
Auch in der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac gibt es eine breite Strömung, die für ein Bedingungsloses Grundeinkommen wirbt. Zusammengeschlossen haben sich die BGE-Befürworter_innen in der AG , deren konzeptionelle Vorstellungen in einem Positionspapier zusammengefasst sind.17 Danach strebt die Attac-AG ein BGE an, das die Existenz sichert und eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Die Höhe des BGE soll die Pfändungsfreigrenze nicht unterschreiten – diese...




