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E-Book, Deutsch, 276 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

Ehmann Die Kirchen der Union

Geschichte – Theologie – Perspektiven

E-Book, Deutsch, 276 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

ISBN: 978-3-374-06166-2
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Union zwischen Lutheranern und Reformierten am Anfang des 19. Jahrhunderts wird unterschätzt, ihre prägende Funktion für die meisten Landeskirchen in Deutschland ist meist unbekannt. Vermittlungstheologie und Liberalismus schufen unterschiedliche theologische Systeme innerhalb der Union, die historischen Respekt verdienen. Zugleich steht der Unionsgedanke heute im engen Zusammenhang von Ökumene, Bekenntnis und Entwicklung vor neuen Herausforderungen in den Verständigungsprozessen der 'Uniting Churches'.
Das Buch gibt eine Übersicht über die Geschichte der deutschen Unionskirchen, Theologien und Theologen. Dazu treten Fallbeispiele zur Unionsgeschichte aus allen Kontinenten sowie eine Studie zur Rolle der Unionskirchen heute.

The Churches of the Union. History – Theology – Perspectives
The union between Lutherans and Reformed at the beginning of the 19th century is underestimated, its formative function for most regional churches in Germany is mostly unknown. Mediation theology and liberalism created different theological systems within the Union that deserve historical respect. At the same time, the idea of the Union today faces new challenges in the communication processes of the so-called 'Uniting Churches' in the context of ecumenism, confession and development.
The book gives an overview of the history of the German Union Churches, of theologies and theologians. In addition there are case studies on the history of the Union from all continents as well as a study on the role of the Union Churches today.
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1. Kirchenfriede (Irenik) – Konkordie – Union Unter Union soll im Folgenden verstanden werden1 die vertragsweise, sanktionierte und rezipierte Vereinbarung bekenntnisverschiedener protestantischer Kirchen zum Zweck einer Kirchbildung. Die Problemstellung umfasst dabei sowohl die Lehre (Bekenntnis) wie auch die Frage der Kirchenverfassung. Zu beidem sind Riten und Gottesdienstordnungen ebenso zu zählen wie die spezifischen Unionskatechismen des 19. und (teils) 20. Jahrhunderts. Die vorgetragene Definition ist weitreichend, sie beschreibt damit zugleich den Horizont, vor dem eine kurzgefasste Darstellung der Unionskirchen im Rahmen einer Kirchenkunde allein möglich ist. Weder geht es im Folgenden um die Darstellung der Religionsgespräche,2 sei es (nach heutigem Verständnis) interkonfessionell oder ökumenisch (etwa evangelisch-katholisch oder evangelisch-orthodox), noch allgemein um die Vor- oder Frühgeschichte der ökumenischen Bewegung, auch nicht um eine Geschichte der kirchlichen Unionsversuche.3 In historischer Perspektive bedeutet dies: Gegenstand sind nicht die Reichsreligionsgespräche des 16. Jahrhunderts und auch nicht die Initiativen einzelner Theologen oder Fürsten im 17. oder 18. Jahrhundert. Auf letztere kann nur im Rahmen einer »Vorgeschichte« hingewiesen werden. Freilich muss hinsichtlich der im Weiteren auch zitierten Literatur berücksichtigt werden, dass Charakterisierungen wie Union, Irenik oder Konkordie oft vice versa Gebrauch finden. Unionskirchen (nach dieser Definition) entstehen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Folge der Neuordnung des Reiches durch den Wiener Kongress (1814/15). Eben darin unterscheiden sich die Kirchbildungen der Union kategorial von den Gründungsgeschichten der »jungen« Unionskirchen, deren Ursprünge in Missionskirchen zu suchen sind (Asien, Afrika), wie auch von Unionskirchen in Amerika. Letzteres wird am gegebenen Ort dargestellt werden.4 Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, Trennungs- und Einigungsmomente in der (deutschen bzw. europäischen) Kirchengeschichte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zumindest anzudeuten und die Marksteine zu benennen. Recht, Pflicht und auch Problematik eines solchen Vorgehens sind gut zu erfassen in den Ausführungen John Webster Grants zum Thema: »Obwohl sich die Kirchenunionen weithin nicht nur in Einzelheiten, sondern auch in der allgemeinen Ausrichtung unterschieden, ist ihnen fast allen ein Merkmal gemeinsam: Ihre Verfechter haben sie nie als beziehungsloses Gebilde verstanden, sondern als Stufen auf dem Wege einer noch umfassenderen Einheit. Jedesmal, wenn eine solche Union zustande gekommen war, zeichneten sich ihre Gründungsfeiern durch Reden aus, die auf ein noch entfernteres Ziel hinwiesen. Wenn auch den unierten Kirchen viele charakteristische Merkmale eine Denomination oder Konfession fehlen und sie auch nie als solche betrachtet werden wollten, so wissen sie doch um ihre Verwandtschaft untereinander, die sich auf eine[] gemeinsame[] Sicht der endgültigen Bestimmung der christlichen Kirche gründet.«5 Damit ist zu Recht der Zusammenhang von Union und Ökumene benannt. Dennoch wären die Unionen damit unterbestimmt, dass sie nur »nach vorne« geblickt hätten. Zumindest für die deutschen Unionen wird man behaupten dürfen, dass sie – mag man ihr Bekenntnisverständnis teilen oder nicht – in gleicher Weise insofern notwendig auch »rückwärts« blickten, als sie versuchten, innerevangelische Trennungen der Vergangenheit konstruktiv zu überwinden; d. h. ehemals Kirchentrennendes liegen zu lassen oder zu relativieren (bspw. die reformierte Prädestinationslehre) und ggf. auch im Bekenntnis zu bewältigen (Abendmahl). Damit nicht genug: Nicht nur sollten neue verbindende Formulierungen alte und trennende überwinden, sondern – ein nicht zu unterschätzender Anspruch! – darüber hinaus zum Ausdruck bringen, dass ursprünglich Gemeintes, das sich trennend ausgewirkt hatte, im nun gemeinsam Ausgesagten und Aussagbaren erst zu seinem Ziel gekommen war. Dass sich im Geiste der Spätaufklärung und des theologischen Liberalismus, aber auch der Vermittlungstheologie bezüglich der Union eine Zielbestimmung der Reformation formierte, muss zumindest als Anspruch ernst genommen werden. Bis in die jüngere Vergangenheit hinein wird dabei (unter Zurückstellung der historisch-politischen Faktoren der Unionsbildung) die Geschichte der deutschen Unionskirchen als Durchbruch zur Reformation und damit zur Bibel und wiederum damit als Weg zur Einheit der Kirche verstanden.6 Ein solches Verständnis dürfte sich freilich eher einer (legitimen) ökumenischen Programmatik verdanken als dem historischen Befund zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Einzelfragen, die im internationalen Kontext zu bedenken sind, waren naturgemäß ganz andere. Grant (ebd.) verweist auf die unterschiedlichen Sachebenen, die mit den Grundüberzeugungen der an einer Union beteiligten Kirchen zu beschreiten waren: Kirchenverfassung (reformiert-methodistisch), Gemeindeprinzip (kongregationalistisch), Amt (anglikanisch), vor allem aber Abendmahl (reformiert-lutherisch). Es wäre aber ein Missverständnis, wenn man annähme, dass im deutschen Kontext nur um ein gemeinsames Abendmahlsverständnis in der Union gerungen worden sei. Als Kindern des 19. Jahrhunderts stellte sich jeder Unionsbildung keineswegs nur die Abendmahlsfrage als wesentlich für die Kircheneinheit zu Beginn, sondern eben auch Verfassungsfragen bis zur Ausbildung des Gemeindeprinzips in der Mitte des Jahrhunderts. Die Unionen – das sei zunächst als Hypothese hier formuliert – waren selbst dynamisch. Sie blieben nicht etwa stehen bei einem defizitären Bekenntnis(begriff) der Spätaufklärung, sondern entwickelten (auch unter dem Einfluss der Erweckung) das Programm einer bekenntnisorientierten (»positiven«) Union. Freilich wurde dieses im dritten Drittel des 19. Jahrhunderts von einer schon angedeuteten Nähe von Union und Liberalismus abgelöst, die das Verhältnis konservativ-lutherischer Kirchen zur Union, aber auch von Gruppen und Bewegungen in der Union als quasi »bekenntnisschwachem« Raum belastet hat – mit Fernwirkungen bis in den Kirchenkampf des 20. Jahrhunderts. Die folgende in Konzentration auf die Kirchengeschichte Deutschlands gebotene historische Übersicht7 – die Lehrfragen sind dem Teil B vorbehalten – setzt entsprechend ein mit der Krise des Protestantismus seit dem Wormser Religionsgespräch von 1557 und skizziert die konfessionelle Konsolidierung des Luthertums wie die reichsrechtlich bestrittene des (deutschen) Reformiertentums bis zur Mitte der 1580er Jahre (1.1.). In den folgenden Abschnitten (1.2. und 1.3.) werden die Grundzüge der reformierten bzw. lutherischen Irenik bis zum 17. Jahrhundert benannt. Es folgen Hinweise auf konkordistisch-unionistische8 Konkretionen (1.4.). Teil 2 umfasst die preußischen Unionen im Gebiet der preußischen Kirche (einschließlich der Rheinprovinzen). Der dritte Teil (3.) soll die südwestdeutschen Unionen in ihrer spezifischen Prägung veranschaulichen. 1.1. Das Zeitalter des Konfessionalismus
Die im Wormser Religionsgespräch (1557)9 zu Tage tretende Uneinigkeit des Protestantismus führte zu einem doppelten Ergebnis: Zum einen profilierte sich mit dem Weimarer Konfutationsbuch (1559) ein sich dem Erbe Luthers in besonderer Weise verpflichtetes Luthertum sächsisch-weimarischer Prägung, dessen Zielrichtung einer Wahrung der Einheit der Kirche mittels klarer Lehraussagen und expliziter Verwerfung der Gegenlehren sich auch niedersächsische und Hamburger Theologen anschlossen. Zum andern prägten insbesondere Melanchthon und die Wittenberger Theologen eine vermittelnde Lehrauffassung, wie sie v. a. im Frankfurter Rezess 1558 zum Ausdruck kam.10 Dass die Anerkennung des Rezesses und seine Fortführung bei Naumburger Fürstentag 1561 scheiterten, war in den seit Luthers Tod (1546) sich immer weiter und schärfer kontrastierenden Lehrunterschieden hinsichtlich der Lehrfragen zur Rechtfertigung, zum Abendmahl und seit den 1550er Jahren auch zur Christologie begründet.11 Philippistische Anschauungen zum Abendmahl erwiesen sich insofern problematisch, als – wie der Bremer und vor allem der Heidelberger Abendmahlsstreit (1559 f) zeigen – Anhänger Melanchthons eine offene Flanke zum Reformiertentum aufwiesen. Als Beispiele können der Bremer (dann dort entlassene) Theologe Albrecht Hardenberg ebenso dienen, wie die reformierte Interpretation des Heidelberger Abendmahlsgutachtens Melanchthons (1559), das für den Übergang der Kurpfalz zum Reformiertentum eine katalytische Wirkung entfaltete. Hinter dieser Entwicklung stand, insbesondere in der Lehre vom Abendmahl, eine Interpretationsgeschichte der CA, die deren Überarbeitung im Geist der Wittenberger Konkordie von 1536 (CA variata 1540), der »Wiederholung« der CA in der Confessio Saxonica (1551) durch Melanchthon integrierte und (deshalb ist sie hier zu nennen) auch für die zu Beginn des 19. Jahrhunderts allein noch zwischen Luthertum und Reformiertentum strittige Frage eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte.12 Die mit der Konkordienformel (FC 1577) und dem Konkordienbuch (1580) vollzogene Konsolidierung des Luthertums schied die radikalen Formen des Luthertums (Erbsündenlehre des Matthias Flacius) wie den Philippismus aus, vor allem aber verwarf sie das reichsrechtlich (Augsburger Friede 1555) nicht gesicherte Reformiertentum. Damit war die Grundlage der...


Ehmann, Johannes
Johannes Ehmann, Dr. theol., Jahrgang 1958, studierte Evangelische Theologie in Berlin, Jerusalem, Göttingen, Tübingen und Heidelberg. Er ist apl. Professor an der Universität Heidelberg, wo er neuere und territoriale Kirchengeschichte lehrt. Er ist u. a. Mitglied in der Lutherakademie Sondershausen-Ratzeburg, der Luthergesellschaft, dem Verein für Reformationsgeschichte und der Gesellschaft für evangelische Theologie. Ehmann ist Vorsitzender des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden. 2006 erhielt er den Lutherpreis.


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