E-Book, Deutsch, Band 8, 300 Seiten
Reihe: Kommissar Berger
Ehlers Fantom
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95441-571-7
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 8, 300 Seiten
Reihe: Kommissar Berger
            ISBN: 978-3-95441-571-7 
            Verlag: KBV
            
 Format: EPUB
    Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jürgen Ehlers wurde 1948 in Hamburg geboren und lebt heute mit seiner Familie auf dem Land. Seit 1992 schreibt er Kurzkrimis, die in verschiedenen Verlagen im In- und Ausland veröffentlicht wurden, und ist Herausgeber von Krimianthologien. Er ist Mitglied im 'Syndikat' und in der 'Crime Writers' Association'. Sein erster Kriminalroman Mitgegangen wurde in der Sparte Debüt für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert.
Autoren/Hrsg.
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Was hast du eigentlich nach der Fremdenlegion gemacht?«, fragte Waltraud.
»Arbeit gesucht«, brummte Alexander. »Ich habe alles Mögliche versucht. Eine ganze Weile habe ich im Süden gearbeitet, in Pforzheim, aber das gefiel mir nicht. Geheiratet habe ich auch gleich nach meiner Rückkehr aus der Fremdenlegion, aber das war auch nicht das Richtige. Ich habe dann sehr schnell gemerkt, dass wir zwei nicht zusammenpassten.«
»Aber das hast du erst gemerkt, als du schon verheiratet warst?«, bohrte Waltraud nach.
Alexander ärgerte sich. Er liebte es nicht, wenn Waltraud bei Dingen nachfragte, über die er am liebsten schwieg. Aber er riss sich zusammen. »Es war ein Fehler«, sagte er. »Ich habe eine ganze Reihe von Fehlern gemacht in meinem Leben, und ein solcher Fehler war meine erste Ehe. Meine Frau sah gut aus. Wir hatten uns beim Tanzen kennengelernt. Wir haben uns auf Anhieb verstanden. Zumindest hatte ich das damals geglaubt. Ich war blind, Waltraud. Ich brauchte einen Ort, irgendeinen Ort auf der Welt, an dem ich mich zu Hause fühlen konnte. Aber ich habe dann doch sehr bald gemerkt, dass diese Ehe jedenfalls nicht der richtige Ort war.«
Es wurde dunkel. Waltraud drehte den Lichtschalter. »Die eine Birne ist defekt«, sagte sie. »Aber die Lampe hat ja zwei Birnen.«
»Ja.« Alexander ging zum Kühlschrank und holte sich die nächste Flasche Bier. Am liebsten hätte er sie mit den Zähnen aufgebissen, wie sie es in der Legion gemacht hatten, aus Angabe, aber ihm war klar, dass das schlecht für die Zähne war, und außerdem glaubte er zu wissen, dass Waltraud von derartigen Mätzchen nichts hielt.
»Und dann hast du Olga kennengelernt«, sagte Waltraud. Sie wollte mehr hören.
»Ja«, sagte Alexander nur. Er trank einen Schluck Bier, schob Waltraud die Flasche hin: »Willst du auch?«
Waltraud schüttelte den Kopf.
Alexander schwieg eine Weile. Schließlich sagte er: »1958 war das, da habe ich die Olga kennengelernt. Diesmal war ich schlauer. Diesmal habe ich die Frau, die ich mochte, nicht sofort geheiratet, sondern erst einmal abgewartet, wie wir zusammen auskamen. Alles schien perfekt. Ich hatte inzwischen den Führerschein für alle Klassen, und jetzt war es plötzlich kein Problem mehr, Arbeit zu finden. Dann wurde Olga schwanger, und im April 1959 haben wir geheiratet. Und dann waren wir plötzlich zu dritt. Die Olga, die hatte vorher in einem Zeuggeschäft an der Kasse gearbeitet, aber das ging nun natürlich nicht mehr mit dem Säugling, und so mussten wir alle von meinem Geld leben, und das war wenig genug.«
Waltraud nickte. Wie wenig Geld es war, was Alexander von der Arbeit nach Hause brachte, das hatte sie selbst inzwischen am eigenen Leib erfahren.
»Die Olga, das war ein ganz anderes Kaliber als meine erste Frau«, sagte Alexander. »Sie war sieben Jahre älter als ich. Sie wusste genau, was sie wollte, und sie hatte klare Vorstellungen vom Leben. Aber sie wollte mehr, als ich ihr bieten konnte. Viel mehr. Immer wieder gab es Streit um das Geld. Schließlich habe ich mich scheiden lassen. Ich musste zahlen. Unterhalt für den Kleinen, neunzig Mark im Monat.«
Waltraud zögerte. »Das ist wohl berechtigt«, sagte sie schließlich. War das zu viel? Nein.
»Das hätte ich ja auch gern bezahlt. Aber die Olga, die verlangte auch Geld für sich selber. Das Amtsgericht Neuhaus/Oste hat mich dann zu einer Unterhaltszahlung von hundertzwanzig Mark im Monat verurteilt. Auch das wäre noch möglich gewesen. Aber der Olga hat das noch immer nicht ausgereicht. Sie hat das Urteil angefochten. Und in zweiter Instanz bin ich dann vom Landgericht Stade zu einer monatlichen Zahlung von zweihundert D-Mark an Olga verurteilt worden, zuzüglich der neunzig an Rainer. Hinzu kam eine Nachzahlung von siebentausendsechshundert Mark.«
»Einige Leute können einfach den Hals nicht vollkriegen«, sagte Waltraud. »So viel Geld hast du doch gar nicht.«
»Nein.«
»Und was jetzt?«
Alexander seufzte. »Irgendwie kommen wir schon klar.« Dass Olga mit Lohnpfändung gedroht hatte, sagte er lieber nicht.
Waltraud war besorgt. Seine Erfindung, dachte sie. Er hofft auf seine Erfindung. Die soll das große Geld bringen. Einen großen Teil seiner Wochenenden brachte er in seinem Schuppen zu, hämmerte und sägte. Waltraud wusste nicht, was es war, woran er bastelte. Aber er wollte es zum Patent anmelden, das war sein Ziel.
Waltraud und Alexander hatten 1964 geheiratet. Auch Waltraud hatte Schulden mit in die Ehe gebracht. Ratenzahlungen für Kredite, die ihr geschiedener Mann aufgenommen hatte. Mit Alexander hatte sie inzwischen zwei Söhne, drei und vier Jahre alt. Das Haus in Altenbruch hatten sie im September 1966 gekauft, für achtundzwanzigtausend D-Mark. Einiges Geld hatte er von Arbeitskollegen geliehen. Die erwarteten natürlich, dass sie es irgendwann zurückbekamen. Dobruck hätte es ihnen auch gern zurückgezahlt, am liebsten alles auf einmal, aber notfalls auch in kleinen Raten, wenn er sich das hätte leisten können. Aber das Geld war schlicht und ergreifend nicht da.
»Ich brauche Geld zum Einkaufen«, sagte Waltraud.
Alexander nickte. Er griff in die Hosentasche. Er fühlte ein paar Münzen und einen Schlüssel. Den hätte er längst wegwerfen sollen. Er gab Waltraud das Geld.
Horst hatte sich getraut. Er hatte in der Kreissparkasse in Bad Segeberg angerufen und gesagt, er wolle Irmi gern zum Essen einladen. Und Irmi hatte zugestimmt.
»Heute Abend?«
»Ja. Ich frage, ob ich früher Schluss machen kann.«
Jetzt stand Horst draußen vor der Sparkasse und rauchte. Eigentlich hatte er sich das Rauchen abgewöhnen wollen, und fast hätte es auch geklappt, aber als sich dann Irmi von ihm getrennt hatte, da hatte er alle guten Vorsätze über Bord geworfen. Da kam sie schon.
»Hallo!«, sagte sie.
Horst drückte die Kippe aus, sammelte sie vom nassen Pflaster auf und warf sie in den Papierkorb. Und jetzt? Was sollte er sagen?
Irmi räusperte sich. »Es tut mir leid«, sagte sie.
»Was tut dir leid?«
»Alles. Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Es tut mir leid, was ich dir alles an den Kopf geschmissen habe. Nach allem, was die Zeitungen damals geschrieben haben, da war ich so unglaublich böse auf die Presse und auf die Polizei und auf die ganzen sogenannten braven Bürger, die keine Ahnung davon haben, wie es sich anfühlt, wenn alle über einen herfallen, und dabei ist man vielleicht einfach nur die Frau eines Kriminellen, die gar nicht gewusst hat, was ihr Mann treibt, oder die einfach nicht nachgefragt hat. Oder man ist vielleicht ein kleines Kind, ein Mädchen von neun Jahren, das plötzlich in der Schule ausgegrenzt und verspottet wird. Die Tochter des Bankräubers!«
»Ich wollte niemandem wehtun«, sagte Horst. »Aber manchmal geht es nicht anders. Die Banküberfälle mussten aufhören, und das haben wir immerhin erreicht. Was solch eine Verhaftung für Schäden anrichtet in der Umgebung des Täters, das erfahren wir meistens gar nicht. Und wenn wir es doch erfahren, dann sind unsere Möglichkeiten begrenzt, helfend einzugreifen. Da sind so viele, die Betreuung nötig hätten, aber …«
»Du hast mehr getan als die meisten«, widersprach Irmi.
»Warum glaubst du das?«
»Du hast dafür gesorgt, dass das kleine Mädchen aus der Schusslinie genommen worden ist. Du hast mit diesem Journalisten gesprochen, der die Sache in die Zeitung gebracht hat, und das Mädchen ist nach Schweden gekommen – jedenfalls für die Zeit, bis der Prozess vorbei war und bis sich alle wieder beruhigt hatten.«
Horst sah Irmi verblüfft an. »Woher weißt du das?«
»Jemand hat es mir geflüstert«, sagte sie.
»Jemand?« Wer konnte das gewesen sein?
»Ein kleiner Mann hat es mir anvertraut«, sagte Irmi.
»Ein kleiner Mann? Pagels?«
Irmi nickte.
»Wilfried ist ein großartiger Kerl. Er ist jemand, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann. Jemand, der einem nicht nach dem Munde redet. Er ist jemand, der mich zur Rede stellt, wenn er glaubt, dass ich etwas falsch gemacht habe. Meistens hat er recht. – Aber wie hat er das gemacht? Er kennt dich doch gar nicht.«
Irmi widersprach. »Er kennt mich sehr wohl. Weißt du nicht mehr, dass er dich damals aus dem Kino geholt hat, als wir zum ersten Mal gemeinsam einen Film sehen wollten? Wegen...




