Edgerton | Der Vergewaltiger | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 40, 158 Seiten

Reihe: Pulp Master

Edgerton Der Vergewaltiger


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-927734-73-9
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 40, 158 Seiten

Reihe: Pulp Master

ISBN: 978-3-927734-73-9
Verlag: PULP MASTER
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wegen Vergewaltigung und Mord an einer jungen Frau aus seinem Heimatdorf sitzt Truman Ferris Pinter im Todestrakt eines Gefängnisses und wartet darauf, gehängt zu werden. Die Vergewaltigung gesteht er, nicht aber den Mord. Pinter schwört, das Opfer sei später am Ufer eines Flusses ausgeglitten und dann ertrunken. In den wenigen Stunden, die ihm noch bleiben, doziert der intellektuelle Misanthrop geistreich über sein Leben und die Tat und stellt provozierende Thesen auf. US-Noir-Autor Les Edgerton führt uns auf irreführenden Schleichwegen in das Bewusstsein seines Protagonisten wie einst Camus oder Nabokov und lässt uns unbemerkt Teil seines düsteren literarischen Experimentes werden.

Les Edgerton hat einen etwas unkonventionellen Hintergrund für einen Literaten. Bevor er seinen Abschluss an der Indiana University in South Bend machte, sich mit creative writing beschäftigte und fünfzehn Bücher veröffentlichte, hatte der in Odessa, Texas, geborene Edgerton les-edgerton-autorüber vier Jahre in der Navy zugebracht und wegen Einbruchs, bewaffneten Raubüberfalls und versuchter Hehlerei zwei Jahre im berüchtigten Pendleton Reformatory abgesessen. Mittlerweile lebt der Vater zweier Töchter aus früherer Ehe mit Frau und Sohn in Ft. Wayne.

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Weitere Infos & Material


Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Der erste Brief des Paulus an die Korinther 13:12
Kapitel zwei
Die Vergangenheit
... gleite; ich fliege. Hoch, hoch über dem blaugrünen Planeten. Im Sturzflug geht’s hinab, tief hinab, und siehe, da ist ein Haus. Es ist türkisfarben und hat weiße Fensterläden und einen weißen Lattenzaun. Norman Rockwell hat es hier platziert, damit ich es wahrnehme. Ich sage »wahrnehme«, weil es kein richtiger Traum ist und auch nichts, was in Echtzeit geschieht. Es ist eine Wahrnehmung. Das Haus kommt mir bekannt vor. Ja, klar. Kein Wunder. Es ist mein Haus. Das Haus, wo ich aufgewachsen bin und mein ganzes Leben verbracht habe. Ich nähere mich. Nicht das, was ich machen möchte. Ich möchte hier verschwinden, anderswohin fliegen – egal wohin. Hier ist es hell und sonnig und Unheil liegt in der Luft. Ich will Frieden und Dunkelheit. Es ist, als würde ich von etwas angetrieben, mich zu nähern. Ich vermag nicht zu sagen, wie ich fliege, wie die mechanischen Abläufe sind. Ich kann weder meine Arme sehen noch meine Beine oder einen anderen Teil meines Körpers und soeben bin ich durch einen Baum hindurchgeflogen, ohne etwas dabei empfunden zu haben. Ich habe gedacht, ich könne es tun, und habe es getan. Das kann nur bedeuten, dass ich amorph bin, nur habe ich in jeglicher Hinsicht das Gefühl, in einem Körper zu stecken. Es ist befremdlich. Ich spüre, dass ich gegen diese Macht, die mich führt, ankämpfen sollte, aber der Teil von mir, der sich widersetzt, scheint vorauszugleiten oder hinter mir her. Er gehört zu mir, aber nicht direkt, mehr so als sei eine zarte, silberne Schnur die Verbindung zwischen uns. Jetzt bin ich im Haus. Die Dinge sind von eigenartiger Kontinuität – die Ereignisse reihen sich aneinander, aber in Schüben. Ich blinzle und bin im nächsten Einzelbild des Films. Ja. Das ist mein Haus. Genauer gesagt, das war mein Haus. Die Gegenstände darin gehören meiner Mutter. Ich hatte sie vor langer Zeit ausrangiert und durch weniger Scheußliches ersetzt. Da steht ihre eklig braune Couch und der dazu passende Stuhl, zwei Klumpen Müll, wie durchgeweicht und zusammen mit einem ab­scheulichen olivgrünen Sitzsack in das Wohnzimmer ge­kippt. Ich hatte vergessen, wie sehr ich dieses Zimmer verabscheue. Der Teppich hat die Farbe einer auf dem Gehweg zertretenen Raupe. Es ist nicht möglich, ein genaues Bild vom fürchterlichen Anblick dieses Zimmers zu zeichnen. Es ist ein Albtraum. Wie? Da ist meine Mutter. Das kann nicht sein. Sie ist seit vierundzwanzig Jahren tot ... aber sie ist da. Ich hatte ihre Gesichtszüge gar nicht mehr in Erinnerung, aber erkenne sie jetzt. Ihr Gesicht ist riesig. Sie schaukelt. In diesem Schaukelstuhl, der die Farbe von Innereien hat. Wie ich mich an diesen Stuhl erinnere! Sie hält etwas in den Armen. Gerade hat sie den Kopf hinuntergebeugt und es geküsst. Es ist ein kleines Kind! Mir wird übel. Flau, als müsste ich mich übergeben. Ein Gefühl der Angst überfällt mich. Wie kommt sie zu einem Baby? Soweit ich weiß, war ich das einzige Kind, das sie hatte. Ich werde genötigt, mich ihr noch mehr zu nähern. Kann sie mich nicht sehen? Ich bin knapp einen Meter entfernt ... jetzt dreißig Zentimeter. Wenn sie jetzt hochschaut ... Sie schaut hoch! Sie lehnt sich im Stuhl zurück und glotzt mich geradewegs an! Was ist da los? Nicht ein Funke des Wiedererkennens in ihren trüben braunen Augen, kein Aufblitzen. Keine Veränderung in ihnen. Ich bin’s, Mutter, rufe ich zaghaft, aber sie scheint ihr Gehör verloren zu haben. Auch ihr Sehvermögen hat wohl gelitten. Ich könnte die Hand ausstrecken und sie berühren, so nah bin ich. Meine Arme zittern. Sehen kann ich es nicht, aber spüren. Meine Kehle brennt wie Feuer und heißer, salziger Schweiß sammelt sich und strömt aus meinen Achselhöhlen und von meiner Stirn. Ich bebe und meine Zunge klebt am Gaumen. Ich bin aufgeregt und verwirrt, habe Angst. Ich will nicht sehen, was sie mit ihren Armen umklammert, aber – grausame, unsichtbare Macht! – meine Augen werden zu diesem Windelbündel gelenkt. Für einen Moment verrutscht die Decke und ich sehe ein Gesicht. Es ist mein Gesicht. Ich knirsche ... mit den Zähnen ... verdrehe ... die Au­gen. Ich verliere das Bewusstsein ... würde es gern verlieren ... aber kann es nicht. Mein Herz steht still; ich habe aufgehört zu atmen; ich bin von Dunkelheit umgeben; ich sehe nur meine Mutter und mich; ich bin hier und zugleich dort, bin Gefangener in diesem verdammten Schaukelstuhl. Ich be­komme keine Luft. Es ist die Decke; sie nimmt mir die Luft zum Atmen. Jetzt entsinne ich mich, wie sie mir die Luft zum Atmen nahm. Immer zieht Mutter mir die Decke übers Gesicht. Es ist so dunkel. Ich bin gelähmt vor Angst. Ich nässe ein und der Geruch des eigenen Urins erschreckt mich. Dann ist da der Gestank meiner eigenen Scheiße. Ich bin unsauber und schwimme in dem Zeug und über allem hängt der Geruch meiner Mutter, ihr Geruch nach Talkumpuder, Lavendel und Zwiebeln. Überall gibt sie Zwiebeln zu. Selbst in ihrer Muttermilch hinterlassen sie Spuren. Ich erinnere mich. Im Nu ist alles wieder da. Dafür hat der Zwiebelgeruch gesorgt. Ich kann dieses Gemüse nicht ausstehen, egal, ob roh oder gekocht, heiß oder kalt. Ihr Gestank durchzieht den Raum. Zwiebeln. Wie kann ich etwas riechen und zugleich meinen Körper weder sehen noch spüren? Ich bin ein Gespenst, nicht wahr? Ein Geist? So also ist es, ein Geist zu sein. Der Zwiebelgestank bringt mir den Hass zurück und der Hass den Mut. Ich gleite hinüber zum braunen Sessel und setze mich. Ich setze mich mehr aus Gewohnheit denn aus einem Be­dürfnis heraus; über meiner Mutter zu schweben ermüdet nicht. Nichts, was ich bisher gemacht habe, ist ermüdend. Brauchen Geister Schlaf? Probeweise versuche ich mich an einem Gähnen, aber das Ergebnis ist nicht eindeutig. Ich habe den Mund geöffnet, zumindest hat es sich so angefühlt, als hätte ich ihn geöffnet, aber die Wahrheit ist, dass ich es nicht mit Sicherheit sagen könn­te. Die Empfindung, die gewöhnlich das Gähnen begleitet, hat sich nicht eingestellt. Ich denke, ich werde noch dahinterkommen. Ich werde es wissen, wenn die Müdigkeit mich ereilt. Dieser Zustand bietet Vorteile, die ich bereits jetzt erkennen kann. Ich muss mich nicht darum kümmern, wo ich mein müdes Haupt bette. Ich werde nie mehr ein Bett benötigen oder ein Drittel des Tages sinnlos verschwenden müssen. Ein weiterer Gedanke kommt mir in den Sinn. Brauche ich noch Nahrung? Ich gehe mal eben andere elementare Dinge durch: Schmerz, Durst, Stuhlgang. Bin ich tatsächlich frei? Frei von all den unerquicklichen und lästigen Angelegenheiten, die derart viel Raum in unserem Leben einnehmen? Euphorie erfasst mich. Aber Moment mal. Ich befinde mich jetzt außerhalb meines Körpers, doch nur ein paar Sekunden zuvor hing ich auf ihrem Schoß und habe mich eingeschissen. Eine Erinnerung. Mehr nicht, und ich hielt sie nur für real. Mir fällt noch etwas ein. Wo sind die anderen Geister? Es ist widersinnig, dass ich hier allein bin. Unserer müssen doch Milliarden oder Billionen sein. Aber ... mir ist keiner begegnet. Wenn mein Abenteuer auch erst be­gonnen hat, so hätte ich doch mittlerweile ein oder zwei sehen müssen. Es sei denn ... Es sei denn, was? Ich habe keine Antwort. Ich schaue hinüber zu meiner Mutter, die das Bündel in ihren Armen gurrend anschmachtet. Ihr religiöses Geschwätz ist wieder präsent. Über Himmel und Hölle und Fegefeuer. Ist das hier das Fegefeuer? Wo sind die anderen? Es wäre mir gewiss nicht gestattet, auf eigene Faust um­herzuspazieren, vielmehr würde man mich zusammen mit den anderen verlorenen Seelen irgendwo in einem Raum wegsperren. Ich lache. Hier bin ich, schenke ihrem abergläubischen Gewäsch Glauben! Beinahe hätte man mich hinters Licht geführt. Es ist offensichtlich, ich bin kein freier Geist. Jemand hat mich hierhergebracht, der Macht über mich besitzt: Jemand, dessen Kräfte stärker sind als meine. Ich bin in einer anderen Welt, irgendwie, aber die Regeln sind die gleichen wie in der alten. Es existiert eine Rangordnung und ich befinde mich eindeutig auf einer unteren Stufe. Es ist wie in der alten Welt. Niemals kann man über sein Schicksal bestimmen, immer liegt es in den Händen anderer. Tja, was mich betrifft, hat man sich verkalkuliert. Es ist vollkommen unerheblich, wie sie in meinem früheren Dasein mit mir verfahren sind; hier fällt das überhaupt nicht ins Gewicht. Und wenn ich am Ende des von ihnen arrangierten Aufenthaltes diese Welt für eine weitere verlasse, so wird die vielleicht anders aussehen, die Struktur jedoch wird die gleiche bleiben. Ich denke, sie trachten...


Les Edgerton hat einen etwas unkonventionellen Hintergrund für einen Literaten. Bevor er seinen Abschluss an der Indiana University in South Bend machte, sich mit creative writing beschäftigte und fünfzehn Bücher veröffentlichte, hatte der in Odessa, Texas, geborene Edgerton les-edgerton-autorüber vier Jahre in der Navy zugebracht und wegen Einbruchs, bewaffneten Raubüberfalls und versuchter Hehlerei zwei Jahre im berüchtigten Pendleton Reformatory abgesessen. Mittlerweile lebt der Vater zweier Töchter aus früherer Ehe mit Frau und Sohn in Ft. Wayne.



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