E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
Eden Im Auftrag der Lust
11001. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8437-0031-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0031-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jasmin Eden, 1982 in Duisburg geboren, schreibt seit ihrer Studienzeit. Unter verschiedenen Namen hat sie bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Sara schob sich an den anderen Passagieren des Flugzeugs vorbei, die am Gepäckband standen. Überall die gleichen gelangweilten Gesichter von Businessmen, die auf ihre fein verpackten Anzüge und Krawatten warteten, oder Touristen, denen der Flug und die Vorfreude auf New York City deutlich anzumerken waren. Sie selbst musste nicht anstehen – Sara trug nicht mehr als ihre Handtasche bei sich, und in dieser Handtasche lag ein Scheck. Die letzte Rate ihres Gehalts, bezahlt von einem weiteren sehr glücklichen Kunden. Die Höhe der Summe auf dem Scheck war für Sara förmlich spürbar, und dieses imaginäre Gewicht ließ sie lächeln.
Beschwingt winkte sie den Zollbeamten zu, als sie an ihnen vorbei durch die Schiebetüren ging. Sie konnte die bewundernden Blicke im Rücken spüren, eine Reaktion, die Sara nur zu vertraut war und aus der sie gelernt hatte, Kapital zu schlagen. Ein sinnliches Schneewittchen, hatte ihr Exmann Jared sie immer genannt, und in der Zeit mit ihm hatte sie gelernt, das zu glauben. Immerhin waren es die nahezu weiße Haut, die langen Beine und die Kaskade aus schwarzen Locken, die ihn damals auf sie aufmerksam gemacht hatten. Sara spürte so etwas wie einen wehmütigen Stich, als die Erinnerungen vor ihrem inneren Auge vorbeihuschten, aber sie verdrängte sie schnell in die Tiefen ihres Gedächtnisses.
Vor den Milchglastüren befanden sich verschiedene Personen und warteten auf die Ankömmlinge, aber Sara ignorierte sie. Mit gezielten Schritten ging sie zum Ausgang des J. F.K- Flughafens. Ihre hohen Absätze klackten auf dem gefliesten Boden der Ein- und Ausgangshalle des Flughafens. Stimmengewirr umgab Sara, seit sie aus dem Zollbereich gekommen war, aber sie hieß die Geräuschkulisse willkommen. Sie liebte Flughäfen. Ihr rastloses Wesen konnte sich hier jederzeit auf neue und aufregende Eindrücke freuen. Hier waren alle gleich – jeder war auf dem Sprung, manche nur auf dem Weg in einen kurzen Urlaub oder einen Job, manche änderten ihr Leben. Sara mochte diesen Gedanken. Sie selbst schlüpfte auch gern in verschiedene Rollen und dank ihrer Agentur, die erotische Wünsche jeder Art und für jeden, der es sich leisten konnte, erfüllte, konnte sie ihre Rollen so oft wechseln wie ihre Wohnorte.
Ein Mann löste sich von einer Säule, an der er bisher gelehnt hatte, und kam auf sie zu. Bevor Sara die Ausgangstür erreichen konnte, schnitt er ihr den Weg ab und musterte sie durch die halbdunklen Gläser seiner Sonnenbrille. Er war groß und leger gekleidet: ein einfaches graues T-Shirt schmiegte sich an muskulöse Schultern und gab gebräunte trainierte Oberarme frei, an denen der Bizeps sich leicht wölbte. Über dem Shirt trug er eine offene schwarze Weste. Das Outfit wurde durch modische Jeans und einen leichten Bartschatten komplettiert, was ihm insgesamt das Aussehen eines Sängers oder Models verlieh. Das kurze, leicht in Unordnung geratene hellbraune Haar passte dazu – es sah aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gestiegen, nachdem er eine heiße Nacht mit irgendeinem Popsternchen oder Groupie hinter sich hatte. Sara lächelte bei diesem Gedanken. Es war unmöglich, Alan anzusehen und nicht gleich an schwitzende Körper und Haut an Haut zu denken.
Er erwiderte ihr Lächeln und nahm die Sonnenbrille ab. Azurblaue Augen funkelten Sara amüsiert an. »Wenn du so strahlst, ist wohl alles nach deiner Zufriedenheit gelaufen. War dein Kunde nicht allzu pervers?«
Saras Lächeln wurde breiter. »Eigentlich war er ganz nett«, sagte sie im Plauderton und hakte sich ganz selbstverständlich bei ihrem Geschäftspartner ein. »Und sehr pflegeleicht. Ein einfacher kleiner Quickie in mehreren tausend Metern Höhe.«
»Aha? Und sonst nichts?«
Sara zuckte mit den Schultern. »Nein. Aber unzufrieden war er nicht.«
Alan schmunzelte. »Hat er denn bezahlt?«
Sie schwenkte ihre Handtasche ein wenig und zwinkerte verschwörerisch. Alan lachte leise. »Sehr gut. Darf ich dich zur Feier des Tages zum Essen einladen?«
Sara tat, als müsste sie überlegen, auch wenn sie beide wussten, dass sie nicht nein sagen würde. Nach jedem erledigten Job war sie aufgekratzt, und es hatte sich schon als Tradition erwiesen, dass sie beide noch etwas danach unternahmen. »Ich weiß nicht«, sagte sie, während sie das Flughafengebäude verließen und in eines der gelben Taxen stiegen, die reihenweise vor dem J. F. K. warteten, um Einheimische wie Touristen in den Big Apple zu entführen. »Mir ist mehr nach Tanzen. Und einem schönen Apple Martini.«
Der Fahrer wartete geduldig, bis sowohl Sara als auch Alan sich auf die Rückbank gesetzt hatten.
»Tanzen?«, raunte Alan dabei in Saras Richtung.
»Ja«, erwiderte sie. »Oder hast du Angst, dass du dann morgen zu deinem Job zu spät kommst? Was war das noch? Ein kleines Sandwich zwischendurch?«
Alan verdrehte die Augen. »Meinetwegen, gehen wir tanzen.« Er nannte dem Fahrer eine Adresse in Manhattan, und dieser fuhr los. Sara gestattete sich, für ein paar Minuten einfach die Lichter der Stadt an sich vorbeiziehen zu lassen. Sie genoss diesen Moment, auch wenn das Taxiinnere penetrant nach billigem Reiniger und dem Lufterfrischer am Rückspiegel roch. Sara konnte endlich das Leben leben, von dem sie während ihrer Ehe geträumt hatte. Sie hatte die Agentur Petite Mort aufgebaut, kurz nachdem die Scheidung durch gewesen war. Nicht, dass sie ihren Mann nicht geliebt hätte – das war eines der Probleme gewesen. Sie hatte ihn zu sehr geliebt; sie hatte sich in den vier Jahren ihrer gemeinsamen Zeit vollkommen aufgegeben, um Jareds hörige Frau zu sein. Sie führten kaum wichtige Gespräche, passten nicht einmal zueinander, aber da war stets diese verdammte animalische Anziehung zwischen ihnen gewesen.
Sara schauderte selbst jetzt noch, sobald sie daran dachte. Jareds Nähe, sein Duft, seine bloße Berührung hatten ausgereicht, um sie wie Wachs in seinen Händen schmelzen zu lassen. Manchmal waren sie tagelang nicht aus dem Bett gekommen, und sie konnte sich sicher sein, dass Jared mit immer neuen Spielen aufwartete, um sie an ihre Grenzen zu treiben und gleichzeitig der Lust in den Rachen zu werfen. Es war intensiv gewesen, betörend, und es hatte alles von Sara abverlangt. Bis sie eines Tages einfach nicht mehr konnte. Sie war ausgebrannt und hatte instinktiv gewusst, dass sie vergehen würde, wenn sie so weitermachte. Also hatte sie mit allerletzter Willenskraft den endgültigen Schlussstrich gezogen und sich getrennt.
An die Zeit, die darauf folgte, wollte Sara nicht denken. Jared war ein einflussreicher Mann. Sie hatte damals als Coach in der Marketing-Abteilung seiner Firma gearbeitet und wusste gut genug, wen Jared durch Geld und Kontakte für sich gewinnen konnte. Dazu gehörten auch die besten Scheidungsanwälte. Er drohte, ihr alles zu nehmen, wenn sie ihn verlassen würde, und konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass Sara ihn verließ und nicht umgekehrt. Aber sie hatte sich nicht einschüchtern lassen. Dieser Rosenkrieg hatte sie nur in ihrer Entscheidung bestärkt. Anscheinend hatte etwas in ihr schon immer geahnt, was sich hinter Jareds schönem, kühlem Gesicht und den grauen Augen verbarg. Und jetzt war sie seit knapp drei Jahren wirklich frei.
Die Agentur, die sie mit viel Schweiß und Mühe aufgebaut hatte, florierte. Es gab auf der ganzen Welt genug Menschen, die geheime Wünsche und unerfüllte erotische Träume hegten und mehr als bereit waren, die Preise, die Sara und Alan für die Dienstleistungen verlangten, auch zu bezahlen. Mittlerweile lief die Agentur sogar so gut, dass Alan und Sara sich aussuchen konnten, welche Jobs sie persönlich übernehmen wollten und welche nicht. Für alles andere hatten sie eine Sekretärin und einen Stamm von mehreren »Wunscherfüllern«.
»Aufwachen, Dornröschen«, holte Alans weiche, tiefe Stimme sie in die Realität zurück, und Sara blinzelte. Das Taxi hatte vor einer unscheinbaren Gasse gehalten, in der sich eine lange Schlange von Menschen befand. Alan schob gerade das Fahrgeld durch die Klappe, die die einzige Verbindung zwischen Vorder- und Rücksitz des Taxis darstellte, die beide von einer Plastikwand getrennt wurden.
Sara blinzelte wieder und stieg dann schnell aus dem Wagen. Alan legte den Arm um sie. Es war Frühling in der großen Stadt, und auch wenn die Sonne bereits verschwunden war, war es nicht kühl. Dennoch fühlte sich Alans warmer Arm um ihre Schultern angenehm an. Sie ließ sich in die Gasse führen. Die hohen Häuserwände verschluckten das Licht der Neonreklamen. Nur wenige Lichtstrahlen waren auf den Gesichtern der Feierhungrigen zu sehen, die geduldig darauf warteten, dass der bullige Mann, der vor einer Metalltür an einer der Wände stand, sie einlassen würde. Alan nickte ihm zu. »N’abend Rick!«, rief er, und der Mann mit dem Gesicht einer Bulldogge öffnete kommentarlos die Tür, um sie hineinzulassen.
Sara hörte einige der Leute protestieren, aber das Geräusch wurde schnell von stampfenden Bässen übertönt. Bunte Lichter flackerten vor ihren Augen auf, als Alan sie in den Club führte. Er bestand aus einem einzelnen Raum, in dem sich die Tänzer aneinanderschmiegten, sich wanden und zu dem treibenden Beat der Musik zuckten. Gegenüber des Eingangs befand sich eine schmale Bar, und daneben hatte man einige Tische und Sitznischen eingerichtet. Der DJ stand auf einem erhöhten Pult und bewegte...