E-Book, Deutsch, Band 6, 472 Seiten
Reihe: Kripo Düsseldorf ermittelt
Eckert Ausgezählt
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98690-230-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Thriller - Kripo Düsseldorf ermittelt: Band 6 | Abgründige Hochspannung aus Deutschland
E-Book, Deutsch, Band 6, 472 Seiten
Reihe: Kripo Düsseldorf ermittelt
ISBN: 978-3-98690-230-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Horst Eckert wurde 1959 in Weiden in der Oberpfalz geboren. Er studierte Politikwissenschaften in Erlangen und Berlin. 15 Jahre lang arbeite er als Fernsehreporter für verschiedene Sendungen, unter anderem bei der Tagesschau. Heute ist Horst Eckert freiberuflicher Schriftsteller: Für »Die Zwillingsfalle« erhielt der Autor den renommierten Friedrich-Glauser Preis. Der Autor lebt heute in Düsseldorf. Von Horst Eckert erscheint bei dotbooks die Thriller-Reihe »Kripo Düsseldorf ermittelt« mit den Einzelbänden: »Annas Erbe«, »Bittere Delikatessen«, »Aufgeputscht«, »Finstere Seelen«, »Die Zwillingsfalle«, »Ausgezählt«, »Purpurland«, »617 Grad Celsius« und »Königsallee« Die Website des Autors: https://www.horsteckert.de/
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Kapitel 1
Gerd Janssen konnte nicht verstehen, warum sein bester Kämpfer auf diese Art seine Laufbahn beenden wollte. In achtzehn Jahren hatte er den Jungen nicht so erlebt. Bruno tänzelte, wie Janssen es ihm geraten hatte. Aber er jagte den Gegner nicht. Er wich nur aus.
Der Duisburger, ein bulliger Türke namens Ekinci, marschierte auf Bruno zu, der ihn mit einer linken Geraden empfing, nichts folgen ließ und zurückwich. Ekinci duckte sich, ging nach vorn und landete einen Haken gegen Brunos Rippen, einen zweiten ließ Janssens Schützling durch eine rasche Drehung ins Leere gehen.
Der Junge tanzte durch den Ring – eine fast perfekte Vorstellung. Auf den Zehen, im Uhrzeigersinn um den Türken kreisend. Mit ein paar linken Geraden spielte er seine Reichweite aus, ohne wirklich anzugreifen. Ekinci versuchte unter den Schlägen wegzutauchen, in die Nahdistanz zu gehen, seine Schlagkraft auszuspielen. Doch Bruno war immer woanders. Warum, zum Teufel, konterte er nicht?
Janssen spürte, dass auch das Publikum unruhig wurde.
Vor dem Gong deutete der Junge kurz an, was in ihm steckte. Links-links-rechts, zwei Schläge krachten in das Gesicht des Gegners, der zu spät die Fäuste hochriss. Bruno wich zurück, Ekinci ging nach vorn und kassierte eine weitere Kombination, die ihn wie ein Trommelwirbel an Körper und Kinn traf.
Ja! Das war es, was Janssen dem Jungen gepredigt hatte, seit er ihn als Dreizehnjährigen unter die Fittiche genommen hatte. Dominanz ausüben. Dem anderen den Rhythmus aufzwingen und ihn demoralisieren. Sobald der Gegner innerlich aufgibt, hast du gewonnen.
Die erste Runde im Kampf um die Niederrheinmeisterschaft im Halbschwergewicht der Amateure war vorbei. Wenn der Junge Glück hatte, würden die Kampfrichter sie unentschieden werten.
Janssen kletterte in den Ring und nahm Bruno den Mundschutz heraus. Wilfried, der Co-Trainer, hievte den Eimer auf das Podest und drückte den Schwamm auf Brunos Stirn aus.
»Dem Türken hab ich was zu denken gegeben«, sagte Bruno ohne Feuer in der Stimme. Als sei er mit den Gedanken woanders.
Bei seiner neuen Freundin, vermutete Janssen.
»Du hast die Runde ordentlich abgeschlossen, das war alles«, sagte er.
»Ich tanze. Das macht Eindruck auf die Richter.«
»Ach was.«
Jeden anderen Kämpfer hätte Janssen angebrüllt. Aber bei Bruno wirkte die übliche Anfeuerung nicht. Janssen spürte seine Grenzen als Trainer. Er hatte zwar die Lizenz, aber er war nicht mehr als ein sechsundfünfzigjähriger Maschinenschlosser und Exboxer, der ehrenamtlich die Aktiven des TuS Gerresheim betreute.
Er schob Bruno den Mundschutz zurück auf die Zähne, tätschelte ihm den Nacken und blickte ihm streng in die Augen, hoffend, dass er ihn damit aufrütteln würde.
»Ring frei, Runde zwei«, rief der Zeitnehmer.
Ekinci schlug die Fäuste unternehmungslustig gegeneinander. Bruno umkreiste ihn. Ein kurzer Schlagabtausch, dann hatte der Türke den Gerresheimer in der Ecke. Bruno blockte die wuchtigen Hiebe ab, so gut er konnte. Janssen fragte sich, wer da wem etwas zu denken gab.
Der Junge rettete sich in den Clinch. Der Ringrichter trennte. Bruno tanzte wieder, wich aus und griff gerade oft genug an, um nicht wegen Untätigkeit verwarnt zu werden. Janssen hielt es kaum auf der Bank. Als Sekundant musste er still bleiben – der Ringrichter war als scharfer Hund bekannt und eine Disqualifizierung war das Letzte, was Janssen für seinen Liebling riskieren wollte. Er schraubte den Flachmann auf und genehmigte sich einen Schluck zur Beruhigung.
Tänzeln und Finten. Der Gong. Ein verächtliches Abwinken des Duisburgers: Du hast nichts außer deinen flinken Beinen.
Bruno wehrte den Schwamm ab. Er wirkte frisch, keine Schramme im Gesicht. Nur seinem Atem war anzumerken, dass er in einem Finalkampf stand. Wilfried hielt ihm den Becher hin. Der Junge trank, spülte den Mund aus und spuckte in den Eimer. Janssen knetete ihm den Nacken. Der Trainer folgte Brunos Blick und entdeckte zwei leere Stühle in der zweiten Reihe – der Junge hatte sie für seine neue Freundin und einen Kollegen reserviert.
»Ist das der Grund, warum du nicht kämpfst?«, fragte Janssen.
Bruno schwieg. Er hatte die Dienststelle gewechselt und arbeitete seit kurzem meist abends oder nachts. Er konnte nicht mehr regelmäßig trainieren und für Wettkämpfe wie heute musste er sich freinehmen. Nach der Niederrheinmeisterschaft sei Schluss, hatte er Janssen erklärt. Der Trainer wusste, dass die Entscheidung nicht allein wegen Brunos Job gefallen war.
Wie so oft. Die besten Sportler hingen die Handschuhe an den Nagel, wenn die Freundin nichts für das Boxen übrig hatte. Janssen fand es schade, dass seine eigene Tochter zu jung für Bruno war. Hannah würde dem Jungen den Sport nicht verbieten.
»Mensch, zeig endlich, was du draufhast!«, quengelte Wilfried.
Bruno schielte auf die Uhr an Janssens Handgelenk.
Karen hieß seine Neue. Eine Fernsehjournalistin. In diesen Kreisen spielte man Tennis oder Golf, vermutete der Trainer. Vor Jahren hatte sich Bruno schon einmal überreden lassen, das Boxen aufzugeben. Falsche Freunde, Flausen im Kopf. Diesmal schien es endgültig zu sein. Janssen wünschte ihm Glück. Der Junge war einunddreißig. Eigentlich schien sein neues Mädel ja auch ganz nett zu sein. Aber Bruno sollte verdammt noch mal nicht auf diese Art abtreten!
Der Zeitnehmer kündigte die nächste Runde an, Janssen und sein Helfer räumten die Ecke.
Der Tanz ging weiter. Ekinci griff an, drängte Bruno gegen die Seile, wollte den entscheidenden Schlag landen. Der Junge deckte das Gesicht ab, der Türke trommelte gegen Arme und Schultern. Die Duisburger Fans feuerten ihren Kämpfer an, jetzt auch unterstützt vom Rest des Publikums, das froh war, dass etwas geschah. Bruno stieß Ekinci zurück, tänzelte durch den Ring, verfolgt von vereinzelten Pfiffen und einem bulligen Gegner, der einen Haken nach dem anderen in die Luft schlug. Janssen sah, dass der Türke müde wurde. Warum nutzte Bruno das nicht aus?
Die letzte Pause. Janssen wollte nach dem Mundschutz greifen, doch der Junge drehte den Kopf weg, nahm ihm den Schwamm ab, schob das Trikot hoch und ließ das Wasser über die roten Flecken auf seinen Rippen laufen.
Ein schlanker Blonder mit Oberlippenbart schlich durch die Zuschauerreihen und setzte sich auf einen der freien Plätze. Offenbar der Kollege aus Brunos neuer Dienststelle. Sein neuer Partner.
Janssen sagte: »Wenn du Wert darauf legst, ein schönes Gesicht zu behalten, solltest du erst gar nicht in den Ring steigen. Lass uns das Theater abbrechen. Alle sind wegen der Boxkämpfe hergekommen. Nur du anscheinend nicht.«
Bruno sah ihn finster an, als sei es die Schuld des Trainers, dass seine Karen nicht erschienen war.
Janssen versuchte es mit einer Standpauke: »Du hast einen Job, der dir Spaß macht. Du hast eine neue Freundin. Wunderbar. Sie redet dir ein, dass Boxkampf nur dummes Geklopfe sei. Okay, viele denken so. Aber ich hab dich nicht all die Jahre ausgebildet, damit du mich hier blamierst. Es ist nur die Scheißniederrheinmeisterschaft, aber da drin tut’s weh.« Er hieb sich gegen die eigene Brust. »Zweihundert Leute in dieser Halle halten dich in diesem Moment für einen Waschlappen. Wenn du schon nicht für deinen alten Trainer kämpfen willst, dann tu es für dich!«
Janssen und der Co-Trainer zogen sich auf ihre Plätze zurück. Sie beobachteten, wie Bruno seinem Kollegen zuwinkte. Der Neuankömmling hielt eine Papiertüte hoch, die er auf dem Sitz neben sich abstellte.
Wilfried raunte Janssen zu: »Die Punkte, die Bruno in drei Runden verloren hat, kann er jetzt nicht mehr wettmachen.«
Der Junge wich aus, Ekinci marschierte und landete Körpertreffer. Die Leute johlten. Sie wollten den Tänzer am Boden sehen. Bruno floh in die andere Ecke. Als er zu dem leeren Stuhl hinübersah, kassierte er eine fürchterliche Rechte des Türken, die seinen Kopf in den Nacken knallen ließ. Der Ringrichter umkreiste ihn mit hektischen Schritten, doch Bruno schwankte nur einen Moment.
Ekinci holte wieder aus und fing einen Konter mit Brunos Führungshand am Kopf, eine zweite Gerade mit rechts, wehrte mit Mühe den dritten Schlag ab, taumelte, ging in den Clinch. Der Ringrichter trennte. Bruno wich zurück und das Spiel wiederholte sich: Ekinci marschierte, Bruno tanzte zur Seite, schlug zwei Linke, eine Rechte, hatte den Gegner in den Seilen, der überrascht wirkte, als hätte er mit Gegenwehr nicht mehr gerechnet.
Jetzt, dachte Janssen. Deck ihn mit Schlägen ein. Dominanz.
Doch wieder wich der Junge zurück. Ekinci verfolgte ihn, holte aus und schlug einen langen Haken in die Luft. Bruno konterte endlich und traf. Brust, Magen, Kinn. Ein kurzes Schlaggewitter. Ekincis nächster Haken ging weit daneben, der Schwung riss den Türken an Bruno vorbei, fast fiel er in die Seile. Bruno über ihm. Zwei linke Haken, ein rechter. Schnell und hart. Ekinci fuchtelte unkoordiniert mit den Fäusten. Brunos Rechte traf ihn mitten ins Gesicht, ein verheerender linker Haken schleuderte den Kopf des Duisburgers zur Seite. Knochen knirschten, Blut sickerte aus einem Riss unter dem Auge.
Das ist der Bruno, den ich kenne, dachte Janssen – umkreisen, lauern, vernichtend schlagen.
Ekinci taumelte auf den Gerresheimer zu, begann zu fallen, mit den Fäusten vergeblich Halt suchend, an Bruno vorbei, der noch immer schlagbereit der Bewegung folgte und zusah, wie der Duisburger auf den Boden prallte und liegen blieb.
Die Zuschauermeute tobte, als sei sie von Beginn an auf Brunos Seite gewesen. Die Saalanlage kam gegen den Jubel kaum an, die Stimme des Sprechers ging unter. Der Mann in...