Dunker | Helden der City | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

Dunker Helden der City


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-401-80527-6
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

ISBN: 978-3-401-80527-6
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ganz oben, sechzig Meter über der Erde, hat Vivi unglaubliche Angst, aber schließlich will sie sich jetzt nicht blamieren - sie wagt den letzten Schritt! Doch der Bungee-Sprung ist erst der Anfang: Immer extremer werden die Aktionen der Clique - da begegnet ihnen völlig unerwartet eine Mutprobe ganz anderer Art ...
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Kapitel 1 Und Vivi traut sich doch. Leider, denke ich. Die anderen stehen unten und glotzen und grinsen. Einen halben Meter sind sie schon entfernt. Einen halben Meter nur, aber über den kann ich nicht hinweg, würde ich jetzt einen Rückzieher machen, wäre ich verloren. Mach’s nicht so dramatisch, Vivi, sag ich mir. Du wärst das Gespött deiner Clique, na und? Wenn du das nicht willst, musst du da eben durch. Stolz hat seinen Preis oder wie heißt das noch? Ich reibe die schwitzenden Hände an den Jeans ab. Ruhig bleiben jetzt, die anderen haben’s auch überlebt. Dieser Sprung ist nicht mehr als der erste Hopser vom Dreimeterbrett in der Grundschule. Läppisch, wenn man nicht gerade so blöd ist und ’nen Bauchplatscher hinlegt. Der Typ mit den Rastalocken sagt etwas Aufmunterndes zu mir. Fun and action steht auf seinem T-Shirt. Normalerweise sind das die zwei Zauberworte, die mich vom Hocker reißen können. Aber in diesem Moment würde ich lieber freiwillig mit meinen Eltern in ein dreistündiges Klassikkonzert gehen und vor Langeweile Löcher in den Sitz pulen, als mit dem Rastalockigen fun and action auszuprobieren. Hilfe, was macht dieser durchgeknallte Mensch jetzt eigentlich mit mir? Er schnürt mich ein, als wollte er mich als Weihnachtspäckchen verschicken. Mit riesigen Karabinerhaken klickt er mich vorn und hinten fest und da liegt schon das Seil aufgerollt in der Kabine, eine lange weiße Schlange, an der gleich mein ganzes Leben hängt, einfach so. Ich darf gar nicht daran denken und blicke schnell zu meinen Freunden. Oliver sieht’s, hebt kurz den Daumen und wirft mir eines seiner lausigen Lächeln zu. Ich verziehe den Mund. Los, Vivi, frech zurücklächeln, wie Olli es macht, au Mann, ich fahre voll auf dieses Ollilächeln ab, es macht mich elektrisch, obwohl ich es nicht will. Nicht mehr will, denn Oliver war mein Freund. Bis gestern. Das macht ja die ganze Sache so kompliziert, dass er dabei ist, meine ich, wäre er jetzt nicht hier, könnte ich vielleicht in letzter Minute aus diesem Gondelgefährt raushechten und das Weite suchen. Doch vor Oliver blamiere ich mich nicht – nicht, nachdem alle anderen aus meiner Clique schon gesprungen sind. Oh Gott – jetzt ruckelt die Kabine und wir heben vom Boden ab! Ich klammere mich am Geländer fest und sehe zu, wie meine Freunde unten langsam kleiner werden. Bestimmt reden sie miteinander, reißen blöde Witze wie vorhin: »Vivi hat Schiss!« »Hahaha. Ich hab einfach kein Interesse daran. Was dagegen?« »Ach Vivi, red doch nicht! Du hast die Hosen voll, ganz klar. Das ist die Gelegenheit, Mann, die kann man doch nicht auslassen. Heute ist der letzte Tag hier, und wenn’s nicht die ganze Woche geregnet hätte, hätten die bestimmt nicht so gute Preise gemacht. Einen Sprung für fünfzig Euro, wo kriegst du den schon?« »Es geht nicht ums Geld.« »Wusste ich doch, dass du dich nicht traust!« »Vielleicht beim nächsten Mal. Mir ist schon in der Achterbahn sauschlecht geworden!« »Hättest du eben nicht den Döner gegessen! Ich hab euch gleich gesagt, wenn wir heute ’nen starken Tag abziehen wollen, dürfen wir nicht den Magen voll haben.« »Ist auch egal. Vivi bringt es eben nicht. Wenn sie’s machen wollte, wär sie längst da vorne und hätte ein Ticket gekauft. Jeder weiß doch, dass sie beim Bungee die unter Sechzehnjährigen normalerweise gar nicht springen lassen. Das hier ist die Chance, einzigartig.« Das war ausgerechnet Mone. Meine beste Freundin. Mone mit ihren schreiend rot gefärbten Haaren, schrill sieht das aus, klar, aber ich habe sie ihr gefärbt, ich hatte tagelang noch die Farbreste unter den Fingernägeln kleben und ich habe das Bad geschrubbt, das aussah, als hätten wir Schweine geschlachtet, während sie seelenruhig unter der Föhnhaube saß und Horrorcomics gelesen hat. Das ist also der Dank für die Mühen, dachte ich sauer und in dem Moment sagte Oliver: »Klar bringt Vivi das nicht. Angst vorm Kick, sag ich euch. Mann, das war so geil, das war cooler als Sex!« »Als ob du schon mal welchen gehabt hättest«, fauchte ich. Ich dachte, jetzt wird es aber Zeit, sich zu wehren. »Mit dir nicht.« Er hat gegrinst und plötzlich war es still, keiner hat was gesagt, nur gegrinst haben sie alle, so als wüssten sie was. Als wüssten sie etwas, das sie natürlich gar nicht wissen, das sie sich nur den ganzen Tag ausmalen und ausfantasieren in ihren armseligen Hirnen. Ich habe Oliver angestarrt, und obwohl ich genau wusste, dass er das nicht ernst meinte, nicht ernst meinen konnte, bin ich dann rüber zum Kran und hab mich angemeldet. Fünfzig Euro der Sprung und zehn für das T-Shirt. Ohne dieses blöde I did it-T-Shirt hätte das ganze Springen ja keinen Sinn gemacht. Mir tat’s leid um die sechzig Euro, schließlich waren sie noch vom Geburtstag, ein Geschenk von Oma Oberhausen und für die neuen Knieschoner gedacht, aber jetzt war’s auch egal. Manche Sachen kann man einfach nicht auf sich sitzen lassen. Besonders nicht, wenn sie von Oliver kommen. »Aufgeregt?«, fragt mich der Rastalockige und versucht einen Scherz: »Ich hoffe, du hast unten dein Testament gemacht!« »Ich hab nichts zu vererben«, entgegne ich trocken, und als er lacht, muss ich auch ein bisschen lachen, über mich, worüber sonst. In so einer Situation bleibt einem gar nichts anderes übrig, als über sich selbst zu lachen. Da fahre ich in einer Krankabine sechzig Meter senkrecht rauf in den Himmel, um einmal die Pommesbude und den Autoscooter von oben zu sehen und mich dann im freien Fall runterzustürzen. Ich muss nicht ganz dicht sein. Ich möchte sagen können, diese Höhe jetzt reiche mir schon, ein paar Meter über dem Flachdach der Sparkasse, wenn ich nachts vom Fliegen träume, fliege ich immer so in vier Meter Höhe, so Straßenlaternenhöhe, das würd mir ja schon reichen, möchte ich sagen, ich möchte sagen, dass ich nur zum Gucken hier raufgefahren bin, ich wollte nur mal gucken, wie weit man von hier gucken kann, gucken kann man unheimlich weit, nur meine Freunde kann ich unten nicht mehr erkennen. Ich weiß auch nicht, ob nicht mein Herz schneller schlägt, ich hab das Gefühl, es schlägt jetzt immer zweimal statt nur einmal, ja, ich fange an, alles doppelt zu sehen, den Rastalockigen, das Seil, das liegt da wie eine Schlange, das Seil, an dem gleich mein Leben hängt, die Gondel, den Ruck, mit dem wir ankommen in höchster Höhe, spüre ich doppelt, meine Gedanken sind doppelt, und als ich an den Absprungrand trete, klammern sich meine Hände mit doppelter Kraft am Geländer fest, doppelte Sicherung gegen den Fall, den freien. Keiner von uns beiden sagt etwas. Metan meinte, sie würden einem oben noch viel Spaß wünschen, bevor’s abgeht, und Mone hat behauptet, wer zu lange rumsteht und zögert, würde einfach geschubst. Vielleicht muss sich jetzt mein Leben vorm inneren Auge abspielen, genau wie bei den Hollywoodhelden, die können in Zeitlupe noch mal ihre ganzen tapferen Taten sehen, ihre große Liebe, ihr Elternhaus, eben alles, was im Film so wichtig war. Ich warte, aber ich sehe nichts und ich befürchte, es war auch nie irgendwas wichtig bei mir. Das Einzige, was mir einfällt, ist die rote Uhr, die ich Oliver vorgestern zum Einmonatigen geschenkt habe. Ich wollte sie ihm wieder wegnehmen, weil er genau am nächsten Tag Schluss gemacht hat und mir der Verdacht gekommen ist, er habe noch so lange gewartet, bis er sein Geschenk in der Tasche hatte, und dann Tschüss. Also, das Einzige, was mir einfällt, ist, dass Oliver die doofe Uhr behalten soll. Das heißt aber nicht, dass Oliver meine große Liebe ist. Nein danke, ohne diesen Mistkerl stünde ich jetzt nicht hier oben. Ich muss gleich springen, der Rastalockige hinter mir wird schon unruhig. »Bitte nicht schubsen«, sage ich und drehe mich um. Er zuckt mit den Schultern, grinst. »Na los, nur fliegen ist schöner!« Fliegen. Ich breite meine Arme aus. Im Traum komme ich gerade mal vier Meter hoch und stürze dann wieder ab. Fliegen. Und wenn das Seil zu lang ist, zu kurz ist, mich nicht hält? Dann heißt es nachher technisches Versagen und Oliver kann seine rote Uhr sowieso behalten. Ich schiebe die Fußspitzen über die Kante. Ich will eigentlich gar nicht. Na los, Vivi. Gut, dass meine Eltern nichts davon wissen. Augen zu. Es ist wahnsinnig tief. Ich werde das nie und nimmer überleben, da bin ich mir sicher. »Und ab!«, sagt er hinter mir und aus Angst, er könne mich schubsen, aus Angst, er könne meine Schultern schnell mit seinen Händen nach vorne drücken, aus Angst, ich könne den Halt verlieren, lasse ich mich lieber selbst los und setze an zu dem einen Schritt nach vorn, aber das ist unten nimmt jemand meine Füße, Beine, Hüften, sie könnte meine Mutter sein, diese fremde Frau, Bodenfrau des Bungeestandes, Boden, sie umarmt mich, als sei ich ihr Kind, ihr vom Himmel gefallenes Kind auf weichem Boden, löst mich von meiner langen Nabelschnur, vorsichtig, als sei das gefrorene Lachen auf meinem Gesicht mein allererster Schrei in dieser Welt, und als ich tapsig davontaumele, wundere ich mich, dass keiner fragt, warum ich laufen kann. Die Welt dreht sich noch, als mir jemand das T-Shirt in die Hand drückt, das hätte ich jetzt glatt vergessen. Was, von da oben bin ich runtergesprungen? Oje, wie weich fühlen sich meine Beine an, ich glaub, mir wird schwindelig. »Na, wie war’s? Gut? Sag schon, Vivi! War das stark? Das ist ein Feeling, was?« Meine Freunde reden auf mich ein, halten mich fest und schleppen mich zum Getränkestand, wo mir Olli ein Glas Cola in die...


Kristina Dunker wurde 1973 in Dortmund geboren. Schon als Kind dachte sie sich gerne Geschichten aus und schrieb als Siebzehnjährige ihr erstes Jugendbuch. Nach dem Abitur studierte sie Kunstgeschichte und Archäologie in Bochum und in Pisa. Wenn sie nicht in Marina di Pisa am Strand lag oder zu Hause als freie Journalistin arbeitete, um sich ihr Studium zu finanzieren, schrieb sie Jugendbücher. In dieser Zeit erschienen drei weitere Titel. Die mehrfach ausgezeichnete Kinder- und Jugendbuchautorin lebt heute im Ruhrgebiet.



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