Dunker | Die Angst der Bösen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: dtv- premium

Dunker Die Angst der Bösen

Roman
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-423-41432-6
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Reihe: dtv- premium

ISBN: 978-3-423-41432-6
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Auch DU stehst auf der Liste! Falscher Spruch, falsches Gesicht, falsches Handy - schon bist du tot. Natürlich hat es keiner gewollt: ein Missverständnis, ein schrecklicher Unfall. Sie sind doch keine Mörder. Aber einer sieht das anders. Und er will Rache. Er weiß, wer dabei war. Oder er glaubt es zu wissen. Er macht eine Liste. Und diese Liste arbeitet er ab: fünf, vier, drei ... Auch Lilly steht auf der Liste. Weil sie zu der Clique gehört. Aber Lilly hat keine Ahnung, was an dem Abend passiert ist. Sie sieht nur, wie einer ihrer Freunde nach dem anderen plötzlich ums Leben kommt. Und sie spürt, dass jemand hinter ihr her ist.

Kristina Dunker, 1973 in Dortmund geboren, studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Bochum und Pisa und arbeitete als freie Journalistin. Im Alter von 17 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch. Seither hat Kristina Dunker zahlreiche Kinder- und Jugendromane verfasst und erhielt für ihre Arbeit mehrfach Preise und Stipendien, darunter den Nachwuchsliteraturpreis der Stadt Voerde. Kristina Dunker lebt als freie Autorin in Castrop-Rauxel und bietet regelmäßig Lesungen, Werkstattgespräche und Schreibworkshops für Jugendliche an. Mehr über die Autorin und ihre Bücher gibt es unter www.kristina-dunker.de.
Dunker Die Angst der Bösen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Sonntag, 22. Mai

13


Gerd passierte das Ortsschild um Viertel nach zwei. Noch immer war er aufgekratzt und hellwach, kurvte mit heruntergelassenen Fensterscheiben durch die nächtlichen, menschenleeren Straßen. Nur ein magerer Igel wetzte vor seinem Auto von einem fantasielosen Garten in den nächsten.

Gerd hielt am Bahnhof. Er durchquerte die Halle, lief die Bahnsteige entlang. Martin war nicht zu finden.

Von einem Liebespaar, das auf einen Nachtbus wartete, ließ er sich erklären, wo die meisten Kneipen lagen, und brauchte bestimmt drei Stunden, bis er sie alle abgeklappert hatte – erfolglos.

Übermüdet suchte er sich ein Café, in dem er sonntagmorgens um sechs schon einen Kaffee und ein Brötchen bekam. Obwohl er vier Tassen trank, schlief er am Tisch fast ein und schaffte es erst gegen sieben, sich auf den Weg zu seiner letzten Station zu machen.

Ein einziger Ort war ihm noch eingefallen, an dem Martin sein könnte: der Friedhof.

Ein Jahr vor dem Tod ihrer Tochter waren Maries Eltern in den Norden gezogen und sie hatten gewollt, dass Marie in ihrer Nähe begraben lag. Um kurz vor acht hatte er das Grab endlich gefunden. Direkt am Grabstein steckte eine einzelne rote Rose in einer Schnapsflasche. Martin war also hier gewesen.

Aber wo war er jetzt?

In der Hölle, hörte er zum x-ten Mal die Antwort des Jungen.

In der Hölle war Martin schon lange vorher gewesen, praktisch seit er mit dieser Hexe, die hier unter der Erde vergammelte, ausgerissen war und jeden noch so beschissenen Trip mitgenommen hatte. Was hatte der Junge alles an Gift geschluckt, geraucht und gespritzt. Aber diese Drogenhölle damals hatte Martin sich selbst ausgesucht. Das hier war etwas anderes. Es gab einen großen Unterschied zwischen selbst gewählter und aufgezwungener Hölle. Anderen ausgeliefert zu sein war das Allerschlimmste. Gerd wusste, wovon er sprach.

Er stieß einen Schluchzer aus, ausgerechnet vor dem Grab der Person, die er schon vor Jahren gern tot gesehen hätte. Er heulte über Martins schreckliches Schicksal und über sein eigenes beschissenes Leben, über seine eigenen Fehler und Gemeinheiten, über das, was er seinem Sohn angetan hatte, ohne es zu wollen. Er heulte über die Einsamkeit im leeren, mehr und mehr verkommenden Reihenhaus, den verlorenen Job, die ganze verdammte Ungerechtigkeit, die ihm widerfuhr, weil er sich oft nicht in der Gewalt gehabt hatte, weil er ein paarmal zu tief ins Glas geguckt hatte – mein Gott, die paarmal, die er ausgerastet war, die musste man ihm doch nachsehen.

Was er getan hatte, war nicht zu vergleichen mit dem, was die Jugendlichen gestern verbrochen hatten. Er hatte es nicht so gemeint und, verdammt, er wollte es ja wiedergutmachen. Hatte er nicht früher auch schon immer versucht, seine Ausraster wiedergutzumachen, Geschenke für den Jungen besorgt, ihn zum Fußball mitgenommen? Diesmal wollte er es ganz richtig machen, ein für alle Mal, fernsehtalkshowreif-richtig wollte er es machen.

Aber dazu brauchte er Martin.

Er hatte sich entschuldigt – und überhaupt, nur weil er war, wie er war, hieß das doch nicht, dass er sein eigen Fleisch und Blut nicht liebte, auch wenn er vielleicht nicht immer das Richtige getan hatte und Martin darunter hatte leiden müssen.

Vor allem hieß es nicht, dass er nicht bereit wäre zu handeln, wenn jemand seinem Sohn etwas antat. So weit käme das noch. Nie würde er zulassen, dass andere seinen Jungen schlugen.

Das würde er sich nicht auch noch sagen lassen, dass er vor dem Pack nicht zu seinem Sohn gestanden hätte, nein, das bestimmt nicht.

14


Leon hätte seine Mitschüler am liebsten angeschrien, sie sollten leise sein. Ihn plagte ein furchtbarer Kater und der Lärm im Frühstücksraum verstärkte seine Kopfschmerzen. Er wünschte sich zurück in sein durchgelegenes Etagenbett. Warum musste man sie am Sonntagmorgen schon um neun aus den Federn scheuchen? Das war reine Schikane.

Den brummenden Schädel in die Hand gestützt, beobachtete er die Lehrer, die seine Stiefschwester und ihren Freund Paule in die Mangel nahmen. Angeblich waren die beiden heute Nacht nicht in ihren Betten gewesen. Ihm war das nicht aufgefallen, obwohl sich Pauls Bett direkt über seinem befand. Leon wusste ja nicht mal mehr, wie er selbst in seiner Koje gelandet war und wer ihm die schmutzige Jeans und die Schuhe ausgezogen und auf die Heizung gelegt hatte. Bestimmt war es Tatjana gewesen. Zwar war er erst ein paar Wochen mit ihr zusammen, aber sie hatte sich auch um ihn gekümmert, nachdem er sich im Flur der Jugendherberge übergeben hatte. Sie war fürsorglich und stand zu ihm, sogar wenn’s eklig wurde. Ein echter Vorteil, dachte Leon vorsichtig grinsend, besonders, wenn man alkoholbedingt mal wieder einen Filmriss hatte.

Im Augenblick war seine Freundin allerdings ziemlich knatschig.

»Das hat Lilly sich aber selbst zuzuschreiben«, zischte sie ihm ins Ohr. »Wie kommt sie dazu, sich mit dem in ein Extrazimmer zu verziehen? Glaubt sie, sie kann sich alles erlauben?«

Leon gab nur ein kurzes Brummen zur Antwort. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten.

»Was die jetzt alle über sie reden! Peinlich wär mir das. So ein Ruf bleibt doch an einem haften.«

»Wieso?«

»Mann, hörst du mir nicht zu?« Tatjana knuffte ihn in die Seite.

»Alle denken doch hier, dass Lilly und Paul ...« Den Rest des Satzes vervollständigte sie mit einer Geste unter dem Tisch.

Leon kniff die Augen zusammen und sah zu seiner Stiefschwester hinüber.

Soweit er wusste, war Lilly zwar andauernd verliebt, aber praktisch immer allein und unglücklich. Sie hatte mal was mit Sven gehabt und auch einen Marius hatte es mal kurz gegeben, einen Lackaffen vom Gymnasium, aber sonst kannte er sie nur solo. Lilly tat gern so, als ob sie an jeder Hand drei Liebhaber hätte und auf Sex genauso wenig verzichten könnte wie Tatjana auf ihre Lieblingsserie. Leon wusste aber genau, dass das nur Show war. Hunde, die laut bellten, bissen nicht – genauso war es auch mit Lilly. Lilly war großmäulig, launisch, geheimniskrämerisch, selbstzerstörerisch und stur; sie war giftig gegenüber ihrer Mutter und schon ein paarmal von zu Hause abgehauen. Aber was Jungs anging, war sie – trotz der Sache mit Sven – eher zurückhaltend. Nichts von dem, was über sie geredet wurde, stimmte. Kam zu ihm oder seinem Vater jemand, den sie nicht kannte, ein Freund von früher oder so, dann schloss Lilly oft ihre Zimmertür ab. Wenn sie ihre schräge Phase hatte, verbarrikadierte die sich regelrecht. Merkwürdig war sie, widersprüchlich und manchmal sehr anstrengend, aber eindeutig keine, die es mit jedem machte. Und schon gar nicht mit Paul. Über den hatte Leon sowieso seine spezielle Meinung.

Wenn er sich momentan nicht so gerädert fühlen würde, würde er es Tatjana auch erklären. Aber jetzt ging es sowieso nicht, denn Paul kam zu ihrem Tisch, während Lilly noch von Frau Hoffmann zugetextet wurde.

»Morgen«, murmelte Paul und setzte sich an Leons andere Seite, allerdings ohne ihn anzusehen.

»Warum habt ihr zwei euch heute Nacht eigentlich abgesetzt?«, fragte Tatjana sofort und lehnte sich vor Leon zu Paul herüber. Ihre langen Haare streiften dabei Leons Marmeladenbrot, aber er hatte sowieso keinen Appetit.

»Warum wohl.« Pauls Antwort kam knapp und unfreundlich. »Glaubst du, ich wollte, dass der Abend so weitergeht?«

»Stell dich nicht so an«, flüsterte Tatjana böse, »das war schließlich Notwehr.«

»Notwehr?«

»Ja!« Jetzt war Tatjana die Sache mit der Marmelade auch aufgefallen.

»Hach, was mach ich denn für eine Sauerei? Sorry, Leon.« Sie suchte etwas, womit sie sich die Haare abwischen konnte.

»Eine Sauerei war das gestern Abend«, sagte Paul.

»Halt bloß deine Klappe.« Tatjana schüttelte wütend den Kopf. »Du müsstest mir eigentlich auf Knien danken, dass ich den Typen mit ins Spiel gebracht hab. Und jetzt sagst du am besten gar nichts mehr. Du willst doch keinen neuen Ärger, oder?«

Paul schwieg, aber Leon sah, wie dessen Brustkorb vor Aufregung bebte, als er sich Kaffee in den Becher schüttete.

»Du hast das doch nicht meinetwegen gemacht.«

»Pfffft«, machte Tatjana, »wohl kaum. Das wärst du mir echt nicht wert.«

»Worum geht’s eigentlich?«, fragte Leon endlich. Es kostete ihn Mühe, aber er hatte es satt, zwischen den beiden zu sitzen und nicht beachtet zu werden.

»Sag bloß, das weißt du wirklich nicht mehr?«, fragte Tatjana ungläubig.

»Nee, nicht so wirklich. Wir haben hier gesessen und was getrunken. Dann hat Lilly mal wieder ihre dollen fünf Minuten gekriegt. Levent hat mich gefragt, ob ich für ihn Zigaretten kaufen würde, weil er nicht laufen kann, und also sind wir los ... Hab ich ihm die Kippen überhaupt gegeben?«

»Das hat Ilkay gemacht«, antwortete Tatjana schroff.

»Ja und sonst? War da noch was? – Ja. Was du mir über Lilly erzählt hast, das hat mich umgehauen, das ...«

»Falsche Spur«, sagte Tatjana.

»Noch was?« Leon rieb sich den Kopf. Eine dumpfe Ahnung stieg in ihm auf, gleichzeitig mit einer neuen Schmerzwelle. »Scheiße, der Penner.«

»Genau das meinen wir«, sagte Tatjana kaum hörbar.

»Ich weiß aber nicht mehr, was da war.« Leon schob...


Dunker, Kristina
Kristina Dunker, 1973 in Dortmund geboren, studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Bochum und Pisa und arbeitete als freie Journalistin. Im Alter von 17 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch. Seither hat Kristina Dunker zahlreiche Kinder- und Jugendromane verfasst und erhielt für ihre Arbeit mehrfach Preise und Stipendien, darunter den Nachwuchsliteraturpreis der Stadt Voerde.
Kristina Dunker lebt als freie Autorin in Castrop-Rauxel und bietet regelmäßig Lesungen, Werkstattgespräche und Schreibworkshops für Jugendliche an.
Mehr über die Autorin und ihre Bücher gibt es unter www.kristina-dunker.de.

Kristina Dunker, 1973 in Dortmund geboren, studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Bochum und Pisa und arbeitete als freie Journalistin. Im Alter von 17 Jahren veröffentlichte sie ihr erstes Buch. Seither hat Kristina Dunker zahlreiche Kinder- und Jugendromane verfasst und erhielt für ihre Arbeit mehrfach Preise und Stipendien, darunter den Nachwuchsliteraturpreis der Stadt Voerde.
Kristina Dunker lebt als freie Autorin in Castrop-Rauxel und bietet regelmäßig Lesungen, Werkstattgespräche und Schreibworkshops für Jugendliche an.
Mehr über die Autorin und ihre Bücher gibt es unter www.kristina-dunker.de.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.