E-Book, Deutsch, Band 1, 448 Seiten
Duncan Das schwarze Herz des Winters - Unholy
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-492-99947-2
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 1, 448 Seiten
Reihe: Das schwarze Herz des Winters
ISBN: 978-3-492-99947-2
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
»Mach dich gefasst auf ein eisiges, blutiges Abenteuer, in dem die Monster dein Herz stehlen und Liebe sich als Albtraum herausstellt.« Roshani Chokshi Eine junge Frau, die mit den Göttern sprechen kann, muss ihr Volk retten, ohne sich selbst zu zerstören. Ein Thronfolger in Gefahr muss entscheiden, wem er trauen soll. Ein Rebell mit dunklen Kräften wartet auf seine Gelegenheit. In einem Jahrhunderte währenden Krieg verflechten sich die Pfade der drei, und eine verbotene Liebe droht, die Balance zwischen Licht und Dunkel zu kippen ... »Unholy« ist der atemberaubende Auftakt zu Emily A. Duncans unwiderstehlich düsterer »Das schwarze Herz des Winters«-Reihe.
Emily A. Duncan ist New-York-Times-Bestsellerautorin der Reihe »Das schwarze Herz des Winters«. Sie ist in Ohio, USA, geboren und aufgewachsen und arbeitet als Jugendbibliothekarin. An der Kent State University absolvierte sie ein Masterstudium in Bibliothekswissenschaften, in dem sie vor allem lernte, wie man obskure slawische Folklore-Texte im Fernleihe-System findet. Wenn sie nicht gerade liest oder schreibt, spielt sie mit Vorliebe Videospiele und »Dungeons & Dragons«.
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1
Nadezhda Lapteva
Tod, Magie und Winter. Einen bitteren Kreis aus purpurrotem Garn knüpft Marzenya um ihre bleichen Finger. Sie ist beständig; sie ist unbeugsam; sie ist ewig. Den von ihr Gesegneten kann sie jeden Zauber gewähren, ihr Reich ist der ureigenste Stoff der Magie. Kodex des Göttlichen, 2:18 Vom Altarraum hallte das beruhigende Echo eines heiligen Gesangs bis hinab in die Kellergewölbe. Es war spät am Nachmittag, kurz vor dem Abendessen, eine Stunde, zu der den Göttern in der schwebenden Harmonie des Chores Psalmen gesungen wurden. Nadezhda Lapteva starrte auf den Berg aus Kartoffeln, der wie eine Lawine den Tisch vor ihr zu überrollen drohte. Sie führte das Messer fest um die Knolle in ihrer Hand herum, sodass sich die Schale als Spirale löste, und verfehlte dabei nur knapp die eigene Haut. »Die Pflicht einer Priesterin ist wichtig, Nadezhda«, äffte sie den mürrischen Ton des Klostervorstehers nach. »Du könntest den Verlauf des Krieges beeinflussen, Nadezhda. Jetzt geh und verkümmere den Rest deines Lebens im Keller.« Der Tisch war neben den Kartoffeln überhäuft mit den spiralförmigen Schalen. Sie hatte nicht vorausgeahnt, dass sie den ganzen Tag mit Küchendienst verschwenden würde, doch nun saß sie hier. »Hast du das gehört?« Konstantin tat, als hätte sie nichts gesagt. Das Schälmesser baumelte unbenutzt von seiner Hand, während er lauschte. Oben schien nichts Besonderes im Gang zu sein, nur die Andacht. Wenn das also ein Ablenkungsversuch war, dann funktionierte er nicht. »Meinst du unseren bevorstehenden Tod durch die Kartoffellawine? Ich höre ihn nicht, aber ich weiß, dass er kommt.« Dafür erntete sie einen vernichtenden Blick. Sie wedelte mit dem Messer herum. »Was sollte schon sein? Dass die Tranavier auf unserer Türschwelle stehen? Da müssen sie zuerst siebentausend Stufen hinaufsteigen. Vielleicht ist es ihr Kronprinz, der sich endlich entschieden hat, zu konvertieren.« Sie wollte lässig wirken, doch die Vorstellung, der Kronprinz könne sich irgendwo in der Nähe des Klosters aufhalten, jagte ihr Schauder über den Rücken. Über ihn erzählte man sich, er sei ein übermächtiger Blutmagier, gehöre zu den Furcht einflößendsten von ganz Tranavia, einem Land voller Ketzer. »Nadya«, flüsterte Konstantin, »ich meine es ernst.« Nadya stieß ihr Messer in eine weitere Kartoffel und bedachte ihn mit einem langen Blick. Es war seine Schuld, dass sie hier unten saßen. Anfangs waren die Streiche harmlos gewesen, zu denen ihn eine Mischung aus Langeweile und Verrücktheit nach den frühen Morgengebeten verleitet hatte. Er hatte den Weihrauch im Kloster durch Zitronengras ersetzt oder bei den Kerzen im Gebetsraum den Docht abgeschnitten. Eher kleine Delikte, wenn überhaupt. Nichts, wofür man die Kartoffel-Todesstrafe verdient hätte. Die Waschschüssel von Vater Alexei allerdings mit roter Farbe zu füllen, die wie Blut aussah, das hatte sie zur Strecke gebracht. Blut war kein harmloser Stoff, nicht in diesen Zeiten. Der Zorn von Vater Alexei beschränkte sich nicht nur auf den Keller. Wenn sie den Kartoffelberg bezwungen hatten – falls sie ihn je bezwingen würden –, mussten sie immer noch über Stunden im Skriptorium heilige Texte abschreiben. Schon bei dem Gedanken daran verkrampften sich Nadyas Hände. »Nadya.« Ihr Messer rutschte natürlich ab, als Konstantin ihren Ellbogen anstieß. »Verdammt, Kostya!« Meine makellose Serie aus fünfundvierzig ganzen Spiralen zerstört, dachte sie traurig. Sie wischte sich die Hände an ihrer Tunika ab und starrte ihn an. Der Blick seiner dunklen Augen richtete sich auf die geschlossene Tür zur Treppe nach oben. Da war nichts, nur … Oh. Die Kartoffel rutschte ihr aus der Hand und fiel auf den staubigen Boden. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass die Andacht über ihnen zu Ende war. Kostya bohrte die Finger in ihren Ärmel, aber seine Berührung drang nicht zu ihr durch. Das kann nicht sein. »Kanonen«, flüsterte sie, und irgendwie wurde die Bedrohung greifbarer, indem sie das Wort aussprach. Sie packte das Messer mit drei Fingern, ließ es zurückschnellen, als wäre es eins ihrer voryen mit dünner Schneide und kein halb stumpfes Küchenmesser. Mit dem Kanonendonner war in Kalyazin jedes Kind vertraut. Damit wuchsen sie auf, ihre Schlaflieder mischten sich mit dem entfernten Gefechtslärm. Der Krieg war ihr ständiger Begleiter, und die Kinder in Kalyazin wussten, dass sie fliehen mussten, wenn sie diese Kanonen hörten und den Metallgeruch der Magie in der Luft wahrnahmen. Kanonen bedeuteten nur eins – Blutmagie. Und Blutmagie bedeutete Tranavier. Seit einem Jahrhundert wütete ein heiliger Krieg zwischen Kalyazin und Tranavia. Die Tranavier scherte es nicht, dass ihre Blutmagie die Götter schmähte. Wenn sie sich durchsetzten, würde in Kalyazin die Verbindung zu den Göttern genauso abreißen wie in Tranavia. Doch die Front war noch nie weiter vorgerückt als bis zur Grenze von Kalyazin. Bisher. Wenn Nadya die Kanonen hören konnte, bedeutete das, dass der Krieg Kalyazin bei lebendigem Leib zu verschlingen drohte. Ein blutiges Stück nach dem anderen drang er bis zum Herzen von Nadyas Land vor, brachte Tod und Verheerung mit sich. Und es gab nur einen einzigen Grund, warum die Tranavier ein abgeschiedenes Kloster in den Bergen angreifen würden. Die Kellerräume erzitterten, Dreck fiel von der Decke. Nadya sah zu Kostya hinüber, dessen stets scharfer Blick entschlossen, aber auch ängstlich wirkte. Sie waren nur Novizen mit Küchenmessern. Was konnten sie ausrichten, wenn die Soldaten kamen? Nadya fasste an die Gebetskette, die sie um den Hals trug. Die glatten Holzperlen fühlten sich an den Fingerkuppen kalt an. Es gab Alarmglocken, die läuten würden, sobald die Tranavier den ersten Fuß auf die siebentausend Stufen zum Kloster hinauf gesetzt hätten. Doch Nadya hatte sie noch nie gehört. Hatte gehofft, sie niemals zu hören. Kostya griff nach ihrer Hand und schüttelte langsam den Kopf, seine Augen blickten ernst. »Tu das nicht, Nadya«, beschwor er sie. »Sollten wir angegriffen werden, verstecke ich mich nicht«, erwiderte sie stur. »Auch wenn du dich entscheiden müsstest, ob du nur diesen Ort schützt oder das ganze Königreich rettest?« Er fasste wieder nach ihrem Arm, und sie ließ sich von ihm in die Kellergewölbe zurückziehen. Seine Angst war berechtigt. Sie hatte noch nie an einem richtigen Kampf teilgenommen. Dennoch begegnete sie seinem Blick trotzig. Dieses Kloster war alles, was sie kannte, und wenn er dachte, sie würde nicht dafür kämpfen, dann war er verrückt. Sie würde die einzige Familie verteidigen, die sie jemals gehabt hatte. Dazu war sie ausgebildet worden. Kostya fuhr sich mit der Hand über das kurz geschorene Haar. Er konnte Nadya nicht aufhalten, das wussten sie beide. Nadya riss sich von Kostya los. »Wie kann ich mich irgendwem als nützlich erweisen, wenn ich davonlaufe? Welchen Sinn hätte das?« Er öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch plötzlich wurden die Kellerwände so heftig erschüttert, dass Nadya sich fragte, ob sie gleich lebendig begraben würden. Dreck fiel von der Decke und bedeckte ihr weißblondes Haar. Blitzschnell hatte sie den Keller durchquert und näherte sich der Tür, die nach oben in die Küche führte. Wenn die Glocken schwiegen, bedeutete das, der Feind war noch immer vor dem Berg. Sie hatten Zeit … Ihre Hand berührte den Türknauf genau in dem Moment, in dem die Glocken zu läuten begannen. Der Klang hörte sich vertraut an, wie ein weiterer Ruf zum Gebet im Heiligtum. Dann wurde sie von dem drängenden, kreischenden Ton erschüttert, zu dem der Alarm übergegangen war, eine Kakofonie schriller Glockentöne. Keine Zeit mehr. Sie riss die Tür auf und rannte, gefolgt von Kostya, die letzten Stufen zur Küche hinauf. Sie durchquerten den Garten, der nach den harten Wintermonaten leer und tot vor ihnen lag, und stürmten ins Hauptgebäude. Unzählige Male waren Nadya die Verhaltensregeln im Fall eines Angriffs erklärt worden. Den hinteren Teil der Kapelle aufsuchen. Beten, denn das konnte sie am besten. Die anderen würden zu den Toren gehen, um zu kämpfen. Sie hingegen musste beschützt werden. Doch das waren alles nur Vorsichtsmaßnahmen, die Tranavier würden es niemals so weit ins Landesinnere schaffen. Alle diese Pläne waren einfach nur für eine Situation gedacht gewesen, in der das eigentlich Unmögliche eintrat. Nun, das Unmögliche geschieht gerade. Sie schob die schweren Türflügel auf, die hinten aus dem Gebetsraum hinausführten, schaffte es aber nur, sie so weit zu öffnen, dass sie und Kostya gerade eben hindurchschlüpfen konnten. Das Läuten der Glocken hämmerte in ihren Schläfen und schmerzte bei jedem Herzschlag. Sie dienten dazu, alle um drei Uhr morgens zum Gebet aus dem Schlaf zu reißen. Sie erfüllten ihren Zweck. Irgendjemand prallte gegen sie, als sie einen angrenzenden Gang durchquerte. Mit vorgestrecktem Küchenmesser warf sich Nadya herum. »Himmel, Nadya!« Anna Vadimovna presste sich eine Hand auf die Brust. An ihrer Hüfte hing ein venyiashk – ein Kurzschwert – und in der Hand hielt sie eine weitere dünne Klinge. »Kann ich das haben?« Nadya griff nach Annas Dolch. Ohne ein Wort überreichte ihr Anna die Waffe. Sie fühlte sich kraftvoll an, nicht so schwächlich wie das Schälmesser. »Du wärst besser nicht hier«, tadelte Anna. Kostya warf Nadya einen mahnenden Blick zu. In der Klosterhierarchie stand Anna als geweihte Priesterin über Nadya. Wenn Anna ihr befahl, den Gebetsraum aufzusuchen, so...