Duhm / Temmen | Hass | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 372 Seiten

Reihe: Cold Cases

Duhm / Temmen Hass

Auf der Reeperbahn nachts um...
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7407-7859-0
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Auf der Reeperbahn nachts um...

E-Book, Deutsch, Band 3, 372 Seiten

Reihe: Cold Cases

ISBN: 978-3-7407-7859-0
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In diesem Roman geht es um die Frage: Wie verarbeiten Menschen dem plötzlichen Wechsel von Recht, Ordnung und Ethik? Das Buch soll zeigen, welche menschlichen Abgründe unter dem Deckmantel einer fehlgeleiteten Politik möglich waren. Die beschriebenen, unfassbaren Verbrechen sollen vor möglicher Idealisierung der Nazis warnen und verhindern, dass junge Menschen den heutigen Neo-Nazis vertrauen, ihnen sogar auf den Leim gehen. Als Autor bin ich der Meinung, dass die Darstellung von lokalen Verbrechen im begrenzten, daher weitgehend unbekannten Umfang, deutlicher dargestellt werden muss, zum Nachdenken anregt soll. Besser als globale, nicht personenbezogene Schuldzuweisungen. Bürger, die die Verlegung des "Geisterschiffes" in Bremerhaven aus Gründen der nächtlichen Ruhestörung durch Geschrei der Gefolterten, verlangten, weisen bereits 1938 den Verlust von Ethik und Menschlichkeit auf. Väter, die ihre taubstummen Töchter an Männer vermieten, haben jegliches menschliche Gefühl und Verantwortung verloren. Was muss im Kopf eines leicht geistig behinderten Jungen in der Pubertät vorgehen, der den Kampf seines Vaters gegen das Schlechte fortsetzen will. Die Beurteilung von Menschen nach Herkunft, Rasse und Glauben hat sich damals so stark eingeprägt, dass selbst heute noch Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung von anders Aussehenden an der Tagesordnung sind. Das kann und darf nicht sein. Verbrechen, ja Morde sind keine Lösung. Und dennoch geschehen sie.

H. Peter Duhm schreibt über sein aufregendes Leben und über Verbrechen aus der Nachkriegszeit. In seiner neuen Heimat, Elten, Ortsteil von Emmerich am Rhein schreibt und recherchiert er. Neue, interessante Themen lassen sich überall finden. Man muss sehen und hören können. Auch am Niederrhein, der ihn seit Jahren begeistert. Sport und Arbeit haben ihn lebenslang motiviert, sich nicht unterkriegen zu lassen. 1942 in Hamburg geboren, überlebte er die Vernichtungsangriffe der britischen und amerikanischen Bombenangriffe. Das Trauma dieser Bombennächte blieb. Vielleicht ist er deshalb jahrzehntelang in der Modebranche tätig gewesen, weil er dort seine Kreativität und Reiselust, seinen Drang nach Neuem, insbesondere während der zahlreichen und ausgedehnten Auslandsreisen, die häufig zu asiatischen Bekleidungsherstellern führten, ausleben konnte. Der Hamburger Modemacher und Professor für Fashion-Management gab nie auf Neues zu entdecken. Sein Schreibstil ist kurz und direkt, sein Auftreten überzeugend. In seinen weiteren Büchern vereint er sorgfältige Recherche und Tatsachen mit einem prägnanten Schreibstil. Das zeichnet alle seine Bücher aus. Er selbst bezeichnet diesen neuesten Roman als ein Feature, als eine Reportage. Elten am Niederrhein im Juli 2020

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Kapitel 1
Kriegsende in Hamburg, Mai 1945 Endlich war auch in Hamburg der fürchterliche Krieg seit drei Tagen vorbei. Wie viele Hamburger saß auch die Familie Sesilski, Vater Karl, Frau und Mutter Emma-Luise, deren unehelicher Sohn Rolf und die gemeinsame Tochter Eva, an diesem Nachmittag sehr angespannt vor dem kleinen schwarzen Kasten, ihrem Volksempfänger-Radio. Sie versuchten, die Anweisungen der britischen Besatzungstruppen über die Neuordnung des Lebens in Hamburg genau zu verstehen. Besonders Emma-Luise interessierte sich sehr für die Verlesung der Namen von Nazi-Verbrechern, die dringend gesucht wurden. Insgemein hoffte Sie, dass ihr Mann dabei sein würde. In diesen unsicheren Zeiten fürchtete sie wieder und wieder von ihm zusammenschlagen zu werden. Ihre Angst saß zu tief. Ihr Mann verhielt sich zu nervös. Die gesamte Bevölkerung wurde aufgerufen, die Aufenthaltsorte jeglicher Nazis, von Parteimitgliedern und Mitgliedern der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), den britischen Besatzungstruppen umgehend zu melden. Unter dem Krieg, besonders unter den Bombenangriffen auf Hamburg, waren sie alle vollkommen verstört und lauschten angespannt am Nachmittag des 6. Mai 1945 in den Apparat hinein. Blitzschnell griff Vater Karl zum Radio, schaltete das Gerät unvermittelt aus. „Den Quatsch müssen wir uns nicht anhören. Wir alle haben unsere Befehle gehabt. Was wollen die Tommys denn.“ Seine eiskalten Augen richteten sich auf seine Frau: „Du weißt, ich habe meine Befehle ausgeführt“. Er trat einen Schritt auf sie zu: „Oder bist du etwa anderer Meinung?“ Wütend drehte sich Vater Karl um, ging zum Fenster, kratzte sich am Kopf. Niemand aus der kleinen Familie wagte etwas, zu sagen. Wie eine viel zu schwere, grau verfilzte Wolldecke hatte sich die Angst vor den Bomben, vor den Gewalttaten des Vaters um sie gewickelt. „Mama, was heißt das ‚Kriegsende‘? Die dreijährige Eva sah ihre Mutter fragend an. So wie immer beachtete sie ihren Vater nicht. „Keine Bomben mehr, meine Kleine. Jetzt kannst du ruhiger schlafen!“, meinte die Mutter. Sie ließ sich dabei ihre Sorgen nicht anmerken. „Was wohl jetzt wird? Ich werde einfach wie immer zum Dienst gehen. Oder was meinst du?“ Unterbrach sie Karl Sesilski. Sah sie herausfordernd an. „Klar, warum denn nicht? Du wirst schon sehen, wie es in deinem Gefängnis am Holsten Wall weitergeht. Du bist schließlich Beamter!“ Sie drehte sich um, ging über den kleinen Flur zur Haustür. Bloß weg von diesem Mann, ich brauche unbedingt frische Luft, dachte sie. Ihre Gedanken an die vergangenen Monate jagten ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Hoffentlich ändert sich doch etwas, schwirrte es durch Ihren Kopf. Etwas Freudiges setzte sich undeutlich, nebelhaft in ihr fest. „Vielleicht sind wir jetzt endlich frei. Ich kann nicht mehr, der Krieg und Karl, ich drehe bald durch,“ murmelte sie. Auf dem Gartenweg, zwischen den hohen Hecken. Sie atmete erst einmal tief durch. Ihr Mann hatte sich in den letzten Monaten zum brutalsten Menschen entwickelt, von dem sie je gelesen oder gehört hatte. Sie wusste nicht, was mit ihm geschehen war. Ohne jedes Gefühl, ohne jeden Grund schlug er sie windelweich. Immer wieder auf die Beine, auf die Brust. Immer so, dass niemand etwas sah. Im Bett vergewaltigte er sie schlimmer als je zuvor. Zusätzlich drückte er ihr ein Kissen auf Mund und Kopf. Kurz vor dem Ersticken stieß er in sie hinein, dabei schliefen die Kinder fest, denn sie sollten von dieser Gräueltat nichts mitbekommen. „Kinder kommt raus. Draußen ist was los. Vielleicht treffen wir Onkel Albert, Opas Bruder“, rief Emma-Luise ins Haus. In Hamburg, am Eidelstedter Weg, unter den dicken Eichen vor dem alten Forsthaus, standen viele Nachbarn aus den Nachbarhäusern zusammen. Sie diskutierten verstohlen, sehr leise über das Kriegsende. Endlich, die Frauen sahen sich mit grauen Gesichtern, tiefen schwarzen Ringen unter den Augen, an. Sie nickten sich zur Begrüßung nur kurz zu. Die gespenstische Ruhe über diesem Teil der Stadt lag wie ein Leichentuch auch über den Menschen. Endlich schüttelte sich Frau Hansen, aus Haus Nummer 47. Sie ging direkt auf Emma-Luise zu: „Was meinst du, kommen unsere Männer von der Front zurück? Wie das wohl alles weitergeht. Du hast ja Glück, deiner war nicht an der Front. Immer am Holsten Wall. War bestimmt nicht leicht.“ „Nee, war es wirklich nicht,“ sie sah auf den Boden. Schweigen: „Nee, ich weiß auch nicht, wie‘s weitergeht. Seine Partei ist jetzt weg. Wo ist denn Nickel der Fettwanst. Als Ortsamtsleiter wusste der doch immer, wo es lang ging!“ „Der ist verschwunden. Der lässt sich bestimmt nicht blicken. Das fette Schwein. Und seine Alte, so aufgetakelt, wie die immer war.“ Frau Hansen konnte vor Schreck den Satz nicht beenden, denn unten vom Weiher, dem kleinen Park am Anfang der Straße, aus Richtung der Nivea-Fabrik Beiersdorf, brummten schwere Lastwagen den Eidelstedter Weg hinauf. Neugierig, vorsichtig, aber auch sehr verängstigt zogen sich die Bewohner dieser Straße unter die dickste Eiche am Straßenrand zurück. Als ein offener Jeep vor ihnen anhielt, verschlug es einigen von ihnen die Sprache. Zwei riesige Farbige in englischen Uniformen, mit schweren Waffen im Arm, stiegen langsam aus. Kamen auf sie zu. Die weißen Zähne blitzten in ihren dunklen Gesichtern. Sie lachten, winkten mit der freien Hand. Einer sprach etwas Deutsch: „Kein Angst, nix tun. Kommen aus England. Alles besser jetzt!“ Aus der Jackentasche zog er mehrere braune, flache Tafeln hervor. Cadbury’s Schokolade. „Komm her Junge,“ sprach er Uwe an. „Nimm, hier Schokolade.“ Uwe traute sich nicht gleich. Da rannte Rolf los, nahm dem Soldaten eine Tafel aus der Hand, rannte wieder zurück an die dicke Eiche, um sich dahinter halb zu verstecken. Er hielt die Tafel hoch und schrie: „Schokolade!“ Plötzlich lachten die meisten der versammelten Bewohner. Schokolade hatten sie lange nicht mehr gesehen. Auf dem Kopfsteinpflaster polterten und dröhnten schwere Panzer und Lastwagen an ihnen vorbei. Immer in Richtung Hagenbecks Tierpark und Volksparkstadion. Mit offenen Mündern sahen die Bewohner sich an. „Das ist also das Ende deines Tausendjährigen Reiches“, fauchte Emma-Luise ihrem Mann Karl ins Ohr. Der hatte sich neben sie geschlichen. Unauffällig, unbemerkt von anderen Bewohnern: „Sieh dir die Trümmer an, alles kaputt. Und du Idiot hast daran geglaubt. Was jetzt? Willst du für die Tommys arbeiten? Immer hab‘ ich dir gesagt, lass mal Fünfe gerade sein, aber nein, du musstest den Tausendprozentigen machen. Immer drauf hauen auf die Schwachen.“ Sie spukte vor ihrem Mann aus. Humpelnd, sich vor Schmerzen immer wieder bückend, an ihr Schienbein fassend, ging sie langsam auf den farbigen Offizier zu. Mit einer Hand hielt sie ihre lange Turnhose fest. Der Gummibund war gerissen. Ihr Mann hatte sie, in einem winzigen unbeobachteten Moment, ganz nah an sich heran gerissen. Seine wässerigen, eisig strahlenden hellen Augen starrten sie wütend an. Blitzschnell trat er mit voller Wucht gegen ihr linkes Schienbein. Sie knickte zusammen, biss sich auf die Lippen. Schmeckte Blut. Als seine Hand auf sie zuflog, beugte sie sich noch weiter nach unten. Der Schlag ihres Mannes ging daneben. Zum ersten Mal in ihrer Ehe. Nur vor ihrem Mann hatte sie Angst. Nie hatte sie gewagt, sich zu wehren, doch das sollte sich jetzt ändern. Immer wieder hatte er ihr gedroht, ihren Sohn Rolf den Behörden zu melden. Er würde ihn als Schwachsinnigen anzeigen. Sie wüsste ja, was dann passieren würde. Dabei fuhr er sich manchmal mit der flachen Hand über den Kehlkopf. „Rübe ab,“ meinte er höhnisch lachend. Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, als sie in diesem Moment die Hand ausstreckte und den britischen Offizier mit schmerzverzerrtem Gesicht anlächelte. Ohne zu fragen, ohne auch nur etwas zu denken, nahm sie dem, vor ihr nahe den Jeeps stehenden, riesigen Soldaten, der seine Waffe auf sie richtete, einen zerknüllten, dreckigen Zettel aus der linken Hand. Sie hatte genau beobachtet, als er dieses Papier aus seiner Brusttasche zog. Als wenn sie es geahnt hätte, es standen tatsächlich Namen darauf. Mit weit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf Karl Sesilski, ihren Ehemann. Der stand ganz oben auf der Liste. Blitzschnell machte der Soldat einen riesigen Satz auf Karl zu. Der alles beobachtet hatte. Er versuchte wegzurennen. Da versperrten ihm seine Nachbarn den Weg. Mit hängendem Kopf, nach unten gebeugtem Nacken, die Hände auf dem Rücken fest im Griff des Soldaten, stand Karl für ein paar Sekunden hilflos da. Der Soldat schubste ihn vorwärts in den Jeep. Emma-Luise erfror fast von dem Blick, den ihr Mann ihr zuwarf. Sie spukte aus. Die Nachbarn klatschten. Die Kolonne der englischen Soldaten fuhr langsam wieder an. Hielt plötzlich auf den Bürgersteig fahrend nochmals an. Der Offizier zeigte auf Max Kruse aus Hausnummer 47. Zeigte ihm die Liste, zeigte sie nochmals Emma-Luise, beide schüttelten den Kopf. Die anderen gesuchten Männer waren abgehauen. „Die Nazis sind nicht mehr hier, sind weggelaufen,...



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