Driessen | Geschichte der Niederlande | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 312 Seiten

Reihe: Kulturgeschichte

Driessen Geschichte der Niederlande

Von der Seemacht zum Trendland

E-Book, Deutsch, 312 Seiten

Reihe: Kulturgeschichte

ISBN: 978-3-7917-6227-2
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hätten Sie gedacht, dass die Oranje-Trikots der niederländischen Fußballfans auf einen deutschen Prinzen zurückgehen? Und dass ihr Schlachtruf mehr als 400 Jahre alt ist? Die Geschichte der Niederlande steckt voller Überraschungen. Wissenschaftlich fundiert, doch zugleich packend und amüsant beschreibt Christoph Driessen das Land von Rembrandt und Mata Hari, Anne Frank und König Willem-Alexander. Seit der Erstveröffentlichung 2009 hat dieses ungewöhnliche Geschichtsbuch viele begeisterte Leser gefunden. "Spannend wie ein Abenteuerroman, unterhaltsam wie wissenschaftliches Kabarett", urteile die "Münstersche Zeitung".
Für die neue Ausgabe wurde das reich illustrierte Standardwerk überarbeitet, aktualisiert und vor allem im letzten Teil neu geschrieben.
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KAPITEL 2
Weltmacht Holland
Das Goldene Zeitalter
Die fliegenden Holländer.
Rotweißblau auf allen Meeren
Nowaja Semlja, Arktis, 6. Januar 1597. Mitten in Eis und Schneetreiben, mitten in der ewigen Dunkelheit des Polarwinters steht eine Holzhütte, und aus dem Schornstein steigt Rauch auf. Hier leben sechzehn Menschen. Unter Führung von Willem Barents und Jacob van Heemskerck sind sie auf einer Expedition, um für die Stadt Amsterdam eine nördliche Seeroute nach China und Indien zu finden. Doch ihr kleines Schiff ist schon vor mehr als vier Monaten vom Packeis eingeschlossen worden. Es blieb ihnen nichts anders übrig, als auf der Insel im Nordpolarmeer zu überwintern. Aus angeschwemmten Baumstämmen und aus den Spanten des Schiffswracks bauten sie eine Hütte. Die Nägel, die sie sich dabei nach Zimmermannsart in den Mund steckten, froren ihnen an den Lippen fest, „so dass, wenn wir sie herausnahmen, die Haut abriss und das Blut nur so umherspritzte“. So vermerkt es einer der Männer in seinem Tagebuch. Seit het behouden huys, das Wohlbehaltene Haus, fertig ist, brennt darin Tag und Nacht ein Feuer. Der Schiffsarzt hat die Idee gehabt, aus einem Fass eine Art Sauna zu bauen, in der man ein Dampfbad nehmen kann. Die Männer leben von ihren wenigen Vorräten und vom Fleisch der Polarfüchse, die sie fangen. Da ihre Pendeluhr im November eingefroren ist und es auch nicht mehr hell wird, messen sie die Zeit mit einem Zwölfstundenglas, einer Sanduhr. Einzige Lichtquelle ist eine Lampe, die mit Bärenfett brennt. Die Eisbären sind ihre größte Heimsuchung; sie lauern ihnen beim Holzholen und Schneeschaufeln auf, schleichen stundenlang ums Haus, klettern brüllend aufs Dach und machen sich am Schornstein zu schaffen, ja sie versuchen sogar, die Türe aufzubrechen. Mit Flinten, Hellebarden und brennenden Scheiten setzen sich die Holländer zur Wehr. An diesem 6. Januar aber gibt es einen Lichtblick. Keinen wirklichen – es bleibt so finster wie immer. Aber im Haus wird der Dreikönigstag gefeiert. Aus zwei Pfund Mehl und etwas Öl backen die Schiffbrüchigen Pfannkuchen, trinken dazu Glühwein, tanzen und singen und losen, wer König von Nowaja Semlja sein darf. Einen Abend lang bilden sie sich ein, „bei unseren Lieben in patria zu sein“.* ––– Algier, Nordafrika, 22. August 1616. Die würfelförmigen Häuser, überragt von Kuppelmoscheen und Minaretten. Das Gewirr der Gassen. Das Labyrinth des Basars. Und dazwischen: Weynant de Keyser van Bollandt, seit heute Konsul der Generalstaaten beim Dey von Algier. An immer mehr Handelsplätzen lässt die Haager Regierung die Interessen der Kaufmannschaft durch Bevollmächtigte vertreten. Zuletzt schloss Cornelis Haga, Botschafter an der Hohen Pforte in Konstantinopel, einen höchst lukrativen Vertrag mit dem türkischen Sultan. Aber Algier – das ist noch etwas anderes, denn Algier ist die Hauptstadt der Barbaresken, der nordafrikanischen Seeräuber. Im Hafen sind ihre Galeeren vertäut, die mit ihren Ruderfüßen wie Wasserkäfer über die Wogen eilen. Daneben liegen die wendigen Felucken, die im ganzen Mittelmeer Jagd auf die schwerfälligen Handelsschiffe der Holländer machen. Ihre großen Lateinsegel sind der Schrecken aller christlichen Seefahrer, denn die Muselmanen haben es nicht nur auf die Fracht abgesehen, sondern auch auf die Besatzungen. Wenn das Lösegeld zu lange auf sich warten lässt, verkaufen sie die gefangenen Seeleute als Sklaven, und mancher Janmaat aus Middelburg oder Enkhuizen zieht ein paar Tage später mit einer Karawane zu seinem neuen Herrn im Landesinneren. Konsul de Keyser soll Sklaven freikaufen und mäßigend auf den Dey einwirken. Was die Generalstaaten besonders empört: Von den algerischen Kaperkapitänen stammen etwa sechzig aus den Niederlanden! Viele von ihnen haben Psalmbuch und Bibel über Bord geworfen und beten nun zu Allah. Schon kurz nach seiner Ankunft trifft de Keyser den gefürchteten Soliman Reys alias der Torfbauer, der aus Hoorn stammt und einer der ranghöchsten Kommandanten der Korsarenflotte ist. Andere heißen Simon der Tänzer, Jan Janszoon aus Haarlem alias Moerat Reys oder Claes Compaen, der „allerberüchtigste Erz-Seeräuber“. Compaen ist eine solche Plage, dass sich die Generalstaaten schließlich gezwungen sehen, ihm Pardon anzubieten. Behangen mit goldenen Halsbändern, kehrt er nach vier wilden Jahren in sein Heimatdorf zurück und verbringt den Rest seines Lebens mit Spazierengehen, Angeln und Geldzählen. Da hat es de Keyser weitaus schlechter getroffen – er muss in Algier um sein Leben fürchten. Als die niederländische Kriegsmarine eines der algerischen Schiffe aufbringt und daraufhin dreißig Seeräuber über Bord gehen lässt, verlangt das aufgebrachte Volk von Algier seinen Kopf, so dass er in Schutzhaft genommen werden muss. Ein anderes Mal wird er von einem Algerier als Mof – als Mistdeutscher – bezeichnet, was ihn so wütend macht, dass er ihm einen Stoß versetzt. Auf ein solches Vergehen eines Ungläubigen steht die Todesstrafe – schon wird der Scheiterhaufen für de Keyser zusammengetragen. Nur dem Eingreifen eines befreundeten Mullahs verdankt er, dass er schließlich mit einer Geldstrafe und 400 Stockschlägen davonkommt. „Ganz bestimmt, Hochmögende Herren“, versichert er den Generalstaaten, „es ist keine Freude, hier Konsul zu sein.“ ––– Koromandelküste, Südindien, 8. Dezember 1617. Zu beiden Seiten steht der Urwald, ein Spalier von Bäumen und Sträuchern, zusammengeflochten in einem Würgegriff aus Lianen, Schlingpflanzen und Mistelgewächsen. In der Luft liegt ein betäubender Geruch von Pflanzen und Fäulnis. Schnattern und Schreien, Zirpen und Brüllen tönt aus dem Blättergewirr. Mitten durch dieses Gestrüpp kommen 129 schwitzende Männer in zerlumpter, schmutziger Kleidung, zusammen mit Kamelen, Pferden und Ochsen, die ihre Last kaum noch tragen können. Ihr Anführer spornt sie immer wieder dazu an, nur nicht aufzugeben. Es ist ein Mann mit wilder Mähne und struppigem Bart, aber freundlichem Gesicht, überaus beliebt bei seinen Leuten, nur leider sehr dem Alkohol und den Frauen zugetan: Pieter van den Broecke, Oberkaufmann der Vereinigten Ostindischen Compagnie, ein gebürtiger Antwerpener, dessen Familie nach Hamburg und später nach Amsterdam ausgewichen ist. Er ist ein Pionier des Fernhandels, der schon zahllose Abenteuer bestanden hat. Östlich von Aden hat er die erste niederländische Faktorei in Arabien eröffnet, in Indien eine Handelsniederlassung in der Hafenstadt Surat; er hat in Sanaa mit dem Pascha von Jemen verhandelt und Kontakte zum Großmogul von Delhi geknüpft, er ist den Kongofluss hinaufgefahren und hat Java, Madagaskar und die afrikanische Goldküste besucht. Und nicht zu vergessen: In der Stadt Mokka am Roten Meer, wo „nie zuvor jemand von unserer europäischen Nation gewesen war“, kostete er von einer merkwürdigen „Sorte schwarzer Böhnchen, aus denen sie schwarzes Wasser machen, das sie warm trinken“. Als erster Holländer hat van den Broecke ein kopje koffie getrunken. Er macht Geschäfte mit Paschas und Großmoguln. Der VOC-Kaufmann Pieter van den Broecke. Gemälde von Frans Hals, um 1633. Im Juni 1617 sieht es dann kurz so aus, als würde ihn sein Glück verlassen. Vor der indischen Westküste erleidet er Schiffbruch. Die Mannschaft kann sich jedoch retten und die halbe Ladung bergen. Da er keine Chance sieht, auf dieser Seite des Subkontinents wieder zu einem Schiff zu gelangen, beschließt er, mit seinen 132 Männern und den wertvollsten Teilen der Fracht ganz Indien zu durchqueren, um an der Ostküste nach Masulipatnam vorzustoßen, wo er ein holländisches Schiff anzutreffen hofft. Es geht durch Wüsten und Gebirge, durch die Territorien habgieriger Fürsten, die Wegezoll fordern, und durch Gegenden, in denen es von Räubern wimmelt. Mehrmals wird der Trupp auf seiner beschwerlichen Wanderung angegriffen und muss sich dann mit Musketen, Säbeln und Spießen verteidigen. Aber es gibt auch Momente, in denen van den Broecke die Wanderung genießt: Er bewundert Hindutempel – einmal übernachten sie in einem verfallenen Dorf sogar in einer Tempelanlage – und erfreut sich an der Weite und Schönheit der Landschaft. Am 3. November 1618 erreicht van den Broecke das niederländische Kastell Gelria an der indischen Ostküste. Nur 15 seiner Leute sind in Gefechten oder an Krankheiten gestorben. Die glückliche Ankunft wird am darauf folgenden Sonntag mit einer Taufe gefeiert: Jan Jasperssen aus Emden, einer von van den Broeckes Soldaten, ist während des Gewaltmarsches durch Indien Vater eines kleinen Jasper geworden; die Mutter ist eine freigekaufte Sklavin. ––– 19. November 1619, Straße von Sunda, zwischen...


Christoph Driessen, Dr. phil., geb. 1967 als niederländ. Staatsbürger in Oberhausen, war 14 Jahre Auslandskorrespondent in Den Haag, London und New York. Heute Leiter des Kölner Büros der dpa.


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