Drews | Ein Tag hat viele Farben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Drews Ein Tag hat viele Farben

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8437-1836-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1836-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Tag ist viel zu kurz für all diese Probleme ... Erst an dem Tag, an dem die Geräte ihres Vaters abgeschaltet werden, kommen die drei Geschwister Mia, Tom und Anna nach Jahren wieder einmal zusammen. Statt gemeinsam zu trauern, beschäftigt sie am meisten, was mit dem Familienschatz geschehen wird. Sie alle haben ihre eigenen Pläne für das wertvolle Pechstein-Gemälde. Doch im Laufe des Tages erfahren sie, dass nicht alles ist, wie es scheint. Und Familie Liebe mit Ecken und Kanten ist ...

Christine Drews arbeitete schon während ihres Germanistik- und Psychologiestudiums für diverse TV-Produktionen. Nach ihrem Magisterabschluss schrieb sie verschiedene Comedy-Serien und ist seit 2002 als freie Autorin tätig. Sie schreibt Drehbücher für Filme, Familien- und Comedyserien und arbeitet als Autorin für zahlreiche Showformate. Aktuell schreibt sie Drehbücher für »Soko Köln« und »Bettys Diagnose«.
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Eins


Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.Karl Kraus (1874–1936)

Mick Römer starrte auf das Bild, das über dem Kamin hing, und versuchte, die Kopfschmerzen zu ignorieren, die ihn heute schon den ganzen Tag über plagten. Normalerweise hatte er solche Beschwerden nur, wenn er zu viel getrunken hatte, aber auch dann war das Pochen in seinem Kopf nicht so schlimm wie heute. Und gestern Abend hatte er keinen Tropfen angerührt.

Vielleicht lag es am Wetter, dachte er und betrachtete weiter das Bild. Wie schön es doch war. Diese Farben, wie sie strahlten und die ganze Umgebung in ein warmes Licht tauchten – einmalig. Der Mann auf dem Bild hatte seine Augen geschlossen, wahrscheinlich schlief er. Er lag auf einer Wiese, auf der Mohnblumen blühten, die Sonne schien von der rechten Seite in sein Gesicht. Vielleicht hatte er die Augen auch einfach nur geschlossen, um nicht geblendet zu werden. Jeder sah das anders. Viele meinten, der Mann sähe ihm ähnlich.

»Natürlich sieht er dir ähnlich!«, sagte Hanna lachend.

Abrupt drehte Mick sich um, wodurch die Schmerzen in seinem Kopf noch schlimmer wurden. Für einen Moment glaubte er, sie nicht länger aushalten zu können. Er hatte das Gefühl, als würde sein Schädel jeden Augenblick platzen. Aber Hannas Anblick ließ ihn die Qualen vergessen. Lächelnd stand sie vor ihm. Das blonde, lockige Haar glänzte, keine kahle Stelle war zu sehen. Ihre Haut war rosig und gesund, ihr ganzer Körper schien unversehrt.

»Das bist doch schließlich du!«, sagte sie und streckte ihre Arme aus.

Mick wollte auf sie zugehen, wollte sie umarmen und küssen, endlich wieder ihre Nähe spüren. Er hatte sie so sehr vermisst. Aber er schaffte es nicht, sich zu bewegen. Die Schmerzen in seinem Kopf wurden immer heftiger, er konnte kaum mehr klar sehen. Der Raum schien zu verschwinden, die Farben von Wand und Fußboden gingen ineinander über, die Vorhänge lösten sich auf und auch die Möbel wurden zu einer einzigen breiigen Masse.

Nur Hanna stand klar und wunderschön. Sie war die einzige Konstante in diesem sich auflösenden Etwas.

»Danke, dass du mir verziehen hast«, sagte sie lächelnd und ihm stiegen die Tränen in die Augen.

»Natürlich habe ich dir verziehen, wie hätte ich dir nicht verzeihen können? Nichts ist stärker als unsere Liebe, das weißt du doch.«

Hanna lächelte ihn an und nickte. Doch plötzlich schien ihr Gesicht verzerrt, die blonden Haare wurden dunkler, der zarte Körper fülliger.

»Hanna?«

»Was redest du da?«

Die Stimme. Sie klang nicht mehr warm und freundlich, sondern misstrauisch, fast schrill.

Mick musste sich am Kaminsims festhalten. Er hatte das Gefühl, als würde der Boden seine Festigkeit verlieren, wanken und schwanken, wie ein in Seenot geratenes Schiff. Langsam sackte er in die Knie.

»Hanna … Bist du das wirklich?«

Dann sah er sie wieder klar. Mit einem Lächeln, das sie immer auf den Lippen hatte, wenn sie an der Staffelei saß, ging sie auf ihn zu und kniete sich zu ihm auf den Boden.

»Ja, Liebster. Ich bin es.«

Dann legte sie die Arme um ihn und er sackte auf ihrer Brust zusammen.

»Hanna … Ich liebe dich so sehr …«, sagte er glücklich.

Doch kurz bevor der Schmerz verschwand und alles um ihn herum dunkel wurde, riss er noch mal erschrocken die Augen auf, als er das schrille Schreien hörte:

»Ich bin nicht Hanna, verdammt noch mal! Ich bin Constanze! Deine Frau! Was fällt dir ein …!«

Dann war es still.

Mia


Er sieht fast so aus wie der Kerl auf dem Pechstein, dachte Mia, als sie ihren schlafenden Mann betrachtete. Mit offenem Mund lag Mark neben ihr und atmete gleichmäßig ein und aus. Sie hatten früher häufig darüber diskutiert, ob der Mann auf dem Bild schlief oder nur die Augen geschlossen hatte, weil er von der Sonne geblendet wurde.

»Interpretationssache«, hatte ihr Vater immer gesagt. »Jeder sieht in dem Bild etwas anderes.«

»Für mich hat er die Augen überhaupt nicht geschlossen«, hatte Constanze dann geantwortet und alle hatten ihr vehement widersprochen. Natürlich hatte er die Augen zu, das war eindeutig. Auch wenn das eine vielleicht einen winzigen Spalt offen stand, wie das bei schlafenden Menschen schon mal vorkommen konnte. Aber Constanze sah ja in allen Bildern etwas anderes, als der Rest der Familie, was nach Mias Meinung an dem mangelnden Kunstverständnis ihrer Stiefmutter lag, das nur aus oberflächlich angelesenem Wissen bestand, mit dem sie auf Partys Small Talk machen konnte. Die Tiefe und raue Schönheit des Gemäldes hatte sich ihr nie erschlossen, Kunst war für sie Dekoration, nicht mehr und nicht weniger.

Warum musste sie jetzt an das Bild denken? In zwei Stunden klingelte der Wecker, dann würde der traurigste Tag ihres Lebens beginnen. Der Tag, an dem sie ihren Vater verlieren würde – und ihre wiedersehen musste. Jedenfalls glaubten die anderen ihre Familie zu sein. Dabei hatte sie nur Halbgeschwister und eine Stiefmutter, die sie in den letzten Jahren nur selten gesehen hatte. Einzig zu ihrem Vater hatte sie den Kontakt gehalten. Er, nur er war ihre Familie. Die anderen waren irgendwann dazugekommen, nachdem das Schicksal so unerbittlich zugeschlagen hatte. Und jetzt stand dieses treffen an, aus einem Anlass, der ihr die Tränen in die Augen trieb.

»Ich habe für hinterher einen kleinen Snack vorbereitet«, hatte Constanze zu ihr am Telefon gesagt. »Du kommst doch?«

Einen Snack? Für hinterher? Mia hatte es nicht fassen können. Geräte ausschalten und dann erst mal was essen. Das war so typisch für Constanze. Erst mal was essen, dann sah die Welt gleich wieder anders aus. Und Constanze selbst langsam auch.

»Das ist der Stoffwechsel«, hatte sie ihr irgendwann mal gesagt. »Wenn du die vierzig überschritten hast, Liebes, dann wird es auch für dich immer schwieriger, das Gewicht zu halten.«

»Du isst jeden Tag mindestens ein Stück Kuchen.«

»Zum Kaffeeründchen, selbstverständlich. Da ist doch nichts bei.«

»Wenn du meinst. Hauptsache du fühlst dich wohl in deiner Haut.«

Constanze hatte sie empört angeschaut. »Du tust ja gerade so, als wäre ich zum Walross mutiert!«, sagte sie und holte im nächsten Augenblick zum Gegenschlag aus: »Ich hab immerhin zwei Kinder auf die Welt gebracht, das verändert den Körper einer Frau nun mal – für immer!«

Bang. Das saß. Mias ungewollte Kinderlosigkeit beendete zuverlässig jeden Streit, da sie grundsätzlich den Raum verließ, sobald das Thema auf den Tisch kam. Dabei wusste niemand in ihrer Familie, wie lange sie es schon erfolglos versuchten, eigentlich wusste sogar niemand, dass sie sich überhaupt Kinder wünschten, da Mia immer fluchtartig verschwand, wenn sie darauf angesprochen wurde. Constanze rief ihr dann stets noch Entschuldigungen hinterher, aber die wollte Mia nicht mehr hören. Meistens reiste sie kurz darauf mit Mark ab.

»So’n bisschen bist du es aber auch selbst Schuld«, hatte er das letzte Mal zu ihr gesagt, als sie wütend das Haus ihres Vaters verlassen hatte. »Du weißt doch, wie empfindlich Constanze mit ihrem Aussehen ist. Warum musst du denn immer wieder in dieselbe Kerbe hauen? Ist doch klar, dass die dann irgendwann zurückschlägt.«

In Sachen Familienstreit kannte Mark Winter sich aus. Seine Schwester Caro hatte über ein Jahr kein Wort mit ihrem Vater gewechselt, bis es schließlich an der Goldenen Hochzeit von Mias Schwiegereltern zur tränenreichen Versöhnung gekommen war.

Mia wusste, dass sie es war, die immer den Streit suchte. Es war ein Reflex, der sich in ihrer Kindheit bereits zeigte und in Mias Pubertät sicherlich seinen Höhepunkt fand. Natürlich war Constanze nicht zu dick, in den letzten zwanzig Jahren hatte sie sich von Kleidergröße achtunddreißig auf eine gute zweiundvierzig hochgefuttert, das war beim besten Willen nicht dramatisch viel für eine Frau Mitte fünfzig. Und sie hatte genug Freunde, deren Rundungen und Ernährungsgewohnheiten ihr vollkommen wurscht waren.

Es ging nicht um Ernährung oder eine schlanke Linie. Es ging um Constanze. Mia wusste, wie sehr die Frau ihres Vaters darunter litt, nicht mehr die knackige Figur von früher zu haben. Das Alter und der Zahn der Zeit, der trotz aller Hilfsmittel auch an Constanzes Schönheit nagte, waren ihre Achillesferse. Und in regelmäßigen Abständen musste Mia sie einfach verletzen. Es war eine Art Stiefmutter-Tourette, das sie als rebellierender Teenager perfektioniert hatte. In der Pubertät war Mia der lebende Albtraum gewesen.

Wenn sie daran dachte, wie sie sich damals benommen hatte, wie sie mit ihrer Clique, die größtenteils aus düsteren und merkwürdigen Gestalten bestand, nachts über die Friedhofsmauer geklettert war, um eine Erdpfeife direkt neben dem Grab des unbekannten Soldaten zu rauchen, dann wurde ihr jetzt noch schlecht. Diese Mia von damals hatte rein gar nichts mehr mit der Frau von heute zu tun. Heute trug sie ihre blonden Locken zu einem Zopf gebändigt, damals standen sie...


Drews, Christine
Christine Drews arbeitete schon während ihres Germanistik- und Psychologiestudiums für diverse TV-Produktionen. Nach ihrem Magisterabschluss schrieb sie verschiedene Comedy-Serien und ist seit 2002 als freie Autorin tätig. Sie schreibt Drehbücher für Filme, Familien- und Comedyserien und arbeitet als Autorin für zahlreiche Showformate. Aktuell schreibt sie Drehbücher für 'Soko Köln' und 'Bettys Diagnose'.



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