Drawert | Alles neigt sich zum Unverständlichen hin | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Drawert Alles neigt sich zum Unverständlichen hin

Gedicht
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-406-81380-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Gedicht

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-406-81380-1
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In seinem neuen Langgedicht lässt Kurt Drawert erneut jenen halb fatalistisch-melancholischen, halb sarkastisch-ironischen Ton anklingen, der sein Werk so unverwechselbar macht. Nur ist die Lage, der sich das lyrische Ich ausgesetzt sieht, beinahe noch prekärer geworden. Wie die Bewegung eines Flusses seine Stoffe mit sich führt, sie an Land schwemmt oder im Wasser untergehen lässt, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen, so bewegt sich der Text durch die Zeit - tragisch wie komisch, nachdenkend wie erzählend, in freier Rede wie metrisch gebunden.
Ein Requiem, ein großer Gesang.

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§ 1) Die Würde des Menschen ist.
Was ich besitze, geht entzwei. Wenn du[2] nur neben mir besser einschlafen könntest. Mein Unglück wäre dann die Hälfte des Weges (zu dir). Es wird nach wie vor nur vorwärts geschossen. Fortschrittlich. Wie die meisten Produkte. Besser als alles, bis zum Jahrgang meiner Geburt. Ich gehe nur noch ein + aus im eigenen Haus der Vermutung. Vermutlich ein Steinbruch. Ein ver- derbliches Herz. Die Sonne steht ebenfalls nicht, wo sie stehen soll. Tote Orte sind stumm. Meine Angst vor der Unsterblichkeit ist größer als die vor dem Tod. Es mangelt am Mangel, für die einen, für die anderen ist er genau das Problem. Lyrik z.B. kann ab sofort und von fast überall her abgeschrieben werden. Irrsinn fällt keinem auf. Die Kohärenz der Aporie sind 5 sehr offene Minuten mit dem Nachrichtensprecher, allein. Sie ist nicht blond und heißt Isabella. Wir kennen uns in + auswendig vom Gedicht LXXXVII aus: Der Körper meiner Zeit, Seite 198 (ISBN 978 3.406.69801 9). Ich lernte sie lieben, noch ehe ich Abstand von jeder heiklen Nähe nahm. In K., wo der Flusslauf der Weichsel diesen herrlichen Bogen rund um ihre Hüften schlug – «hier jetzt aber dringend das Zeitproblem lösen (!)» –, gut. Ich meinte ja nur. Den Akzent-/Punkt habe ich, offen gestanden, gestohlen, von meinem Lieblingsgast-/wirt mit Rakiverkostung am Ufer des Bosporus, wo die Tanker vor Anker liegen bis zum Ende der Endabrechnung beim Schleusenpersonal, tief-/blau, wie eine Haubitze (alle, die mit dem Trinken auf- hören wollten). Da lag er zwischen 2 Bierdeckeltürmen. Einsam. Von keinem beachtet. Wie ich. Nun trägt ihn I- sabella auf ihrem Namen, stolz, + so schön wie ein Hut von Coco Chanel. Warum erzähle ich das. Meine Sehn- sucht nach Gold im Erinnerungs-/flusslauf wird größer mit jeder Stunde, die mir stündlich abgezogen wird. Meistens nur taubes Gestein. Wie im wahren Leben der Bergziegen. Hauptsache, die Ab-/sprünge sitzen. Wohin, ist egal. Ich kontrolliere meinen Schreibtisch, regelmäßig, nach einem Sprengsatz. Aber wer, wenn nicht ich, könnte ihn an- bringen? Meine Toilette ist auch für Touristen nicht sehr erfreulich. Eine letzte private Sphäre in einer Atmosphäre der Notzucht, z.B. gleich links, neben dem Plastikhalter für die Rolle Papier, wenn man rückwärts hereinkommt, hängt oben rechts, im goldenen Rahmen – schon wieder «Gold» – der Graph des Begehrens. Daneben der Borro- mäische Knoten, von dem ich erst gestern einen Ring herauslösen konnte für ein Piercing am linken Ohr meiner symbolischen Freundin. Muss ja nicht echt sein, nur glitzern. Die Zukunftsforscher sagen (viel) Gutes voraus. Aber zurück von ihren Prognosen kommen sie auch nicht. Andererseits, es stimmt: Wenn etwas nicht stimmt, liegt es an mir. Wer getroffen wird von einer wirklichen Kugel, hat sich geirrt. Wer absäuft, war leider auf dem falschen Dampfer. Der Krieg muss sich dringend neu ins Wörterbuch schreiben. In allen Sprachen. Weiß nicht, ob die Lage der Stallunter- künfte im O-/denwald gerade doch Ernst macht. Gerüchte hier allenthalben. Jemand sah jemanden, der so aussah, als wäre er gerade erst gekommen, und das ist nicht, denn strukturell und auf dem Land wäre es schon zu vermuten, sexuell zu verstehen. Erst wieder heuer, im Heu. Ein Film nach dem anderen. Alles P 18. Grob betrachtet. Habe auch das überlebt. ? Funktional sein, und keiner kann es gebrauchen. Die ganze elende Liebe – nichts als Verrat, + er reiht sich und reiht sich eng aneinander. Da passt nichts mehr dazwischen. Kein klitzekleiner Signifikant (des Erbarmens). Gar nichts. Aber davon dann alles. Draußen regnet es Blut. Oder eine Ader im Auge ist wieder aufge- brochen, weil ich zu lange hinsah. Der Körper hält nicht mehr Schritt mit der Welt auf dem Smartphone. Die Er- rungenschaften jagen einander wie die notgeile Wildsau den Eber, der alt ist (ich). Ein osmanisches Holzhaus mit Blick auf mein Leben habe ich mir auch ab-/geschminkt. Bitte die Metapher beachten, solange sie warmbleibt (aktiv ist). Ich fasse jetzt einmal für die Nachwelt zusammen, was alles ausfällt: 1) Die Globalisierungsachse kann nicht einmal metonymisch stabil sein, sobald es um den Mehrwert der
Produktion geht, und dann, wenn die Erdlinge aller Länder ihre Verliese verlassen, die Gefängnisse sprengen, die Ketten, sich verpissen auf eine y-Achse, die paradigmatisch einfach so das Spielfeld sprengt. – Die ersten verlassen wütend den
Raum. Auch gut. 2) Wäre die Menschheit nicht schon immer auf Wanderschaft gegangen, um die schönsten Äpfel zu
pflücken, die herrlichsten Pflaumen, ich säße noch auf dem Nachttopf meiner Oma in Nassenheide, und wenn es hier keine guten Tarife fürs Handy mehr gibt, dann ziehen auch wir Leine, ebenso. Ich erinnere mich gut, wie ich einmal hungrig zu Abraham kam, und mit mir drei Fremde. – Üble Beschimpfungen. Zwischenrufe, wie: Lügenfresse oder Wir sind die Volksfront. Hätte ich so auch nicht erwartet. 3) Der Grundwiderspruch: Ich erzähle Romane, und sie wollen es twittern. Irgendwie geht ja heute alles mit dem Unendlichen schwanger. + da ist jeder Abstand gleich. Ist nun mal so. Also, ohne Differenz (différence) und ab in die Frei-/zeit. Was soll da, lexikalisch betrachtet, noch bleiben. Fängt schon beim Singvogel an. Keiner kennt noch die Lieder. Nur Fachsprachen. Schweigen auf Englisch. Stumm sein auf Deutsch. Auch die Schweiz: eine herbe Enttäuschung, was dafür das unbedingte Grundeinkommen von 1 Tausend Franken betrifft, unbedingt … Also bin ich, also existiere ich zu sein. Erst von der Mutter getrennt, und dann keine Zahlung vom Staat, wo doch wohl klar ist, dass jeder, von den gespal- tenen Persönlichkeiten gleich einmal gar nicht zu sprechen, mindestens ein Mal zu viel auf diesem Fuß-, äh, Erdball ist. Gestern, dieses Tor in letzter Minute, die 50 Toten davor, jetzt Dauerregen, wie soll einer das alles in seiner Daten- bank auf Abruf halten. Meine Software läuft auch leer. Der Vertrag ist verfallen, wenn ich mich nicht jeden Tag melde. «Ich», das sagt sich so einfach. Irgendwo las ich darüber. Sehr lange her. Wahrscheinlich aus Anlass der ersten Auflage, Strom weg. – «Du, ich kann nichts recherchieren.» Eine Fliege kämpft mit dem Elend. Auch sie, ganz ohne Beistand, ohne letztes Gebet. Das ist in der Regel die Regel. Sie fällt, und ich kehre sie weg. Oder ein anderes Wesen. Austauschbar. Arbi- trär. Wie ein Geschlechtsakt, mit, aber das weiß ich jetzt auch nicht. Vielleicht einem Staubsauger, den keiner mehr braucht. Oder dem Kürbis aus Nachbars Garten, der wild im Stachel- draht wuchert. Keiner hatte die Absicht, hier eine Mauer zu errichten, und dann Wohlstandsgrenzen, damit ja keiner, aber was, weiß ich jetzt auch nicht. Etwas f. immer etwas. Könnte ein Selbstzitat sein. Könnte. Aber wie schon eben ge- dacht – ich weiß es nicht. Gelegentlich entstehen tatsächlich Sätze, die noch niemals entstanden waren, mit eigenen Augen, geschlossen auf die Welt gerichtet, damit sie nicht sofort er- blinden. Eine Netzhaut kann reißen, wie ein Zusammenhang, der keiner ist. Noch nie in der Geschichte der Spaltungs-/sub- jekte musste so vieles gesehen werden, gleichzeitig, wie wenn was von oben fällt, was nicht nach unten gehört, oder, Frau Müller[3]. Wir kennen sie, aus einem früheren Gedicht. Die
anderen sind jetzt im Nach-/teil. Übrigens. Liebes Internet. Ich muss mich wirklich einmal entschuldigen. Als ich kürzlich tief tauchte, im Urlaub auf einer Sonderplattform,...


Kurt Drawert lebt als Autor von Lyrik, Prosa, Dramatik und Essays in Darmstadt, wo er auch das "Zentrum für neue Literatur" leitet. Bei C.H.Beck erschien zuletzt der Roman "Dresden. Die zweite Zeit" (2020). Für sein Werk erhielt er zahlreiche Literaturpreise, zuletzt den Georg-Christoph-Lichtenberg-Preis (2020), den Walter-Kempowski-Preis für biografische Literatur(2021)und den Italo-Svevo-Preis 2023).



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