E-Book, Deutsch, Band 3, 474 Seiten
Reihe: Midnight Kiss
Drake Verlockende Finsternis: Midnight Kiss - Band 3
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96148-752-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, Band 3, 474 Seiten
Reihe: Midnight Kiss
ISBN: 978-3-96148-752-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hinter dem Pseudonym Shannon Drake verbirgt sich die New-York-Times-Bestseller-Autorin Heather Graham. Bereits 1982 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Seitdem hat sie über zweihundert weitere Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Florida. Von Shannon Drake erscheinen bei dotbooks die »Midnight Kiss«-Romane, die im Sammelband »Dark Sensations« zusammengefasst sind: »Blutrote Nacht« »Bei Anbruch der Dunkelheit« »Verlockende Finsternis« »Das Reich der Schatten« »Der Kuss der Dunkelheit« Der erste Band der Reihe ist auch im Vampir-Sammelband »Shadow Kiss« enthalten. Unter ihrem Namen Heather Graham veröffentlicht sie bei dotbooks: »In den Händen des Highlanders« »Fieber der Leidenschaft« »Der Lord und die Rebellin« »Die Leidenschaft des Earls« »Das Begehren des Ritters« »Die Gefangene des Freibeuters« »Das Erbe der Liebenden« Die Highland-Kiss-Saga: »In den Armen des Schotten« »Der Highlander und die schöne Feindin« »Gefangen von einem Highlander« »Die Braut des Viscounts« Die Wild-Passion-Saga: »Der Ungezähmte und die Schöne« »Der Laird und die Schöne« »Der Krieger und die Schöne« Die Cameron-Saga: »Der Lord und die ungezähmte Schöne« »Die Geliebte des Freibeuters«
Weitere Infos & Material
Prolog
Der Mond war voll. Riesengroß stand er am Himmel, eine funkelnde, schimmernde Scheibe, die spöttisch auf die Erde herabzublicken schien.
Obwohl er bei Nacht ausgezeichnet sehen konnte, half ihm das Mondlicht.
Er hatte beschlossen, die Stadt vom Campanile aus zu betrachten, und blickte nun auf das Gewühl der Menschen, die sich in den Gassen drängten, und die klare Schönheit des nächtlichen Himmels über ihm. Er wurde immer angespannter, immer wachsamer.
Carnevale.
Venedig.
Der Wahn des Ganzen.
Heute Nacht. Sie würden heute Nacht zuschlagen.
Denn dort unten auf den Straßen, Gassen und Kanälen tummelten sich alle möglichen Karnevalsbesucher: Artisten, Stelzengänger, Arm und Reich, alle waren heute Nacht unterwegs, um das Spektakel zu genießen.
Doch die Welt war düster, trotz der Lichter, die die Stadt erleuchteten, und trotz der Laternen, die viele Maskierte bei sich trugen.
Das große Fest vor der Fastenzeit.
Ja, sie würden danach trachten, sich heute Nacht die Bäuche vollzuschlagen. Und sie würden es tun – sich vollfressen ...
Es sei denn ...
Mit der Anmut und dem Geschick des geborenen Jägers verließ er lautlos seinen Aussichtspunkt.
Und er begab sich in die Stadt.
Jordan Riley öffnete die Fensterläden ihres Zimmers im Hotel Danieli und musterte die lärmende, in Festlaune schwelgende Menge. Von hier aus sah man auf den Canale di San Marco bis hin zum Canale Grande, auf Vaporettos, Gondeln und den Strom von Menschen, die zu den Anlegestellen liefen oder von dort kamen. Schräg gegenüber erhob sich die herrliche Kuppel der Kirche Santa Maria della Salute. Und wenn sie sich weit aus dem offenen Fenster lehnte, konnte sie zu ihrer Rechten den Rand des Markusplatzes sehen, wo das Treiben der Kostümierten am dichtesten war. Lachen und Musik erfüllten die Nacht, überall herrschten Frohsinn und Freude. Das Fest vor der Fastenzeit mochte auch in anderen Städten bekannt und beliebt sein, aber Jordan glaubte, dass der Karneval nirgendwo so herrlich begangen wurde wie in Venedig.
Und so skurril manche Kostüme auch sein mochten, sie wirkten alle höchst elegant.
»Jordan, bist du fertig?«
Sie drehte sich um. Ihr Cousin Jared stand auf der Schwelle. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass er es war, hätte sie ihn nie erkannt. Er hatte sich als Dottore verkleidet, ein beliebtes Kostüm im venezianischen Karneval. Früher war die Stadt oft von der Pest heimgesucht worden, weshalb der Dottore eingedenk des Schutzes, den die Ärzte gegen die üblen Gerüche angelegt hatten, eine Maske mit einer riesigen, oft schnabelförmigen Nase trug. Die Masken waren kunstvoll und ein bisschen furchteinflößend. Außerdem trug Jared einen weiten Umhang mit einer Kapuze, da er keine Lust gehabt hatte, sich in ein geckenhaftes Renaissance-Kostüm zu werfen. Maske und Umhang waren rasch angezogen, vielleicht war das Kostüm auch deshalb so beliebt.
»Fertig? Na klar! Ich kann es kaum erwarten. Dort draußen herrscht ja ein unglaublicher Trubel!«
Sie war schon mehrmals in Venedig gewesen, doch noch nie zur Karnevalszeit. In diesem Jahr hatten Jared und seine Frau Cindy sie überredet, zum Karneval mitzukommen. Heute Abend stand der erste große Kostümball auf dem Programm. Ein klein wenig kam sie sich wie das fünfte Rad am Wagen vor, weil sie ohne eigenen Begleiter war. Ihre Italienischkenntnisse reichten zwar, um den Zimmerservice zu rufen und sich nicht zu verirren, doch sie hatte Angst, neben Wildfremden zu sitzen, mit denen sie sich kaum unterhalten konnte, auch wenn die meisten Einheimischen Englisch sprachen. Aber der Reiz des Vorhabens überwog ihre Ängste.
»Gottlob! Ich dachte schon, du würdest versuchen, dich vor heute Abend zu drücken«, meinte er.
»Ich? Mich drücken? Auf gar keinen Fall!« Natürlich entsprach das nicht ganz der Wahrheit, denn sie hatte tatsächlich mit diesem Gedanken gespielt, doch als es dunkel wurde und von überall her Musik an ihr Ohr drang, hatte schon die Stimmung des Abends ihre Abenteuerlust erregt. Bestimmt würde sich jemand finden, mit dem sie sich unterhalten, tanzen und ein paar angenehme Stunden verbringen konnte.
»Du siehst übrigens hinreißend aus!«, erklärte er.
Jordan machte einen Knicks. »Danke.«
Ihr Kostüm stammte aus der Renaissance, einer in Venedig sehr beliebten Zeit, und sah mit seiner wundervollen Paillettenverzierung und seinem Spitzenüberwurf wirklich hinreißend aus. Sie hatte es in allerletzter Minute bei einem Kostümverleih besorgt und war nur deshalb dazu gekommen, weil sie sehr zierlich war – wenn sie sich ganz gerade hinstellte, brachte sie es bei fünfundvierzig Kilo auf einen Meter sechzig. Das Kleid war für eine junge Frau angefertigt worden, die kurzfristig hatte absagen müssen, und offenbar war keine andere mehr mit der richtigen Größe aufgekreuzt.
»Hinreißend. Und du wirkst sogar ein bisschen größer.«
»Das sind die Schuhe«, erklärte sie und zeigte sie ihm. Allerdings fragte sie sich, ob die Frauen damals wirklich so hohe Absätze getragen hatten. Bestimmt waren sie nur ein Zugeständnis an die Eitelkeit moderner Frauen.
»Hoffentlich schrumpfst du nicht mal so wie Oma Jay, denn dann bleibt nichts mehr von dir übrig.«
»Mach nur weiter so. Sei ruhig gemein, nur weil du all die Riesengene abbekommen hast«, erwiderte sie. Es war wirklich seltsam, dass er so groß war und sie so winzig. Aber sie hatten beide die tiefdunkelgrünen Augen von Oma Jay geerbt – die Augen und die Freude an neuen Orten, Menschen und Städten wie Venedig mit seinem wirklich einzigartigen Charakter.
»Nichts wird mehr von dir übrig bleiben«, wiederholte er mit einem spöttischen Seufzen. »Kannst du in diesen Schuhen überhaupt laufen?«
»Tja, ich habe ziemlich viel Übung mit hohen Absätzen«, versicherte sie ihm. »Nur so schaffe ich es, über den Ladentisch zu sehen und notfalls auf einen Barhocker zu klettern.«
»Hey, ihr zwei, wir sollten jetzt endlich los, es ist schon spät.«
Cindy stand in einem schwarzen viktorianischen Trauerkostüm vor der Tür. Sie war fast so groß wie Jared.
»Jordan! Tolle Schuhe. Vielleicht denken die Leute heute Abend ausnahmsweise mal nicht, du wärst meine Tochter.«
Jordan stöhnte. »Cindy! Willst du mich auch noch quälen?«
»Dich quälen? Ich bin gerade mal fünf Jahre älter als du, und ständig werde ich gefragt, ob ich deine Mutter bin!« Sie schüttelte sich.
»Ihr seht beide umwerfend aus«, erklärte Jared. »Zwei der beeindruckendsten Schönheiten der Stadt. Also, nachdem das jetzt geklärt ist, könnten wir eigentlich gehen, oder?«
Kurz darauf durchquerten sie das jahrhundertealte Foyer des prunkvollen Hotels. Sogar die Pagen trugen Masken, und jeder grüßte jeden. Überall wurden Komplimente ausgetauscht, alle lächelten und waren hochgestimmt.
Sie traten in das Gewühl auf dem Bürgersteig vor dem Kanal. Die Leute rempelten einander an, Entschuldigungen fielen in Dutzenden verschiedener Sprachen. Jared reckte den Hals, um über die Menschen hinwegzusehen. Wassertaxis, Vaporettos und Gondeln drängten sich am Anleger vor dem Danieli, alle Plätze waren belegt.
»Mädels, wartet mal kurz. Vielleicht geht unsere Fahrt erst hinter der nächsten Ecke los«, meinte er und machte sich mit flatterndem Umhang auf den Weg.
Jordan und Cindy bahnten sich durch den Strom der Passanten einen Weg zum Kanal und warteten am Ufer, während Jared sich auf die Suche nach dem Privatboot machte, das sie zu dem Ball bringen sollte, der jedes Jahr in einem historischen Palazzo stattfand und stets einer der Höhepunkte des Karnevals war.
Jared hieß wie Jordan mit Nachnamen Riley, aber seine Mutter stammte aus Genua. Italien hatte schon immer eine ganz besondere Faszination auf ihn ausgeübt, und inzwischen arbeitete er als Vertreter eines amerikanischen Reiseunternehmens in Venedig und verbrachte fast genauso viel Zeit in Italien wie in Amerika. Deshalb sprach er auch perfekt Italienisch.
Jordan wünschte sich, diese Sprache besser zu beherrschen. Ein Mann rempelte sie an, tippte an seinen Hut und erging sich in einer langatmigen Entschuldigung. Sie hatte keine Ahnung, was er sagte, also lächelte sie nur, nickte und meinte: »Prego, prego« – ›ich bitte Sie‹, was fast auf alles passte. Er lächelte, fasste sich noch einmal an den Hut und ging weiter.
»Ich werde heute Abend ein Auge auf dich haben müssen«, meinte Cindy. »Diese Ratte hat versucht, dich anzumachen.«
»Cindy, das ist gemein. Woher willst du wissen, dass er eine Ratte war?«
Cindy lachte und warf ihr langes blondes Haar zurück, das heute Abend nicht wie üblich glatt über ihren Rücken fiel, sondern in winzige Löckchen gelegt war. »Er war als Ratte verkleidet, hast du das nicht bemerkt?«
»Ach so«, murmelte Jordan. »Nein. Ich habe den Schwanz gesehen und den grauen Filz auf seinen Schultern, aber ...«
»Eine Ratte«, warnte Cindy. »Auch wenn sie aus der Renaissance stammt: Ratte bleibt Ratte. Wir sollten lieber auf der Hut sein, heute Abend sind wahrscheinlich ziemlich viele Ratten unterwegs – und Wölfe. Und du siehst aus wie eine leckere Beute.«
»Mädels«, meinte Jared, der in dem Moment wieder zu ihnen stieß, »wir müssen runter an den Markusplatz. Unser Mann ist in der Bootsschlange ziemlich weit hinten und meinte, ein Stückchen weiter könnten wir leichter einsteigen.«
»Na gut. Es ist ohnehin besser, wenn wir hier nicht stehen bleiben. Ratten und Wölfe und andere Widerlinge sind hinter unserer kleinen Roten her«, erklärte Cindy.
»Kleine Rote?«, fragte Jared. Er klang, als würde er verwirrt die...




