E-Book, Deutsch, Band 2, 474 Seiten
Reihe: Midnight Kiss
Drake Bei Anbruch der Dunkelheit: Midnight Kiss - Band 2
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95885-660-8
Verlag: venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 474 Seiten
Reihe: Midnight Kiss
ISBN: 978-3-95885-660-8
Verlag: venusbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hinter dem Pseudonym Shannon Drake verbirgt sich die New-York-Times-Bestseller-Autorin Heather Graham. Bereits 1982 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Seitdem hat sie über zweihundert weitere Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Florida. Von Shannon Drake erscheinen bei venusbooks: »Blutrote Nacht« »Bei Anbruch der Dunkelheit« »Verlockende Finsternis« »Das Reich der Schatten« »Der Kuss der Dunkelheit« Der erste Band der Reihe ist auch im Vampir-Sammelband »Shadow Kiss« enthalten. Unter ihrem Namen Heather Graham veröffentlich sie bei venusbooks: »In den Händen des Highlanders«
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Kapitel 1
»Ah, guten Morgen, Schwester Wunderbar!«
Jade musste nicht aufblicken, um zu wissen, dass Matt Durante vor ihrem Tisch stand. Sie kannte seine Stimme ebenso gut wie seine rundlichen Wangen, sein breites Grinsen und seine stets schalkhaft blitzenden blassblauen Augen. Matt schien aus Extremen zu bestehen. Jade kannte keinen, der dem Leben derart fröhlich und unbeschwert gegenüberstand wie Matt. Stets hatte er ein Lächeln auf den Lippen, er war nie deprimiert und allzeit bereit, jemandem einen Gefallen zu tun, egal, ob einem zerlumpten Penner auf der Straße oder einem guten Freund. Aber was er schrieb, war düster, düsterer als die schauerlichen Abgründe alter Mythen. Er schuf Geschichten aus der Schattenwelt, beängstigende, eindringliche Geschichten, die Art von Geschichten, die dem Leser Angst machten, nachts auf dunklen Gassen unterwegs zu sein oder allein daheim zu sitzen.
Sie legte die Zeitung weg, rückte ihre Sonnenbrille zurecht und sah zu ihm hoch. »Guten Morgen, Schwester Wunderbar? Soll das heißen, dass mein jüngeres Schwesterchen heute Morgen etwas angestellt hat? Hat sie etwa an deinem letzten Kapitel über das Leben der Bösen und der Glücklichen herumgemäkelt?«
Er grinste und setzte sich neben sie, als ob er geradewegs zu ihr hatte kommen wollen. Allerdings war es kein großes Geheimnis, dass sie morgens meist hier im Café du Monde zu finden war. Es war zwar ein beliebter Touristentreff für die Frühaufsteher in New Orleans, aber es gab auch herrlichen Kaffee und wundervolle Beignets, und noch dazu wirklich preiswert. Außerdem beobachtete sie gern die Touristen, die immer viel zu reden und zu tun hatten. Man bekam alle möglichen Sprachen zu hören. Sie liebte das geschäftige Treiben, das sich morgens hier abspielte, obwohl sie am liebsten allein herkam und ihre Zeitung las. Aber ebenso sehr schätzte sie die helle Morgensonne und das Treiben und Plaudern von Hunderten von Leuten um sie herum. Vor allem seit dem letzten Jahr.
Ihre Freunde wussten immer, wo sie zu finden war. Und viele ihrer Freunde waren Schriftsteller, wie Matt, obwohl sie ganz unterschiedliche Sachen schrieben: Jade hatte sich auf Reisen und Geschichte spezialisiert; Matt liebte das Makabre; Jenny Dansen schrieb witzige Geschichten, kleine Schnipsel aus dem Alltag; Jades Schwester hatte vor kurzem angefangen, Fantasy zu schreiben. Sie nannten sich »Mittwochgruppe«. Diesen schlichten Namen hatten sie sich gegeben, weil sie einzig aus Liebe zum geschriebenen Wort zusammenkamen; worum es im Einzelnen ging, war gar nicht so wichtig.
»Ich habe dein sündiges jüngeres Schwesterchen gestern Abend gesehen. Wir haben in der neuen Cajun-Kneipe am Highway gegessen und danach ein paar Sachen für Halloween eingekauft. Deine Schwester ist fantastisch, herrlich, süß wie ein Sahnebonbon – und hat eine Figur wie die Sünde. Und sogar zu mir, einem zugegeben wunderlichen Kauz, war sie ausgesprochen nett.«
»Aha. Nun, verzeih mir, aber wenn meine Schwester so verdammt gut klingt, warum bin ich dann auf einmal so wunderbar?«
»Na ja, auch du bist süß und fantastisch und hast eine Figur wie die Sünde, aber heute früh hast du auch noch Talent.«
»Wie bitte?«
Grinsend knallte er einen Stapel Ausdrucke auf den Tisch und fuhr sich durchs Haar. »Du weißt ja, wie besessen ich bin.«
Matt war kommerziell der Erfolgreichste ihrer Gruppe. Er verdiente einigermaßen und war auch einigermaßen bekannt. Seine Titel kletterten auf den wichtigen Bestenlisten, etwa in der New York Times oder in der USA Today, immer weiter nach oben. Aber er war zwanghaft. Jedes Mal, wenn eines seiner Bücher herauskam, ob als Hardcover oder Taschenbuch, führte er sich auf wie ein kleines Kind. Er war schier krank vor Sorge und sah ständig im Internet und anderen Quellen nach, wo sein Buch gerade stand.
Vor Jade lagen nun die Ausdrucke der aktuellen USA Today-Liste. Und zwar nicht nur die ersten fünfzig Titel, die in der Zeitung erschienen, sondern die Liste mit hundertundfünfzig Titeln, die es nur im Internet gab oder wenn man bei der Zeitung direkt anfragte.
Sie starrte auf die Seiten und dann auf ihn.
»Hundert«, meinte er.
»Hundert?«
»Dein kleines Buch Divinely Wicked über Kathedralen und Kirchen, das du im Eigenverlag herausgebracht hast, hat es auf Platz einhundert geschafft. Jade, so etwas ist fast noch nie da gewesen! Ein unglaublicher Coup!«
Sie konnte es kaum glauben. Erst sah sie ihn noch einmal prüfend an, dann nahm sie das Blatt in die Hand. Die Art von Büchern, die sie schrieb, hatte eigentlich nie besonders viel Erfolg, obwohl sie einigermaßen über die Runden kam, weil sie sie selbst veröffentlichte. Dank des Internets erreichte sie Märkte, zu denen sie sonst keinen Zugang gefunden hätte. Weil man per Internet auf ihren Verlag zugreifen konnte, lagen ihre Bücher auch in Buchhandelsketten aus und in einigen der noch verbliebenen unabhängigen Buchhandlungen, die sich auf Geschichte und Mittelalter spezialisiert hatten.
»Du glaubst mir nicht? Auch gut. Aber sieh selbst!«
Sie tat es. Und da war tatsächlich ihr Buch und ihr Name.
»Und du glaubst nicht, dass das ein Irrtum ist?«, fragte sie.
Er lachte. »Du klingst ja wie ich!«
»Nein«, erwiderte sie und lächelte ihn an. »Du bist durch und durch neurotisch. Weil du Erfolg hast, glaubst du nicht, dass du Talent hast. Und gleichzeitig hast du ständig Angst, nicht genug Talent zu haben, um erfolgreich zu sein. Wir können dir auf die Schulter klopfen, so oft wir wollen, du bist und bleibst ein Neurotiker.«
Er nickte fröhlich. »Ich weiß. Aber du klingst trotzdem genau wie ich.«
Sie seufzte und starrte wieder auf die Liste. »Ich wundere mich nur, aber natürlich freue ich mich auch.«
»Es ist ein tolles Buch. Fantastische Fotos. Und du hast es ganz allein gemacht.«
»Das meiste. Shanna hat auch ein bisschen geholfen.«
Der Kellner kam an den Tisch, und Jade bestellte noch eine Tasse Kaffee, Matt Beignets und Kaffee.
Jade konnte. den Blick kaum von der Liste wenden.
»Unglaublich!«, sagte sie schließlich.
»Also – wann findet die Party statt?«
»Was für eine Party?«
»Du musst uns selbstverständlich einladen, die Mittwochgruppe, und zwar gleich heute Abend.«
»Heute ist Donnerstag.«
»Das weiß ich. Aber du kaufst jetzt ein paar Kisten Champagner, kein billiges Zeug, und vielleicht sogar ein bisschen Kaviar.«
»Hast du mir nicht mal erklärt, dass du Kaviar hasst?«
»Das spielt jetzt keine Rolle. Bei einem solchen Anlass braucht man Kaviar. Und wir werden dir alle zuprosten und tolle Sachen sagen und feiern.«
»Ja, vielleicht sollten wir das tun. Aber glaubst du denn, die Zeit reicht, um allen Bescheid zu geben?«
»Jade, Jade, Jade!«, meinte er ungeduldig. »Warum glaubst du wohl, dass ich so früh hier bin? Wir machen uns jetzt gleich daran, alle anzurufen!«
»Wir?«
»Na ja«, meinte er beiläufig, »The Ripper of London, Hardcover, verfasst von dem jungen Mann direkt neben dir, hat es unter die ersten zehn geschafft.« Er kramte die Zeitung aus der Gesäßtasche seiner Jeans und warf sie auf den Tisch.
»Wirklich, Matt?«, fragte sie aufgeregt.
Er hatte das Feuilleton schon an der richtigen Stelle aufgeschlagen. Sein Buch, die Nummer acht, war knallrot umrandet, darum herum stand ›Yeah! Yeah! Yeah! ‹.
»Herzlichen Glückwunsch!«, meinte sie.
»Danke!« Er grinste glücklich.
»Aber du bist viel weiter oben als sich. Warum muss ich die Party schmeißen?«
»Weil du die nettere Wohnung hast.«
»Findest du?«
»Eine Stadtwohnung in einer hübschen alten Villa aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, im Kolonialstil, und gleich daneben ein französisches Restaurant, in dem es die besten Desserts gibt, die man sich nur vorstellen kann. Ein wunderhübscher, efeuumrankter, mit Blumen vollgestopfter Balkon im ersten Stock mit Blick auf einen tollen Jazz-Club und bestens gepflegte Straßen. Hm, na ja, lass mich nachdenken. Ich bewohne ein Winzappartement im zweiten Stock in einem Teil der Stadt, vor dem man Touristen warnt. Ja, ich habe nachgedacht. Du hast die hübschere Wohnung. Bei dir findet die Party statt.«
»Warum ziehst du nicht um? Das könntest du dir leisten!«
»Ist das dein Ernst? Ich wohne neben den besten, verrücktesten Voodoo-Leuten, die ich je getroffen habe. Meine Nachbarn sind alle völlig durchgeknallt, ich liebe sie. Sogar den einäugigen Jack Russell mit nur einem Hoden, der der alten Mammy Louise über mir gehört.«
»Der pisst doch ständig auf deine Schuhe.«
»Wie böse kann man schon einem Hund sein, der nur einen Hoden hat?«
»Ich habe nichts gegen den kleinen Kerl, mich hat er noch nie angepinkelt. Und übrigens – ich habe nichts gegen deine Wohnung. Du hast dich beschwert, nicht ich.«
»Richtig beschwert habe ich mich ja nicht. Aber du hast schlicht und ergreifend die passendere Wohnung für eine Party.«
»Na gut. Ich freu mich auf die Party und ruf die anderen gleich an.«
»Du musst nur noch deine Schwester anrufen.« Er wurde rot. »Ich habe schon ein bisschen rumtelefoniert.«
Sie zog eine Braue hoch. Er grinste. »Na ja, du brauchtest nur noch einzuwilligen, begeistert zu sein und wirklich feiern zu wollen.«
Der Kellner kam mit dem Kaffee und den Beignets. Matt schob ihr den Korb hin. »Ganz frisch, sie sind noch warm.«
Sie schob den Korb zurück. »Nein danke, ich bin satt.«
Er insistierte nicht weiter und verschlang gierig eines der mit Puderzucker bestäubten Teilchen. Dann grunzte er wohlig und...




