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E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Doyle Wildnis


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-14941-3
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-641-14941-3
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Überleben in der Wildnis – ein spannungsvoller, meisterhaft erzählter Abenteuerroman

Ein großes Abenteuer – das bedeutet für die Brüder Tom und Johnny die Reise nach Finnland, die sie mitten im Winter mit ihrer Mutter unternehmen. Um dem häuslichen Ärger mit der älteren Stieftochter zu entgehen, hat diese für sich und ihre Söhne eine Husky-Tour durch die finnische Wildnis gebucht. Und tatsächlich haben die Jungen in der weißen Weite und mit den Schlittenhunden einen enormen Spaß. Da passiert das Undenkbare: Ihre Mutter geht im Schnee verloren und viel zu schnell geben die Schlittenführer die Suche auf. Nicht aber Tom und Johnny: Heimlich spannen sie die Huskys vor die Schlitten und begeben sich allein auf die Suche …

Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, ist einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Für seinen Roman »Paddy Clarke Ha Ha Ha« erhielt er den renommierten Booker Prize. Auch als Autor für Kinder hat er sich einen großen Namen gemacht. Roddy Doyle lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Dublin.
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1


KAPITEL EINS


Johnny Griffin war schon fast zwölf und sein Bruder, Tom, war zehn. Mit ihren Eltern und ihrer Schwester wohnten sie in Dublin. Sie waren ganz normale Jungen. Und an jenem Tag, als ihre Mutter die Ankündigung machte, waren sie besonders normal.

Sie saßen in der Küche und erledigten ihre Hausaufgaben. Draußen regnete es und der Regen hämmerte auf das flache Küchendach. Deshalb hörten sie den Schlüssel ihrer Mutter in der Haustür nicht und sie hörten sie auch nicht durch den Flur kommen. Sie war ganz plötzlich einfach da.

Sie mochten es sowieso, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, aber heute war es noch besser, denn sie war klatschnass. Um ihre Füße bildete sich bereits eine Pfütze.

»Bin ein bisschen nass geworden, Jungs«, sagte sie.

Sie schüttelte sich und große, mitgebrachte Regentropfen spritzten die Jungen voll und ließen sie aufschreien und lachen. Sie packte nach ihnen und drückte ihre Gesichter gegen ihre feuchte Jacke. Tom lachte erneut, Johnny aber nicht. Er fand, dafür sei er schon zu alt.

»Lass los!«, schrie er in die Jacke.

»Sag bitte«, sagte seine Mutter.

»Nein!«

Aber sie ließ ihn los, und dann auch seinen Bruder.

»Wo wir hinfahren, Jungs, gibt es keinen Regen«, sagte sie.

Das klang interessant.

»Nur Schnee.«

Das klang sehr interessant.

Also erzählte sie ihnen, was sie heute getan hatte, während der Mittagspause. Sie war an einem Reisebüro vorbeigegangen und etwas Helles im Fenster hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Sie war stehen geblieben und hatte es sich angesehen. Es war ein Hügel, mitten im Fenster, aus künstlichem Schnee errichtet, und diesen Hügel fuhr ein Teddybär auf Skiern herunter. Es war Werbung für die Winterferien.

»Es war wirklich albern, Jungs«, sagte sie. »Der arme Teddy trug einen viel zu großen Sturzhelm und die Skier hatten sie ihm falsch herum angezogen. Aber, völlig egal, ich ging rein und buchte eine Reise für uns.«

»Wohin?«, sagte Johnny.

»Finnland.«

Die Jungen flippten aus. Tom schoss durch den Flur, die Treppen rauf, sprang auf die Betten, und kam wieder zurück.

»Wo ist Finnland?«, fragte er.

Sie holten Johnnys Atlas aus der Schultasche und fanden Finnland. Ihre Mutter zeigte ihnen die Route, die sie nehmen würden. Ihre Finger glitten über Dublin, die Irische See.

»Zuerst müssen wir bis Manchester fliegen«, sagte sie.

Und ihr Finger tippte auf Manchester und glitt auf der Karte weiter nach Norden.

»Und dann nach Helsinki.«

Der Klang des Namens gefiel ihnen.

»Helsinki! Helsinki!«

Sie stießen sich gegenseitig an und lachten.

»Und dann«, sagte ihre Mutter, »wechseln wir nochmals das Flugzeug und fliegen sogar noch weiter nach Norden.«

Ihr Finger glitt ab Helsinki aufwärts und hielt dann inne.

»An einen Ort, der nicht mal auf der Karte verzeichnet ist«, sagte sie.

»Warum nicht?«, fragte Tom.

»Wahrscheinlich weil er dafür zu klein ist«, sagte Johnny.

»Stimmt«, sagte ihre Mutter.

»Wie heißt er?«

»Hab ich vergessen«, sagte ihre Mutter. »Und die Reisebroschüre hab ich auf der Arbeit liegen lassen. Aber es sieht dort wunderbar aus.«

»Wann fahren wir los?«, sagte Johnny.

»In zwei Wochen.«

»Krass«, sagte Tom.

»Aber dann haben wir noch Schule«, bemerkte Johnny.

Er hatte es ausgerechnet. Jetzt war Mitte November. Zwei Wochen dazu und es war Anfang Dezember, drei Wochen vor dem Beginn der Weihnachtsferien.

»Nein, habt ihr nicht«, sagte ihre Mutter. »Ich hab schon mit Mrs Ford telefoniert.«

Mrs Ford war die Direktorin ihrer Schule. Johnny ging in die sechste Klasse und Tom war in der fünften.

»Sie sagte, sie neige dazu, gnädig über mein Anliegen zu entscheiden, weil ihr beide dabei so wahnsinnig viel lernen könnt.«

»Heißt das, wir dürfen mit?«

»Ja«, sagte ihre Mutter. »Sie meinte, ihr sollt abzischen, aber bloß nicht vergessen, ihr ein Geschenk mitzubringen.«

Damit war die Sache geritzt. Sie würden nach Finnland fahren.

»Coo-hool!«

Im Großen und Ganzen stimmte das alles. Doch einiges von dem, was ihre Mutter Johnny und Tom erzählt hatte, entsprach nicht der Wahrheit. Sie hatte ihnen gesagt, sie habe die Reisebroschüre auf ihrem Schreibtisch liegen lassen. Hatte sie aber nicht. Sie steckte in ihrer Handtasche. Sie wollte aber nicht, dass die Jungs sich auf ihre Tasche stürzten und darin herumwühlten. Es waren Dinge darin, die die beiden nicht sehen sollten. Sie hatte ihnen erzählt, der Teddy im Schaufenster habe einen zu großen Sturzhelm getragen und falsch herum auf den Skiern gestanden. Das stimmte nicht. Es gab gar keinen Teddy. Und sie hatte ihnen erzählt, sie sei schnurstracks ins Reisebüro marschiert, um den Urlaub zu buchen. Aber auch das stimmte nicht. Sie hatte die Reise heute während der Mittagspause gebucht. Aber geplant hatte sie sie bereits seit Wochen.

Johnnys und Toms Mutter hieß Sandra. Sandra Hammond.

»Kommt Dad mit?«, fragte Tom später, beim Mittagessen.

Ihr Vater hieß Frank. Frank Griffin.

»Nein«, sagte Sandra.

»Warum nicht?«

»Na ja«, sagte Sandra. »Das wird ein Abenteuerurlaub. Und ihr kennt doch euren Dad. Unter einem Abenteuer versteht er, an die Haustür zu gehen und die Milch reinzuholen.«

»Was ist mit Gráinne?«

Gráinne war ihre Schwester.

»Nein«, sagte Sandra. »Die kommt auch nicht mit.«

»Warum denn nicht?«, sagte Johnny.

»Weil sie nicht wollen würde«, sagte Sandra.

Tom und Johnny berührte das nicht weiter. Ihre Mutter hatte Recht, Gráinne würde nicht mitkommen wollen, selbst in ein so cooles Land wie Finnland nicht. Gráinne war viel älter als die Jungen. Sie war achtzehn. Und Tom und Johnny mochten sie nicht besonders. Hauptsächlich deshalb, weil Gráinne sie auch nicht mochte.

Ihr Vater kam nach Hause. Sie hörten es an der Musik. Er drehte sie immer laut auf, die Autofenster heruntergelassen, allerdings erst, wenn er in die Auffahrt einbog. Er tat es, um ihre Nachbarin zu ärgern. Das war eine lange Geschichte. Jedenfalls reichte sie weit zurück. Sie reichte zurück in die Zeit, als Gráinne erst drei Jahre alt und Frank mit einer Frau namens Rosemary verheiratet war und sie in das Haus einzogen. Frank half den Möbelpackern dabei, ein Sofa ins Haus zu tragen. Bloß war er ihnen keine wirkliche Hilfe. Eigentlich war er eher im Weg. Er stand vor der Tür und beobachtete Gráinne. Sie sprach mit einer Frau, die gerade ihre Seite der Hecke beschnitt. Das war Mrs Newman, die neue Nachbarin, auch wenn sie keineswegs wirklich neu war – sie war mindestens vierzig. Und Gráinne redete mit ihr.

»Hallo«, sagte sie.

Aber die neue Nachbarin gab keine Antwort.

»Hallo, Frau«, sagte Gráinne.

Frank sprang über das Sofa und ging geradewegs zur Hecke.

»Meine Tochter hat Hallo zu Ihnen gesagt«, sagte er.

»Was?«, sagte Mrs Newman.

»Sie hat Hallo zu Ihnen gesagt.«

»Ich hab sie nicht gehört.«

Sie sah Frank nicht wirklich an. Sie beugte sich vor und kappte ein Stück Hecke mit der Schere. Es fiel vor Franks Füße.

»Ich bin ein wenig taub«, sagte sie.

»Oh«, sagte Frank.

Er streckte seine Hand aus, über die Hecke.

»Ich bin übrigens Frank Griffin.«

Aber Mrs Newman schüttelte Franks Hand nicht. Tatsächlich schnippelte sie ihm beinahe die Finger ab. Er zog seine Hand gerade noch rechtzeitig zurück. Er spürte den Luftzug an den Fingerspitzen, als die beiden Klingen zuschnappten.

Er hob Gráinne hoch und trug sie in das neue Haus. Mit Mrs Newman sprach er nie wieder, aber die Musik begann er erst viel später lauter zu stellen, etwa drei Jahre nach dem Einzug. Das war der traurige Teil der Geschichte. Frank und Rosemary waren nicht mehr glücklich verheiratet. Er wusste nicht, woran es lag, genauso wenig wie sie. Es schien einfach so zu passieren. Sie liebten einander nicht mehr. Und sie stritten sich. Über Kleinigkeiten, über dummes Zeug. Sie hatten einen Riesenstreit über einen verfaulten Apfel, den Frank am Boden von Gráinnes Schultasche fand. Die Apfelmatsche war in zwei ihrer Schönschreibhefte gesickert und er machte Rosemary dafür verantwortlich. Er wusste, dass es gemein war. Aber er konnte nicht anders. So fühlte es sich an: Er wollte aufhören, aber er konnte nicht.

»Wenn du dich auch nur ein bisschen für ihre Erziehung interessieren würdest, hättest du den Apfel gefunden, bevor er in ihrer Tasche explodierte«, sagte er.

Er brüllte es.

»Und was ist mit dir?«, sagte Rosemary.

Sie brüllte zurück. Sie waren im Schlafzimmer, das zur Straße hinaus lag. Es war eine wunderschöne Septembernacht. Das Fenster stand weit offen. Frank sah es, das geöffnete Fenster, aber es war ihm egal.

»Wo ist denn dein Interesse an ihrer Erziehung?«, sagte Rosemary.

»Jedenfalls bin ich interessierter als du«, sagte Frank. »Das steht mal fest.«

So ging der Streit immer weiter. Er war wirklich albern und führte zu nichts.

Es klingelte an der Haustür. Rosemary schaute zum Fenster hinaus und sah den Polizeiwagen.

»O Gott«, sagte sie.

Sie gingen nach unten, um die Tür zu öffnen. Die beiden jungen Beamten, ein Mann und eine Frau, wirkten peinlich berührt. Es habe eine Beschwerde wegen des Lärms gegeben, erklärten sie Frank. Die Frau, die Polizistin, führte die Unterhaltung. Rosemary stand direkt hinter Frank, sie betrachtete die Beamten über...


Doyle, Roddy
Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, ist einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Für seinen Roman »Paddy Clarke Ha Ha Ha« erhielt er den renommierten Booker Prize. Auch als Autor für Kinder hat er sich einen großen Namen gemacht. Roddy Doyle lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Dublin.

Steinhöfel, Andreas
Andreas Steinhöfel, 1962 in Battenberg geboren, ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer wurde ihm 2009 der Erich Kästner Preis für Literatur verliehen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.



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