Doyle | Professor Zamorra - Folge 1081 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1081, 64 Seiten

Reihe: Professor Zamorra

Doyle Professor Zamorra - Folge 1081

Der Leichenbitter
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-1909-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Leichenbitter

E-Book, Deutsch, Band 1081, 64 Seiten

Reihe: Professor Zamorra

ISBN: 978-3-7325-1909-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Françoise Eugene ist am Boden zerstört. Ein Autounfall nahm ihr die Tochter! Am liebsten würde sie sich selbst umbringen, doch genau an dem Tag, an dem sie das schreckliche Vorhaben in die Tat umsetzen will steht jemand vor der Tür, der ihr verspricht, ihr die heißgeliebte Elise wiederzugeben. Kann der geheimnisvolle Fremde das Versprechen erfüllen - und sollte Françoise es überhaupt annehmen?

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Paris

Dass ihr Sonnenschein ausgerechnet an seinem achtzehnten Geburtstag und nach dem Besuch ihres seit der entsetzlichen Scheidungsschlacht Jahre zuvor etwas außerhalb wohnenden Vaters – und noch dazu bei der allerersten selbstständigen Autofahrt – sterben würde, hatte sich niemand, nicht einmal ihre in Alltagsbelangen oft überängstliche Mutter, vorstellen können.

Das Unglück war umso tragischer, weil die Polizei Françoise erklärt hatte, ihre Tochter sei an dem Unfall völlig schuldlos gewesen. Ein alkoholisierter Raser hatte warnungslos zum Überholmanöver angesetzt, obwohl Elise ihm in ihrem kleinen Citroën auf ihrer Fahrspur entgegen kam. Gegen den wuchtigen SUV hatte ihr kleiner Wagen, und erst recht sie selbst, nicht den Hauch einer Chance gehabt. Sie war von der Fahrbahn gegen einen der Alleebäume geschmettert worden. Die Feuerwehr hatte ihren jungen Körper aus dem völlig demolierten Wrack herausschneiden müssen. Da hatte Elise noch gelebt, war sogar bei Bewusstsein gewesen, wie Françoise berichtet worden war. Aber noch auf der Fahrt ins nächstgelegene Krankenhaus war sie ihren inneren Verletzungen erlegen.

Wie so oft war der eigentliche Unfallverursacher mit geringfügigen Blessuren davongekommen.

In ihrer jetzigen Gemütsverfassung war Françoise nicht einmal in der Lage, den für sie völlig gesichtslosen Mann zu hassen. Das Ereignis hatte sie in eine Schockstarre versetzt, in der ihr jede Bewegung vorkam, als treibe sie unter Wasser. Sie hatte sich noch nie so kraftlos gefühlt wie in diesen Stunden. Noch nie so hoffnungslos. Nicht einmal während der dunkelsten Stunden ihrer gescheiterten Ehe. Sie hatte Elise gehabt. Der Teenager hatte viel aushalten müssen damals, das war Françoise nachträglich bewusst geworden. Viel aushalten müssen, weil ihre Mutter sie allzu oft ihre Verzweiflung hatte spüren lassen. Françoise hatte Trost und Halt bei ihrer Tochter gesucht wie bei einer besten Freundin. Damit war Elise überfordert gewesen, was sie aber nach außen hin nie zeigte.

Nie.

Françoise erzitterte in einem Weinkrampf, presste die Faust gegen den Mund, die Faust, in der sie ein Taschentuch zerknüllt hatte, während sie mit der anderen Hand ein gerahmtes Bild festhielt, das Elise am Tag ihres Schulabschlusses zeigte, das Siegerlächeln im Gesicht. Mir gehört die Welt!, hatten ihre Augen gerufen. Sie hatte Archäologie studieren wollen. Ausgerechnet Archäologie. Aber sie war schon immer ein besonderes Kind mit besonderen Ideen und Wünschen gewesen. Bevor sie sich dem neuerlichen Lernstress hatte aussetzen wollen, war ein Trip kreuz und quer durch Europa geplant gewesen, den sie gemeinsam mit einer Freundin hatte wagen wollen. Schon in zwei Wochen hatte es von Paris aus losgehen sollen. Françoise hatte diesem Termin fast mehr entgegen gefiebert als ihre Tochter, wenn auch aus völlig konträren Erwägungen. Weil sie in Erwartung gewesen war, keine einzige Nacht mehr ruhig schlafen zu können, solange Elise und Laurie unterwegs waren. Damit, dass Elise noch zu Hause, in der gewohnten Umgebung, etwas zustoßen könnte, hatte sie nicht im Traum gerechnet.

Und doch war genau das passiert. Eine unglückliche Verkettung von Umständen hatte Elise zum denkbar falschesten Moment am denkbar falschesten Ort sein lassen …

… und aus!

Zwei Leben ausgelöscht – auf die brutalste nur denkbare Weise!

Zwei.

Denn meins ist jetzt auch vorbei, dachte Françoise leer. Natürlich meins auch. O verdammt, Eli!!

Es gab Filme, in denen seltsame Kräfte oder Geschicke Menschen in die Lage versetzten, sich in die Vergangenheit zu begeben – auf eine tatsächliche Zeitreise –, um dort Geschehnisse zu korrigieren, die sie aus der Bahn geworfen hatten. Aber das war Fiktion. Françoise war sich bewusst, dass die Realität keines dieser magischen Schlupflöcher parat hielt, über die es ihr möglich gewesen wäre, in der Zeit zurückzugehen und Elise daran zu hindern, sich ins Auto zu setzen, um damit zu ihrem Vater zu fahren, den sie davor lange gemieden hatte.

Und der sie noch nach mir als Letzter gesehen hat. Noch nach mir.

Sie konnte nicht verhindern, dass sich die altvertrauten unguten Gefühle bei ihr einstellten, wenn sie an ihren Ex-Mann dachte. Selbst in ihrem fast tauben, eigentlich gefühllosen Zustand fanden diese Emotionen Wege, sich wie ein Gift in ihre Gedanken zu schleichen und für ein paar Atemzüge sogar die Trauer zu überstrahlen, jenes tiefe dunkle Loch, in das Françoise gefallen war.

Es erschütterte sie selbst, wie leicht es ihr fiel, den Vater ihrer Tochter zu hassen – im Gegensatz zu dem Mann, der Elise auf dem Gewissen hatte. Der Mann ohne Namen. Der Mann ohne Gesicht.

Absurd – und völlig surreal, fand sie. Aber es war nicht das erste Mal, dass ihr das Leben als solches genauso vorkam: absurd. Die letzten Jahre hatte sie sich nur langsam von den Nachwehen ihrer Ehe erholt. Es war ihr, so hatte sie zumindest geglaubt, gelungen, Abstand zu diesem prägenden Abschnitt zu gewinnen. Doch nun, angesichts des Verlusts, den sie erlitten hatte, wurde alles wieder hochgespült. All die verlorenen Jahre an der Seite eines lieblosen, gewalttätigen Mannes, der ihr den Alltag zur Hölle gemacht hatte. Sie hatte viel zu spät erkannt, was für ein egoistischer Tyrann Claude war und sich stets damit zu trösten versucht, dass der unseligen Verbindung mit ihm wenigstens etwas Gutes entsprungen war. Elise.

Nun gab es auch diesen Aspekt nicht mehr, und die Dämme, die den Hass auf ihn über Jahre zurückgehalten hatten, brachen.

Du, dachte sie bitter. Du verdammter Mistkerl hättest abkratzen müssen, nicht sie!

Angesichts all des Elends auf der Welt hatte sie oft an dem Gott, an den man sie glauben gelehrt hatte – ihr Elternhaus war erzkatholisch gewesen –, gezweifelt. Diese Zweifel waren nun wie weggeblasen.

Weil es dich nicht gibt. Arschloch. Definitiv nicht gibt!

Wie hätte er sonst so etwas zulassen oder gar veranlassen können?

Françoise Eugene presste das Bild, auf dem ihre Tochter noch voll im Leben gestanden hatte, fest gegen ihre Brust und lenkte ihre Schritte zur Treppe, die hinauf in den ersten Stock führte. Wo die beiden Schlafräume lagen. Und das kleine Bad, das sie sich mit Elise geteilt hatte.

Wie oft hatte sie über die Enge des Hauses geschimpft? Darüber, wie wenig Platz sie darin hatten, obwohl sie nur noch zu zweit waren.

Davon spürte sie jetzt nichts mehr. Im Gegenteil. Jede Stufe, die sie überwand, kam ihr vor, als müsste sie über einen Abgrund hinweg steigen. Und auch oben angelangt, verlor sich dieses Gefühl nicht. Beinahe endlos schien der Weg ins Bad. Als wollte der Weg selbst sie daran hindern, das zu tun, wozu sie fest entschlossen war.

Aber dann stand sie doch vor der schmalen Badewanne, von der an einigen Stellen die Emaille abgeplatzt war, und drehte den Wasserhahn mit dem verblassten roten Punkt auf. Sofort lief Wasser in die Wanne und begann, sie zu füllen. Der Stöpsel verschloss schon den Abfluss, weil Mutter und Tochter sich gleichermaßen vor Spinnengetier geekelt hatten, das aus den dunklen Rohren emporkroch. Trotz dieser Maßnahme hatte Françoise etliche Male kleinere Spinnen entfernen müssen, die aber wahrscheinlich hineingerutscht oder gefallen waren und es danach nicht mehr schafften, sich an der glatten Emailleschicht hochzuarbeiten.

Spinnen.

Ganz am Rand ihrer Gedanken rätselte Françoise, wie sie sich über ein solch winziges Ärgernis je hatte aufregen können.

Höher und höher stieg der Pegel in der Wanne.

Françoise drehte sich um und öffnete die Spiegeltüren des Schränkchens über dem Waschbecken. Nachdem sie eine Weile fahrig darin gestöbert hatte, förderte sie ein Päckchen mit Rasierklingen zutage, das Claude bei seinem Auszug vor Jahren vergessen hatte. Und das sie vergessen hatte zu entsorgen, obwohl es ihr mehrmals ins Auge gefallen war.

Alles andere von ihm hatte sie in den Müll geworfen.

Ahnte ich, dass ich es eines Tages brauchen könnte?

Sie schauderte kurz, dann öffnete sie die Packung aus dünnem Lackpapier und legte sie auf den Badewannenrand.

Mehr brauchte sie nicht. Mehr würde nicht nötig sein. Obwohl …

Unter all der dumpfen Verzweiflung, in die sie gepackt war, fragte sie sich doch, ob es wehtun würde. Sehr weh. Doch Elise hatte sicher viel größere Schmerzen aushalten müssen. Françoise kam sich schäbig vor, das beabsichtigte Sterben für sich erträglich gestalten zu wollen. Dennoch entschied sie sich, das Badezimmer noch einmal zu verlassen und hinunter in die Küche zu gehen, wo sie immer ein paar Flaschen preiswerten Rotwein aufbewahrte. Beim Entkorken merkte sie, wie stark ihre Hände zitterten. Wie stark alles an ihr bebte, fast vibrierte. Dazu hatte sie einen Kloß im Hals, und Tränen liefen ihr übers Gesicht, manchmal bis in die Mundwinkel, sodass sie das Salz darin schmeckte.

Ihr Mut sank. Schnell führte sie die Flasche an die Lippen und nahm einen gierigen Schluck. Es schien zu helfen. Françoise füllte den Mund ein zweites Mal mit Wein und ließ ihn ganz langsam die Kehle hinunter rinnen. Noch während sie das tat, verließ sie die Küche und ging zur Treppe. Die immer noch fast volle Flasche pendelte wie ein Gewicht in ihrer Hand.

In diesem Augenblick schellte es an der Tür.

Die Lebensmüde erstarrte. In den...



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