Doherty | Galerie der Nachtigallen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 258 Seiten

Reihe: Bruder Athelstan

Doherty Galerie der Nachtigallen

Historischer Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95530-838-4
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 1, 258 Seiten

Reihe: Bruder Athelstan

ISBN: 978-3-95530-838-4
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



London im Jahre 1377: Als ein reicher Kaufmann tot in seinem Schlafzimmer aufgefunden wird, muss natürlich der Coroner den merkwürdigen Todesumständen auf den Grund gehen. Cranston, der dauernd betrunken ist, wirkt auf den ersten Blick dumm und leicht zu übertölpeln, doch in Wahrheit ist sein Verstand so scharf wie sein Schwert. Zusammen mit dem ihm zugeteilten Sekretär Bruder Athelstan begibt er sich auf die Suche nach des Rätsels Lösung ...

Paul Charles Doherty, geb. 21. September 1946 in Middlesbrough, als viertes von neun Kindern. Seine Schulzeit absolvierte er in einem katholischen Internat. Anschließend jobbte er mit geringem Erfolg als Müllmann, Straßenkehrer, Busfahrer, Kellner und Knecht Ruprecht. Danach wollte er Priester werden, verwarf dies aber nach drei Jahren und studierte dann Geschichte in Liverpool und Oxford, wo er auch seine Frau Carla, eine Amerikanerin, kennenlernte. Nach dem Studium unterrichtete er in Berkeshire, Nottinghamshire und West Sussex und wurde 1981 zum Leiter der Trinity Catholic Highschool ernannt.
Doherty Galerie der Nachtigallen jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Einleitung


Der alte König lag im Sterben. Der Wind wehte das Gerücht die Themse hinunter. Bootsleute sprachen flüsternd davon, und die bauchigen, seetüchtigen Frachtkähne trugen die Kunde die Küste entlang. Edward schwand dahin; der große, blonde Eroberer Frankreichs, der neue Alexander des Westens, starb. Zu spät für diejenigen, die sein Mißfallen erregt hatten; ihre struppigen, blutverkrusteten Köpfe staken auf der London Bridge, und während die Raben nach saftigeren Happen wühlten, wurden die marmorbleichen Wangen schwarz.

Der große König – oder der große Halunke, das war Ansichtssache – wollte den Geist aus seinem betagten, stinkenden Körper nicht entweichen lassen. Der Hof war im Frühsommer 1377 nach Richmond gezogen, als der Wind nach Südwesten drehte und heftig und heiß von den trockenen Wüsten um das Mittelmeer heraufwehte. Die Pest war nach London gekommen; Männer und Frauen waren niedergesunken mit geschwollenen Lymphknoten und aufgeblähten Bäuchen, und sie hatten ihr Lebensblut ausgespuckt. Der König bekam es mit der Angst, als der Tod sich wie ein Meuchelmörder an seinen Hof schlich.

Edward begegnete ihm mutig. Er versuchte, sein fahlgelbes Gesicht anzumalen und hielt den Mund geschlossen, um seine zerbröckelnden schwarzen Zähne zu verbergen. Er kleidete sich in silbernen und weißen Taft, mit Gold bestickt, und frisierte sein früher hellblondes Haar, obwohl es ihm in zottigen, verschwitzten Strähnen auf die knochigen Schultern hing. Aber der Tod ließ sich nicht beschwichtigen. Hitze und üble Dünste vom Fluß umfingen seinen verfallenden Körper, und noch immer wollte der König nicht aufgeben. Hatte er nicht bei Crécy und Poitiers die Armeen Frankreichs zerschlagen? Ihren König gefangengenommen und hinter sich reiten lassen, als er, einem neuen Cäsar gleich, nach London zurückgekehrt war, um sich im Glanz seiner Heldentaten zu sonnen?

Edward saß auf Kissen in einem seiner großen Privatgemächer und nahm weder Essen noch Arznei zu sich. Ein Priester kam, huschte an der Wand entlang wie eine kleine schwarze Spinne, ein Tröster Hiobs, wenn es je einen gab.

»Euer Gnaden«, drängte er beharrlich, »Ihr müßt ins Bett.«

Edward fuhr herum wie ein alter Fuchs, die von einem Schlaganfall verzerrten Lippen unwillig gekräuselt.

»Verschwinde, kleiner Mann«, zischte er. »Der Tod wird mich niemals holen!«

Er blieb, wo er war, und starrte auf seinen Finger, wo der Krönungsring, der sich einst so tief in sein Fleisch gegraben hatte, kürzlich durchgesägt worden war. Seine Ehe mit dem Königreich war vorbei. Fünfzig Jahre lang hatte er das Zepter getragen und mußte es nun einem anderen übergeben.

Er schüttelte den Kopf und schaute auf seine Hände. Ringe aus Feuer schienen sie zu umkreisen. Der Tod schlurfte auf leisen Sohlen näher. Tapfer hielt Edward stand, wie er es dreißig Jahre zuvor bei Crécy getan. Er lächelte, als er sich erinnerte, wie seine Hauptleute »Los!« gebrüllt und seine Bogenschützen den lebendigen Tod in schwarzen Wolken gegen die vorrückenden Horden der Franzosen gesandt hatten. Er würde stehen, wie er es damals getan hatte. Der Tod würde ihn nicht holen, solange er stand. Das tat er fünfzehn Stunden lang, bevor er auf den kissenübersäten Boden sank, die Finger vor dem Mund zur Faust geballt. Die Priester trugen ihn zu seinem Bett.

Hysterie erfaßte den Hof, und die Luft war schwer von Düsternis und Entsetzen. Die goldblinkenden Höflinge tuschelten über Zeichen und Erscheinungen; die Wasser der Themse waren gestiegen, in Greenwich über ihre Ufer getreten und hatten den Palast überflutet. Ein mächtiger grauer Fisch, groß wie die Leviathan, war im Norden an den Strand gespült worden. Der Himmel färbte sich am Mittag rot, und seltsame Kreaturen wurden in den dunklen Wäldern des Nordens gesichtet. Man hörte Stimmen im Schatten der Straßen, und Trompeten schmetterten von den Bastionen des Towers in London und von Windsor Castle. Eine der Hofdamen fand eine Tarockkarte mit der schwarzen Gestalt des Todes an einen königlichen Stuhl genagelt. Eine andere erblickte den Geist der Macht des sterbenden Königs in Gestalt eines mystischen Ritters, der durch die mondhelle Galerie zog, die Treppe hinunter und zum Portal des großen Palastes.

Edward III., der Löwe von England, lag im Sterben. Alte Männer erinnerten sich an die Erzählungen ihrer Großeltern: Wie der Löwe in seiner Jugend seiner Mutter Isabella und ihrem Liebhaber Mortimer den Thron entrissen hatte. Jetzt waren die Tage des Löwen vorbei.

Der König bewegte sich. Er verlangte Musik, und ein junges Mädchen mit spitzengesäumtem Schleier spielte die Viola. Der König wanderte durch die Zeiten zurück, und die Geister versammelten sich um sein Bett. Sein Vater, Edward II., in Berkeley umgebracht. Seine Mutter Isabella, schön und leidenschaftlich. Philippa, sein Weib, mit dunkler Haut und sanften Rehaugen, schon seit acht Jahren tot. Und noch ein Geist: sein so kostbarer Sohn Edward, der Schwarze Prinz, der Führer seiner Armeen, ein Pompejus für seinen Cäsar. Der General, der die englische Fahne über die Pyrenäen nach Navarra getragen und nichts mit zurückgebracht hatte als eine Krankheit, die seinen Körper zerfraß. Alles dahin!

Sie kamen mit den Proklamationen zur Thronfolge zurück, und der alte König wußte, daß er starb. Siegel wurden angebracht. Er wurde immer schwächer, und sein Gefolge schmolz. »Ist kein Glaube mehr in Israel?« wisperte Edward. Der Palast in Sheen wurde ein Mausoleum. Im eigenen Schweiß und Dreck ließ man den König liegen, nur Alice Perrers, seine Geliebte, war noch da. Sie kam in sein Sterbegemach gerauscht, die Finger beringt mit Golddraht und das üppige rote Kleid mit kostbaren Steinen besetzt. Sie mit der schmeichlerischen Zunge und dem schönen Gesicht, die sich aus niemandem etwas machte, weil niemand sich etwas aus ihr machte – sie saß nun neben ihrem sterbenden Herrn und Liebhaber und bewachte ihn hungrig. Der König erwachte aus einem Traum und sah ihre harten Augen und wollüstigen Lippen.

»Meine Sonne«, flüsterte er.

Die Perrers lächelte, und ihre weißen Zähne blinkten, als sie daran dachte, wie sie in goldenem Tuch durch die Cheapside heraufgeritten war, mit hocherhobenem Kopf, die Ohren verschlossen vor den Rufen. »Hure! Metze! Dirne!« Jetzt saß sie neben dem König und bewachte ihn wie eine Löwin ihre Beute. Ein alter Franziskanerpriester, John Hoccleve, kam herein, aber die Perrers fauchte und scheuchte ihn hinaus. Der König schloß die Augen. Sein Atem ging flach; furchtbares Rasseln tobte in seiner Kehle. Die Perrers wartete nicht länger; sie nahm ihm ab, was er an Geschmeide noch trug, und floh.

Der alte Franziskaner kam zurück, nahm des Königs Hand, hielt ihm ein Kruzifix vor die verlöschenden Augen. Er intonierte das Dies irae, und als er zu dem Vers kam, der da heißt: »Weh, was werd' ich Armer sagen, wenn Gerechte selbst verzagen?«, da öffnete der König die Augen.

»Wünscht Ihr die Absolution?« flüsterte Hoccleve.

»Ach, Jesus!« murmelte der König und drückte dem Franziskaner matt die Hand.

»So spreche ich dich los …«, sagte der Priester, »… von deinen Sünden im Namen des …«, und seine Stimme wurde lauter, während das Todesrasseln des Königs klang wie das Trommeln eines Tambours. Und der König wandte sich um. Ein letztes Keuchen, und seine Seele fuhr hinaus in die Dunkelheit. Hoc-cleve beendete sein Gebet und dachte an die goldenen Tage, da der König in all seinem Glanz einhergegangen war. Er neigte den Kopf, legte die Stirn auf die Hand des toten Königs und beweinte die Vergänglichkeit.

Ein paar Stunden später saß John von Gaunt, Herzog von Lancaster und ältester lebender Sohn des toten Königs, im Palast von Westminster allein vor einem großen Kamin. Das Wams geöffnet, die Schenkel gespreizt, saß er da und ließ sich von der Hitze der lodernden Scheite die Kälte von Beinen und Gemächt vertreiben. Der Herzog hatte die Nachricht bekommen, als er, von einem plötzlichen Unwetter bis auf die Haut durchnäßt, von der Jagd zurückgekehrt war. Sein Vater war tot, und er war Regent, aber nicht König. John stöhnte auf und ballte die juwelengeschmückte Faust. Er sollte König sein, ein Mann der Krone mit Anspruch auf die Throne von Kastilien, Frankreich, Schottland und England. Und was war das einzige Hindernis? Ein goldblonder Zehnjähriger, sein Neffe, Richard von Bordeaux, der Sohn seines älteren Bruders, des gefürchteten Schwarzen Prinzen.

»Nur einen Herzschlag entfernt!« murmelte Gaunt. Nur ein kurzer Atemzug trennte ihn von dem Diadem des Bekenners. Gaunt streckte sich, und sein muskulöser Körper bebte vor Wut. Regent, aber kein König! Das Land brauchte unbedingt einen entschlossenen Herrscher. Die Franzosen plünderten die Küsten im Süden. Die Schotten sammelten sich an der Grenze im Norden. Die Bauern murrten, verlangten ein Ende der immer neuen Besteuerung. Und das Unterhaus, geführt von seinem Sprecher, schimpfte heftig, wenn es in der Kapelle von St. Stephen zu Westminster zusammentrat. Gaunt strich sich über den sauber gestutzten Bart. Konnte er den Schritt tun? Würde er ihn tun? Er biß sich auf die Unterlippe und erwog die Konsequenzen. Seine jüngeren Brüder würden sich wehren. Die großen Lords des Rates, mit den sanften, aber mächtigen Bischöfen im Rücken, würden zu den Waffen greifen und den Zorn des Himmels erflehen. Und Richard – der blasse, blauäugige Richard -, was würde aus ihm werden? Gaunt fröstelte. Er entsann sich der alten Prophezeiung: Wenn die alte Katze stirbt, dürfen die Mäuse nicht frohlocken, denn das neue Kätzchen wird zu einem noch...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.