Djangirov / Wiedra | Vers libre | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 520 Seiten

Djangirov / Wiedra Vers libre

Karen Djangirov

E-Book, Deutsch, 520 Seiten

ISBN: 978-3-7481-2336-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Über die freien Verse von Karen Dshangirow zu schreiben ist gar nicht so einfach, vor allem deshalb, weil es mit fremden Worten unmöglich ist, ihren Zauber auch nur annähernd zu erahnen, am besten sprechen sie für sich selbst. Jede seiner Miniaturen explodiert zu einem ganzen Universum, seine sparsamen Zeilen bohren sich nadelscharf in unser Herz, wir versinken in langes Nachdenken und spüren unsere Verbundenheit. Verbundenheit womit? Kann Dshangirows Welt auch die unsere werden? Vielleicht erahnt der Dichter ja unser Tiefinnerstes und lässt den heilenden Balsam seiner Zeilen in unsere nach Trost dürstenden Seelen fließen, und wir fühlen uns zugleich traurig und zufrieden.

Der russische Dichter Karen Djangirov lebt und arbeitet in Kanada.
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„Der Verlibr1 ist eine andere
Geschwindigkeit des Schweigens“ Karen Djangirov ICH SAH
Interview mit Karen Djangirov Über die freien Verse von Karen Djangirov zu schreiben ist gar nicht so einfach, vor allem deshalb, weil es mit fremden Worten unmöglich ist, ihren Zauber auch nur annähernd zu erahnen, am besten sprechen sie für sich selbst. Jede seiner Miniaturen explodiert zu einem ganzen Universum, seine sparsamen Zeilen bohren sich nadelscharf in unser Herz, wir versinken in langes Nachdenken und spüren unsere Verbundenheit…Verbundenheit womit? Kann Djangirov Welt auch die unsere werden? Vielleicht erahnt der Dichter ja unser Tiefinnerstes und lässt den heilenden Balsam seiner Zeilen in unsere nach Trost dürstenden Seelen fließen, und wir fühlen uns zugleich traurig und zufrieden. Traurig, weil wir auf einmal unsere Verbundenheit mit der Welttraurigkeit fühlen. Daraus entsteht Harmonie; gut fühlen wir uns, weil uns jemand in unserer Einsamkeit entgegenkommt ... Djangirov Verlibr ist wie gute Musik, wir nehmen ihn zuerst geistig auf, dann aber auch auf der physischen Ebene. Nicht nur die Seele, auch der Körper erfüllt sich mit der süßen Bitterkeit seiner Worte. Der Autor schreibt über die Einsamkeit, über die Unvermeidlichkeit des Endes, wobei er dieses gerade nicht zu sehen scheint. Djangirov Miniaturen bringen uns auf mystische Weise Trost. Uns überwuchern die Städte, die Jahre, die Wege, die Siege, die Nöte, die Häme, die unermessliche Freude und die in der Stille blühende Bitterkeit … Uns überwuchert die Gleichgültigkeit zuerst den anderen, dann aber auch uns gegenüber. Und erst ganz am Ende merken wir voller Erstaunen, dass uns über alle die Zeit nichts als der Wind überwuchert hat. Ja, der Wind, nichts als der Wind … In einem Vorwort erzählen wir normalerweise über den Autor und seine Gedichte, über ihre Entstehungsgeschichte, schildern die Entwicklung des Autors. Aber heute werden wir das nicht tun. Wir geben dem Autor selbst das Wort. Was jetzt folgt, ist ein Interview mit Maestro Djangirov. Anima incognita Edition AI: Seit wann schreiben Sie Gedichte? KD: Seit 1975. AI: Haben Sie von Anfang an freie Verse geschrieben oder mit gereimten Gedichten begonnen? KD: Bis 1978 schrieb ich nach dem in Russland geltenden Kanon. AI: Wie kamen Sie dann zum freien Vers? KD: In Wirklichkeit ist ja der freie Vers zu mir gekommen. Es war einmal im Herbst, es dämmerte schon. Da ging meine Tür auf, und er betrat, ohne mich um Erlaubnis gefragt zu haben, den Raum. Er trug Schwarz, und auch sein Hut war schwarz. Er sah sich in meinem Zimmer um, fläzte sich in meinen bequemsten Sessel, noch dazu meinen einzigen, zündete sich eine Zigarette an und starrte lange durch die Rauchkringel auf den Plafond. Ich war für ihn Luft, er ignorierte mich nicht einmal. Und obwohl vor seiner Nase ein Aschenbecher stand, warf er den Zigarettenstummel auf den Boden, dann erhob er sich, kam ganz nahe zu mir und sah mich mit einem äußerst jenseitigen Blick lange an ... Schließlich klopfte er mir auf die Schulter und erklärte zufrieden, dass es ihm bei mir gefalle. Und er würde bleiben. So wohnen der Verlibr und ich seit über vierzig Jahren unter einem Dach ... Einfach wie der Himmel, leicht wie das Gras und ohne Betrübnis ob der Ameisen ... Jetzt verstehen Sie, wer zu wem gekommen ist. AI: Eine possierliche Geschichte und dazu noch völlig glaubwürdig. Aber mich interessiert, warum Sie eigentlich nie den Terminus freier Vers verwenden, warum sprechen Sie nur vom Verlibr? KD: Ja, ich vermeide tatsächlich den Ausdruck freier Vers und gebe dem Verlibr den Vorzug, obwohl das lediglich der ins Russische transliterierte französische Terminus verslibre ist. Ich weiß nicht, wer diesen Begriff im Russischen erstmals verwendet hat, aber wahrscheinlich war er kein großer Lyrikprofi. Warum? Wenn der Verlibr wirklich ein verslibre ist und nicht normale Prosa, die graphisch als verslibre adaptiert wurde, dann ist das keineswegs eine freie Form. Der Verlibr ist frei lediglich von allem, was nichts mit Lyrik zu tun hat, frei auch von allem, was einen Text hin zur kritischen Masse der Künstlichkeit treibt, also von Metrum und Reim. Ansonsten verfügt er sehr wohl über die Hauptkomponenten echter Lyrik. Er ist rhythmisch, was aber nicht mit einem Versmaß zu verwechseln ist, bei dem jede Zeile demselben Rhythmus unterliegt, wodurch der Text bis in die Unendlichkeit im Kreis herumgetrieben wird. Er beachtet den Atemeinsatz, was er mit dem Zen gemeinsam hat. Die Atmung widerspiegelt am besten die rhythmische Struktur des Textes und entspricht auch sonst optimal. Er verfügt über Pausen, die der dem Kanon entsprechende gereimte Vers nicht kennt. Er ist dem Klang verpflichtet, der im Verlibr, und besonders in der Miniatur, so „nackt“ dasteht, dass auch die kleinste Oberflächenrauheit ganz deutlich „hörbar“ wird, was die gesamte Textmelodie bricht und also grundlegend schwächt. Er beachtet die Distanz, die, anders als im klassischen Kanon, nicht willkürlich sein darf, sie bedarf der Ausgewogenheit zwischen realisierten Gedanken, Gefühlen usw. Auch im Hinblick auf die Metapher ist der Verlibr nur sehr bedingt „frei“, und das auch nur dann, wenn sich seiner ein wahrer Meister annimmt, der die Kunst des kürzesten Wegs beherrscht. Am wichtigsten ist, dass der Text unbedingt ein Gravitationszentrum haben muss. Ansonsten bleibt auch der tief- und feinsinnigste Verlibr stecken. Ich betrachte die Gravitationskomponente des Verlibr als grundlegenden Textgenerator. Das ist ein Schlüsselwort, zu dem der ganze Text zusammenfließen soll, er wird auf der gesamten Distanz akkumuliert und seine Masse vergrößert sich vielfach, bis er einen Schwellenwert erreicht, der uns einen anregenden Schlag versetzen, den Prozess in Gang bringen soll. Ich möchte mich hier nicht in allzu professionellen Details ergehen und beende diese Aufzählung, obwohl es im freien Vers objektiv gesehen noch viel mehr Unfreies gibt. AI: Soweit ich weiß, waren Sie es, der den Begriff der Gravitation in die Lyrik eingeführt hat, Sie erstellen Ihre Texte im Gravitationsformat. Es ist sonderbar, dass andere Lyriker, darunter auch sehr bedeutende, diese wirkmächtige Textbildungskomponente negiert haben, obwohl sie ja funktioniert. KD: Das ist schnell erklärt. Bis zum Ende der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts war der Verlibr in der russischen Lyrik kaum bekannt. Außer mir gab es nur wenige Autoren, die sich mit dem System Verlibr auseinandergesetzt haben. Diese wenigen hatten ihn als Übersetzer westlicher Lyrik kennengelernt. Aber im westeuropäischen und nordamerikanischen Verlibr, beziehungsweise in dem, was uns die russischen Übersetzer unter dieser Bezeichnung präsentierten, fehlt die systemische Gravitationskomponente. Das hat möglicherweise mit den Besonderheiten der russischen Sprache zu tun. Also bin ich der Einzige, der mit dem Format des rein russischen Verlibr arbeitet. AI: Hier erhebt sich sofort eine neue Frage. Wie viele Gravitationszentren darf es in einem Verlibr geben? KD: In einer Miniatur nicht mehr als zwei, in größeren Texten können es mehr sein. Der Endpunkt der Gravitation muss nicht unbedingt am Textende stehen. Ich beginne viele Werke mit einer Zeile, mit einem einzigen Wort, das sofort eine Gravitation erzeugt und in der Folge auch für die notwendige Pause sorgt. AI: Sie legen viel Wert auf Pausen. Warum? KD: Wir können die Bedeutung der Pausen gar nicht wichtig genug nehmen. Nicht nur in der Kunst, sondern auch in allen kunstfernen Bereichen. Kraft und Anmut eines Textes definieren sich gar nicht so sehr aus dem Text selbst, sondern aus dem, was bleibt, nachdem der Text verklungen ist. In diesem Sinn ist Lyrik ein Epilog. Wenn es einen Epilog gibt, haben wir es mit Lyrik zu tun. Wenn nach dem Textvortrag keine Pause entsteht und wir nicht zumindest kurz in eine Art existenzielles Loch fallen, wenn uns nicht der Hauch von etwas Unbekanntem anweht, taugt der Text nichts. Für mich ist das eines der wichtigsten Kriterien eines gelungenen Textes. AI: Da kann man wohl nur zustimmen, aber sofort taucht der Gedanke auf, dass große Dichter in einem gewissen Sinn auch großen Manipulierer des menschlichen Bewusstseins sind. Heißt das etwa, dass ein Meister des Worts für seine Umgebung richtig gefährlich werden kann? KD: Alle manipulieren. Sogar die Kinder. Alles hängt von drei Elementen ab: Manipulieren wir absichtlich? Lässt sich der Manipulierende vom hellen oder vom dunklen Vektor leiten? Wie tief dringt der Manipulierende ins Bewusstsein seines Manipulationsobjekts ein? Ich habe nie einen...


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