Dijk Leben bis zuletzt
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-641-01229-8
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geschichten von Freundschaft, Liebe und Tod
E-Book, Deutsch
ISBN: 978-3-641-01229-8
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Was, wenn Liebe in Schmerz umschlägt? Wohin mit all der Wut und Verzweiflung, wenn der Geliebte, die Freundin, der Bruder stirbt? Lutz van Dijk erzählt vom Umgang Jugendlicher mit dem Tod: acht persönliche Geschichten von Menschen, die ihre Ohnmacht besiegen, nicht zerbrechen, im Verlust individuelle Wege finden und dabei mehr über das eigene Leben erfahren.
• Acht berührende, hoffnungsvolle Geschichten vom Loslassen und vom Neubeginn
• Von Gustav-Heinemann-Friedenspreisträger Lutz van Dijk
Lutz van Dijk, geboren 1955 in Berlin, deutsch-niederländischer Schriftsteller, war zunächst Lehrer in Hamburg und später Mitarbeiter des Anne-Frank-Hauses in Amsterdam. Seit 2001 lebt er in Kaptstadt, wo er sich als Mitbegründer der Stiftung HOKISA (Homes for Kids in South Africa, www.hokisa.co.za) für von HIV/Aids betroffene Kinder und Jugendliche einsetzt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und erhielten zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Gustav-Heinemann-Friedenspreis und den Deutschen Jugendliteraturpreis 2002 für »Die Geschichte der Juden«.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;INHALT;6
2;BEAS BRIEF;8
3;OLAFS OPA;31
4;NORAS NOTEN;55
5;FRANCESCOS FREUND;78
6;ROSITAS ROSEN;98
7;BASSAMS BOMBE;119
8;THEAS TOD;139
9;DANIELS DORF;167
(S. 97-99)
Als Rosita geboren wurde, erklärte die Regierung des Landes öffentlich, dass sie bankrott sei. Schon Monate davor hatte es wilde Streiks gegeben, vor allem im Bergbau, wo Rositas Vater arbeitete und ihre älteren Brüder Alberto und Pablo, die damals ungefähr sieben und neun Jahre alt waren. So genau wusste das niemand. Sicher aber waren sie nicht älter als zehn, denn die Kleinen wurden bevorzugt in jene Schächte der Schwefelminen geschickt, wo die Gänge am engsten und die Luft am stickigsten war. Das mit der Bankrotterklärung der Regierung hatte sich Rosita einfach gemerkt, denn es war lange der einzige Hinweis auf ihr Geburtsjahr.
In dem kleinen Dorf, in dem die Familie lebte, gab es kein Rathaus und schon gar kein Standesamt. Ihr Vater hätte wohl zur Kreisstadt fahren können, um Rositas Geburt dort eintragen zu lassen. Aber er war mehr beschäftigt mit dem plötzlichen Tod seiner Frau, die kurz nach der Geburt an unstillbaren Blutungen gestorben war. Auf das neue Kind hatte er sich mehrere Monate vorbereiten können, auf den immer strammer und runder werdenden Bauch seiner Frau Rosa seine schwielige Hand gelegt und mit stolzem Grinsen behauptet, dass er fühlen könne, dass es wieder ein Junge sein werde.
Als dann aber ein Mädchen kam, nach vier Jungen das erste Mädchen, machte es ihm trotzdem nichts aus. Der Tod seiner Frau dagegen traf ihn völlig unvorbereitet, wie einen Hieb fühlte er die Wucht des Schmerzes – so jung war sie noch, niemals ernsthaft krank, eine Frau, die alle Mühen ihres kargen Familienlebens ohne Klagen erduldet und seit ihrer Hochzeit in beinahe regelmäßigem Abstand zweier Jahre jeweils ein gesundes Kind zur Welt gebracht hatte. Das nun Geborene erhielt zunächst keinen Namen. Es wurde von allen einfach Pobresita genannt, die arme Kleine.
Aber das war natürlich kein Name und schließlich ließ ihr Vater sie auf den Namen der Mutter taufen. Gerufen wurde sie jedoch vom ersten Tag an Rosita. Als sie alt genug war, um die Bedeutung ihres Namens zu verstehen, gefiel er ihr: die kleine Rose – nicht nur irgendeine von vielen bunten Blumen, sondern eine mit Stacheln, eine stolze, eine hochwachsende und eine, deren Duft verzaubern konnte. Rosita glaubte an Wunder, aber nicht an Zufälle.
Wie eine Rose wollte sie einmal sein. Das beschloss sie, als sie noch zu klein war, um schon in den Minen zu schuften. Sie durfte ihrer Tante Isabella beim Maisernten und Kochen helfen, eine freundliche Tante, die Kinder mochte und neben ihren eigenen noch eine unübersehbare Zahl anderer unbeaufsichtigter Kinder aus dem Dorf um sich geschart hatte und den lieben langen Tag zu beschäftigen wusste, ohne sie mit allzu schwerer Arbeit zu quälen. Alle nannten sie Tante Isabella, obwohl der tatsächliche Verwandtschaftsgrad nicht Voraussetzung ihrer Fürsorge war.




