E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Ermittlungen im Spreewald
Dieckerhoff Verfehlt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8412-2698-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Spreewald-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Ermittlungen im Spreewald
ISBN: 978-3-8412-2698-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tod auf dem Spreewaldfest.
Kommissarin Klaudia Wagner und ihr Team sind auf dem Spreewaldfest darauf eingestellt, Betrunkene aus dem Verkehr zu ziehen und Streitigkeiten zu schlichten, doch dann fällt der Schützenkönig ermordet ins Hafenbecken. Während die Rettungskräfte noch damit beschäftigt sind, die Leiche zu bergen, verfehlt ein Wurfmesser den alten Schiebschick, Klaudias väterlichen Freund. Es gibt sogar eine Beschreibung des Täters: eine Gestalt in einem Gurkenkostüm. Als Klaudia Wagner mit ihrem Freund reden will, findet sie ihn mit einem Messer im Rücken lebensgefährlich verletzt. Ganz Lübbenau ist in Aufruhr. Ist das der Beginn einer Mordserie?
Christiane Dieckerhoff lebt am nördlichen Rand des Ruhrgebiets, ist aber eine große Kennerin des Spreewalds. Nach über dreißig Berufsjahren als Kinderkrankenschwester und ersten erfolgreichen Veröffentlichungen wagte sie 2016 den Sprung in die Freiberuflichkeit. Bisher im Aufbau Taschenbuch lieferbar ist der Spreewald-Krimi: 'Vermisst'. Mehr zur Autorin unter www.krimiane.de.
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1. Kapitel
Klaudia schob sich die Sonnenbrille ins Haar und beobachtete die Menschen, die sich entlang des Hafenbeckens drängten. In der linken Hand hielt sie ein Fernglas, und in ihrem Schultergurt steckte ein Walkie-Talkie. Die Sonne prallte auf ihren ungeschützten Nacken, und ihre Kehle war so trocken, dass sie sich räuspern musste, bevor sie sprechen konnte.
»Hoffentlich fällt niemand ins Wasser«, murmelte sie.
»Wird schon nicht«, beruhigte sie Demel, der neben ihr stand. »Und wenn doch, steht er halt wieder auf. So tief ist es hier nicht.«
»Es könnte auch ein Kind reinfallen«, beharrte Klaudia. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Demel ihr im Moment selbst dann widersprochen hätte, wenn sie gesagt hätte: Die Sonne scheint.
»Dann holen die Kollegen von der Feuerwehr es raus.« Er zeigte auf das Rettungsboot, das im Hafen ankerte. »Wir sind nicht die Einzigen, die arbeiten.«
»Stimmt.« Klaudia musterte Demel aus den Augenwinkeln. Auch er trug Sonnenbrille und unterdrückte ein Gähnen. Wie es aussah, hatte er seine Uniform lange nicht mehr getragen. Das Hemd spannte, und die Hose saß enger, als bequem sein konnte.
Warum soll es ihm besser gehen als mir? Unbewusst zog Klaudia den Bauch ein. Es war ihre Idee gewesen, dass die Kollegen der Kripo während des Spreewaldfestes Uniform tragen sollten, um sofort als Ordnungskräfte erkennbar zu sein. Und als verantwortungsbewusste Vorgesetzte ging sie mit gutem Beispiel voran, auch wenn ihre Uniform ebenfalls über Brust und Hüften spannte.
Lernspeck, dachte sie. Die Monate mit zu wenig Schlaf und zu viel Junkfood in der Fachhochschule der Polizei Brandenburg hatten Spuren an ihrem Körper hinterlassen. Doch sie hatte es geschafft und war jetzt Kriminalkommissarin und damit stellvertretende Leiterin des Polizeireviers Lübben. Und da ihr Chef eine Fortbildungsreise der Polizeigewerkschaft zum Nordkap machte, war sie nun hier. Die Verantwortung machte sie nervös. Vor allem, weil Demel die meisten ihrer Anordnungen als überflüssig kritisierte. Bei jeder Lage musste sich Klaudia anhören, dass sie das früher nie so gemacht hätten oder PH es anders gehandhabt hätte. Ganz schlimm war es gewesen, als sie darauf bestanden hatte, sich im Koordinierungsausschuss als verantwortliche Beamtin vorzustellen.
Demel, der, seit er zur Wache nach Lübben gewechselt war, als Vertreter der Polizei in diesem Gremium saß, hatte sich mit Händen und Füßen gewehrt, doch letztendlich hatte er sich fügen müssen. Bei der Sitzung hatte Klaudia den Eindruck gewonnen, dass der Grund für sein Widerstreben sehr nett lächelte, dunkelblond, ungefähr Mitte dreißig und ein wenig füllig war. Marja Osterloh war Assistentin der Chefplanerin und noch neu im Rathaus. Demel und sie schienen sehr vertraut miteinander zu sein. Klaudia gönnte dem Kollegen die Frau von Herzen, nur sah sie nicht ein, dass dieser Flirt ihre Arbeit beeinträchtigte, und das hatte sie ihm unmissverständlich klargemacht. Seitdem war ihr Verhältnis so gespannt wie der Sitz ihrer Uniform.
Klaudia und Demel standen etwas erhöht vor dem Büro der Kahnführer-Genossenschaft und hatten deshalb einen guten Überblick über das bunte Treiben. Die Musik, die aus den Lautsprechern über das Hafenbecken schallte, brach ab, und der Moderator begrüßte die Lehder Gurkenkönigin. Freundlicher Applaus brandete auf, Handys wurden gezückt, die Menschen waren froh über jede Abwechslung. Noch waren der Moderator und seine Gäste die Hauptattraktion am Hafenbecken, und die Frau mit dem gestärkten Kopftuch und der farbenfrohen Tracht war auf jeden Fall ein Foto wert.
Es war der letzte Tag des Spreewaldfestes. Klaudia und ihre Kollegen hatten den Aufmarsch der Schützen und der Vereine überstanden, und die nächtlichen Saufgelage hatten sich in Grenzen gehalten. Es hatte keine nennenswerten Schlägereien gegeben, keine Zunahme der häuslichen Gewalt, und die einzigen Leichen waren Schnapsleichen gewesen.
»Hier, für euch.«
Klaudia beugte sich über das Geländer und sah hinunter, direkt in Tims durch die Brille optisch vergrößerte Augen. Er hockte auf den Schultern seines Vaters, grinste sie an und streckte ihr zwei Wasserflaschen entgegen. Unter seinem Arm klemmte das Plastikflugzeug, das er im Moment ständig mit sich herumschleppte.
»Ich fahr gleich Karussell«, verkündete er strahlend.
»Das ist toll.« Klaudia strich ihm übers Haar und nahm ihrem Patensohn die Flaschen ab. »Danke schön.«
Tim war im letzten Jahr enorm gewachsen und hatte sich zu einem niedlichen Jungen mit den dunklen Locken des Vaters entwickelt. Nur die Brille, die er trug, verriet, dass er viel zu früh zur Welt gekommen war und die ersten Monate seines Lebens auf einer Intensivstation um sein Leben gekämpft hatte.
»Ich dachte, ihr könntet das gebrauchen.« Uwe grinste zu ihnen hoch. Er trug keine Uniform und würde das auch die nächsten zwei Wochen nicht tun. Wie immer hatte er um Silkes Todestag herum Urlaub.
»Sehr fürsorglich.« Klaudia reichte Demel eine der Flaschen und drückte die andere gegen Stirn und Wangen. »Wollt ihr nicht hochkommen? Von da unten seht ihr doch nichts?«
»Liebend gern.« Uwe verdrehte die Augen. »Aber Tim möchte unbedingt in diesen Butterfly rein, also muss ich Bhanu finden.«
»Traust dich nicht?«, spottete Demel auf die freundlich kollegiale Art, die er im Umgang mit Klaudia verlernt zu haben schien.
»Ist irgendwie nichts für mich.« Uwe schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, ich kann Bhanu vom Musikexpress loseisen. Sie ist mit ihrer Freundin da. Die beiden sind da irgendwie festgewachsen, scheint mir.«
»Manche Sachen ändern sich nie, oder?« Demel öffnete die Flasche und zog den Bauch ein, als Wasser hervorsprudelte. »Justin dürfte sich ebenfalls am Musikexpress herumtreiben. Wahrscheinlich macht er einen auf cool.«
»Dein Sohn ist hier?« Klaudia hatte Demels Sohn erst einmal gesehen. Damals hatten er und sein Vater eine Radtour gemacht. Sie konnte sich kaum an den Jungen erinnern, wusste nur, dass er ebenso blond wie Demel war.
»Klar«, antwortete er kurz angebunden. »Eigentlich wollte ich mit ihm eine Runde über den Rummel drehen. So ein Vater-Sohn-Ding eben. Aber als er mich in Uniform gesehen hat, wollte er nicht mehr. Ich sei voll peinlich, hat er gesagt.«
»Wie alt ist er denn jetzt?«, fragte Klaudia, den vorwurfsvollen Seitenblick ignorierend, den ihr Demel zuwarf.
»Vierzehn.«
»Sind da Eltern nicht grundsätzlich peinlich?« Fragend sah sie zu Uwe hinunter.
»Auf jeden Fall.« Uwe nickte, was mit Tim auf den Schultern nicht ganz einfach war. »Ich mach mich dann mal wieder auf den Weg. Versprochen ist versprochen.«
»Hast du Schiebschick gesehen?«, fragte Klaudia.
»Ist er nicht hier?«, erwiderte Uwe.
Sie schüttelte den Kopf.
»Also stimmt es wirklich, dass er diesmal nicht den Kahn vom Schützenkönig stakt.« Erwartungsvoll musterte er Klaudia.
»Hab ich auch gehört.« Demel nahm die Sonnenbrille ab und musterte Klaudia ebenfalls neugierig.
»Wieso denkt ihr eigentlich, dass ich mehr weiß als ihr?« Sie bereute ihre Frage nach dem alten Kahnführer bereits.
»Tust du nicht?«, fragte Uwe.
»Er hat gesagt, er sei langsam zu alt«, antwortete Klaudia. »Mehr weiß ich nicht. Ich hab ihn aber auch schon eine Weile nicht gesehen.«
»Ich denke, er schaut regelmäßig bei dir nach dem Rechten?«, stichelte Demel nicht auf die freundlich kollegiale Art, sondern einen Hauch schärfer.
»Tut er auch«, bestätigte Klaudia.
Ihr Haus war lange Zeit ein Ferienhaus gewesen, das Schiebschick für eine alte Dame verwaltet hatte. Sie hatte also nicht nur das Haus, sondern auch dessen Verwalter geerbt. Was oft praktisch war. Zum Beispiel, wenn es um die Sickergrube ging, aber auch manchmal anstrengend, weil Schiebschick oft einfach so vorbeikam, um ein wenig zu plaudern oder etwas zu reparieren, von dem Klaudia noch nicht einmal wusste, dass es kaputt war. Regelmäßig hinterließ er ihr Listen, die sie abarbeiten sollte. Was sie selten tat.
»Aber ich war in letzter Zeit nicht so oft zu Hause.« Sie dachte an die Dienstpläne der uniformierten Kollegen, die immer noch nicht fertig waren, und die Anfragen, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten. Wann hatte PH nur Zeit gefunden, all diese Dinge zu tun?
»Das hat Gründe«, murmelte Demel.
Klaudia ignorierte seinen Einwurf. »Also schreibt er mir Zettel und legt sie auf den Küchentisch.«
»Echt jetzt?«, fragte Uwe.
»Echt jetzt. Mein Rucksack ist voller To-do-Listen, die er mir geschrieben hat. Im Moment ist ihm mein Steg ein Dorn im Auge. Also soll ich Bretter besorgen, Holzschutzlasur, Pinsel …«
»Vielleicht solltest du einfach mal anfangen, diese Listen abzuarbeiten«, meinte Demel.
»Und dich dafür in Ruhe deine Arbeit machen lassen?«
»Zum Beispiel. Diese ganzen Maßnahmen sind völlig überzogen. Allein die Überstunden, die an diesem Wochenende gekloppt werden. PH wird dich lynchen.«
»Wir leben in unsicheren Zeiten«, verteidigte sich Klaudia. Irgendwie hatte Demel ja recht, aber es war verdammt noch mal etwas anderes, wenn man die Verantwortung trug.
»Haben sie dir das auf deinem Lehrgang eingetrichtert?« Demel schüttelte den Kopf. »Wir sind hier in Lübbenau, nicht in Berlin.«
Bevor das...