Dick | Total Recall Revisited | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Dick Total Recall Revisited

Die besten Stories. Mit einem Nachwort von Thomas von Steinaecker
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-10-402919-1
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die besten Stories. Mit einem Nachwort von Thomas von Steinaecker

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-402919-1
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Nirgendwo kann man Philip K. Dick so gut kennenlernen wie in seinen Stories. Visionär sah er in ihnen die Probleme unserer Gegenwart voraus, und unter seinem Röntgenblick werden die »Dachbalken des Universums« sichtbar, wie er selbst verwundert notierte. Unser Band versammelt die besten, wichtigsten und einflussreichsten seiner Stories. Ein Nachwort des Science-Fiction Kenners und Autors Thomas von Steinaecker vervollständigt den Band.

Philip K. Dick hat die Science-Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Albtraum wird: »Blade Runner«, »Minority Report«, »Total Recall«, »Impostor«, »Paycheck«, »Der dunkle Schirm« - all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von »Blade Runner«.
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Ach, als Blobbel hat man’s schwer!


Er steckte eine Zwanzig-Dollar-Platinmünze in den Schlitz, und nach einem kleinen Augenblick leuchtete der Analytiker auf. Seine Augen schimmerten freundlich, und er wirbelte auf seinem Stuhl herum, nahm einen Stift und einen großen Notizblock von seinem Schreibtisch und sagte:

»Guten Morgen, Sir. Sie können anfangen.«

»Tag, Dr. Jones. Sie sind wohl nicht zufällig Dr. Jones, der die definitive Freud-Biographie geschrieben hat? Nein, ist ja auch schon hundert Jahre her.« Er lachte nervös; da er in eher ärmlichen Verhältnissen lebte, war er ein Anfänger, was den Umgang mit den neuen vollhomöostatischen Psychoanalytikern betraf. »Ahm«, sagte er, »soll ich frei assoziieren oder Ihnen etwas über meine Herkunft erzählen, oder wie?«

»Vielleicht«, meinte Dr. Jones, »erzählen Sie mir zunächst, wer Sie sind und weshoib S’ z’ mia kumman – weshalb Sie ausgerechnet zu mir gekommen sind.«

»Ich heiße George Munster und wohne Steg 4, Gebäude WEF-395, Eigentumswohnkomplex San Francisco, Baujahr 1996

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Munster.« Dr. Jones streckte die Hand aus, und George Munster schüttelte sie. Wider Erwarten war die Hand angenehm temperiert und ausgesprochen weich. Der feste Händedruck hingegen hatte durchaus etwas Männliches.

»Sehen Sie«, erklärte Munster, »ich bin ein ehemaliger Gl, Kriegsveteran. So bin ich auch an meine Eigentumswohnung in WEF-395 gekommen; Veteranenvergünstigung.«

»Ah ja«, sagte Dr. Jones mit einem leisen Ticken, das die verstreichende Zeit registrierte. »Der Krieg gegen die Blobbels.«

»Drei Jahre habe ich im Krieg gekämpft«, meinte Munster und strich sich nervös über das lange schwarze Haar, das allmählich dünner wurde. »Ich habe die Blobbels gehasst, deswegen habe ich mich freiwillig gemeldet; ich war damals neunzehn und hatte einen guten Job – aber der Kreuzzug, um das Sol-System von Blobbels zu säubern, war mir wichtiger.«

»Mh-hm«, machte Dr. Jones tickend und nickend.

»Ich war ein guter Soldat«, fuhr George Munster fort. »Ehrlich gesagt, ich habe sogar zwei Orden bekommen und eine Beförderung für besondere Tapferkeit im Feld. Zum Korporal. Weil ich im Alleingang einen Beobachtungssatelliten voller Blobbels ausradieren konnte; wie viele es nun genau waren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, weil diese Blobbels natürlich dazu neigen, sich zu verwirren und entwirren, dass einem ganz wirr davon wird.« Von seinen Gefühlen überwältigt, verstummte er. Es fiel ihm schwer, über den Krieg zu sprechen, die bloße Erinnerung daran war schon zu viel für ihn … er streckte sich auf der Couch aus, zündete sich eine Zigarette an und versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen.

Die Blobbels waren ursprünglich aus einem anderen Sonnensystem eingewandert, wahrscheinlich von Proxima. Vor ein paar tausend Jahren hatten sie sich auf dem Mars und auf Titan niedergelassen, wo sie bald erfolgreiche Landwirte wurden. Sie waren eine Weiterentwicklung der einzelligen Amöbe, verhältnismäßig groß zwar und mit einem hochorganisierten Nervensystem ausgestattet, doch trotz alledem Amöben mit Pseudopodien, die sich durch Zellteilung fortpflanzten und den terranischen Siedlern im Wesentlichen feindlich gesinnt waren.

Zum Krieg war es letztlich aus ökologischen Gründen gekommen. Die Auslandshilfeabteilung der UNO wollte die Marsatmosphäre umwandeln, um für die terranischen Siedler bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Diese Umwandlung hätte jedoch den Fortbestand der dort ansässigen Blobbel-Kolonien gefährdet; so hatte der Konflikt seinen Anfang genommen.

Und, überlegte Munster, man konnte eben nicht nur die halbe Atmosphäre eines Planeten umwandeln; gegen die Brown’sche Molekularbewegung war kein Kraut gewachsen. Nach zehn Jahren hatte sich die veränderte Atmosphäre über den ganzen Planeten ausgebreitet und machte den Blobbels das Leben zur Qual – zumindest behaupteten sie das. Im Gegenzug war eine Blobbelflotte zur Erde aufgebrochen und hatte eine Reihe technisch hochkomplizierter Satelliten in die Umlaufbahn gebracht, die letzten Endes die Atmosphäre von Terra umwandeln sollten. Zu dieser Umwandlung war es jedoch nie gekommen, denn das Kriegsministerium der UNO hatte selbstverständlich sofort eingegriffen; die Satelliten waren von Killerraketen zur Explosion gebracht worden … und der Krieg war in vollem Gange.

»Sind Sie verheiratet, Mr. Munster?«, fragte Dr. Jones.

»Nein, Sir«, sagte Munster. »Und –« Ihn schauderte. »Und wenn ich Ihnen die ganze Geschichte erst erzählt habe, wissen Sie auch, weshalb. Sehen Sie, Doktor –« Er drückte seine Zigarette aus. »Ich will ganz offen mit Ihnen reden. Ich war ein terranischer Spion. Das war meine Aufgabe; sie haben mir den Job bloß wegen meiner Tapferkeit im Feld aufgebrummt … ich habe sie jedenfalls nicht drum gebeten.«

»Verstehe«, sagte Dr. Jones.

»Wirklich?« Munsters Stimme überschlug sich. »Wissen Sie, dass es damals nur eine Möglichkeit gab, einen terranischen Spion erfolgreich bei den Blobbels einzuschleusen?«

Dr. Jones nickte. »Ja, Mr. Munster. Sie mussten Ihre menschliche Gestalt aufgeben und die widerwärtige Gestalt eines Blobbels annehmen.«

Munster schwieg; verbittert ballte er immer wieder die Fäuste. Dr. Jones hinter seinem Schreibtisch tickte.

Abends saß Munster allein in seiner kleinen Wohnung in WEF-395, entkorkte eine Flasche Teacher’s und schlürfte den Scotch aus einer Tasse, da er sich beim besten Willen nicht dazu aufraffen konnte, sich aus dem Schrank über der Spüle ein Glas zu holen.

Was hatte ihm die Sitzung bei Dr. Jones heute gebracht? Nichts, soweit er das beurteilen konnte. Und sie hatte ein tiefes Loch in seine mageren finanziellen Reserven gerissen … mager, weil –

Weil er sich trotz seiner eigenen Anstrengungen und der Bemühungen der Veteranenbetreuungsbehörde der UNO wie damals im Krieg jeden Tag für fast zwölf Stunden in einen Blobbel zurückverwandelte. In einen formlosen, einzelligen Klumpen, und das in seiner eigenen Wohnung in WEF-395.

Seine finanziellen Reserven bestanden aus einer kleinen Rente vom Kriegsministerium; es war ihm unmöglich, Arbeit zu finden, denn sobald er eine Stelle bekommen hatte, begann er sich vor lauter Stress umgehend zu verwandeln, vor den Augen seines neuen Arbeitgebers und seiner Kollegen.

Das war nicht eben hilfreich beim Aufbau eines erfolgreichen Arbeitsverhältnisses.

Und tatsächlich, jetzt, um acht Uhr abends, spürte er, wie er sich schon wieder zu verwandeln begann; das Gefühl war alt und vertraut, und er hasste es. Rasch schlürfte er den Rest Scotch, stellte die Tasse auf den Tisch … und spürte, wie er zu einem homogenen Kuddelmuddel zerfloss.

Das Telefon klingelte.

»Ich kann jetzt nicht«, rief er ihm zu. Ein Relais im Telefon registrierte die gequälte Antwort und leitete sie an den Anrufer weiter. Inzwischen war Munster nichts weiter als eine durchsichtige, gallertartige Masse mitten auf dem Teppich; er walzte zum Telefon – trotz seiner Bemerkung klingelte es nach wie vor, und er glühte vor Zorn; hatte er nicht schon genug Sorgen, ohne sich auch noch mit einem klingelnden Telefon herumschlagen zu müssen?

Als er dort angekommen war, fuhr er ein Pseudopodium aus und fegte den Hörer von der Gabel. Nur mit größter Mühe gelang es ihm, seinen plastischen Körper zu einem dumpf tönenden Quasi-Stimmapparat zu verformen. »Ich bin beschäftigt«, tönte er leise wummernd in die Sprechmuschel. »Rufen Sie später noch mal an.« , dachte er und legte auf.

In der Wohnung war es jetzt vollkommen still.

Seufzend glitt Munster quer über den Teppich zum Fenster, wo er sich zu einer Säule aufrichtete, damit er hinausblicken konnte; an seiner Körperoberfläche gab es einen lichtempfindlichen Fleck, und wenn er auch nicht über eine richtige Linse verfügte, so konnte er doch – wehmütig – die Aussicht auf die Bay von San Francisco genießen, die Golden Gate Bridge und Alcatraz Island, den Spielplatz für kleine Kinder.

dachte er verbittert.

Als er den Auftrag im Krieg angenommen hatte, wusste er noch nicht, dass er zu diesem Dauerschaden führen würde. Sie hatten ihm versichert, es sei »nur vorübergehend, bis Kriegsende«, oder irgend so eine dämliche Floskel. , dachte Munster und glühte vor ohnmächtigem Zorn.

Die damit verbundenen psychischen Probleme und der seelische Druck waren enorm. Aus diesem Grund hatte er Dr. Jones aufgesucht.

Wieder klingelte das Telefon.

»Na schön«, sagte Munster laut und glitt schwerfällig quer durchs Zimmer zum Apparat. »Sie wollen mich sprechen?«, fragte er, während er sich langsam dem Telefon näherte; es war ein weiter Weg für einen Blobbel. »Dann spreche ich jetzt mit Ihnen. Meinetwegen schalten Sie den Videoschirm ein, dann können Sie mich auch noch .« Beim Telefon angekommen, legte er den Schalter um, der sowohl die optische als auch die akustische...


Dick, Philip K.
Philip K. Dick hat die Science-Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Albtraum wird: 'Blade Runner', 'Minority Report', 'Total Recall', 'Impostor', 'Paycheck', 'Der dunkle Schirm' – all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von 'Blade Runner'.

Steinaecker, Thomas von
Thomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane, Graphic Novels sowie Hörspiele. Außerdem dreht er Dokumentarfilme u.a. zur Musik des 20. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte Deutschlands, für die er internationale Preise gewonnen hat. Zuletzt erschienen 2016 der Roman »Die Verteidigung des Paradieses«, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war, 2021 das Sachbuch »Ende offen«, 2022 die Graphic Novel »Stockhausen: Der Mann, der vom Sirius kam« und 2023 der Roman »Die Privilegierten«.

Philip K. DickPhilip K. Dick hat die Science-Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Albtraum wird: 'Blade Runner', 'Minority Report', 'Total Recall', 'Impostor', 'Paycheck', 'Der dunkle Schirm' – all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von 'Blade Runner'.
Thomas von SteinaeckerThomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane – unter anderem 'Wallner beginnt zu fliegen' und 'Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen' – sowie Hörspiele. Außerdem dreht er Dokumentarfilme, für die er unter anderem den ECHO Klassik erhielt. Für S. Fischer Hundertvierzehn initiierte er das 'Mosaik-Roman'-Projekt 'Zwei Mädchen im Krieg' und veröffentlichte zusammen mit der Zeichnerin Barbara Yelin den Fortsetzungs-Webcomic 'Der Sommer ihres Lebens'. Zuletzt erschien 2016 der Roman 'Die Verteidigung des Paradieses', der für den Deutschen Buchpreis nominiert war.

Philip K. Dick hat die Science-Fiction nicht erfunden, aber aus ihr eine Kunst gemacht. Mit prophetischem Blick und genialischer Phantasie sah er Szenarien voraus, in denen unsere Gegenwart zum Albtraum wird: »Blade Runner«, »Minority Report«, »Total Recall«, »Impostor«, »Paycheck«, »Der dunkle Schirm« – all diese Filme basieren auf seinen Büchern. 1928 in Chicago geboren, rettete er sich aus seiner psychotischen Jugend nach Berkeley. Er nahm so ziemlich alle Aufputschmittel und Drogen, die es gab, hatte Visionen und göttliche Erscheinungen, schrieb bis zu 60 Seiten am Tag und fühlte sich von FBI und KGB verfolgt. 1982 starb er wenige Wochen vor der Filmpremiere von »Blade Runner«.
Thomas von Steinaecker, geboren 1977 in Traunstein, wohnt in Augsburg. Er schreibt vielfach ausgezeichnete Romane, Graphic Novels sowie Hörspiele. Außerdem dreht er Dokumentarfilme u.a. zur Musik des 20. Jahrhunderts und zur Kulturgeschichte Deutschlands, für die er internationale Preise gewonnen hat. Zuletzt erschienen 2016 der Roman »Die Verteidigung des Paradieses«, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war, 2021 das Sachbuch »Ende offen«, 2022 die Graphic Novel »Stockhausen: Der Mann, der vom Sirius kam« und 2023 der Roman »Die Privilegierten«.



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