Devi | Der Teufelsangler | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Devi Der Teufelsangler

Mörderische Geschichten
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-85882-692-3
Verlag: Appenzeller
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Mörderische Geschichten

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-85882-692-3
Verlag: Appenzeller
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Mit «Der Teufelsangler» legt Mitra Devi nach «Die Bienenzüchterin» und «Giftige Genossen» eine weitere Sammlung rabenschwarzer Kurzkrimis vor. Zwanzig Stories zum Gruseln, Schmunzeln und Verschlingen.

«Mein Name ist Killer, und ich bin auch einer. Das ist kein Witz. Es gibt unzählige Nachnamen, die gleichzeitig Berufe bezeichnen. Bauer, Müller, Gärtner, Zimmermann, um nur einige zu nennen. Gar nicht so selten kommt es vor, dass jemand nach einem Beruf benannt ist und ihn auch ausführt. So wie ich. Ich gehe zuverlässig und diskret vor. Gift ist eine meiner bevorzugten Methoden – nebst Ertränken, Erdrosseln, Erwürgen oder der rustikalen Jenseits-beförderung: dem Schubs ins Güllenloch. Ein Dutzend Tote gehen auf mein Konto. Auftrag ist Auftrag. So habe ich es immer gehalten. Bis heute.»
Ein Mörder, der auf sich selbst angesetzt wird, ein Kleinwüchsiger mit flinken Fingern, eine biedere Krimileserin, die unverhofft zur Hauptperson eines Thrillers wird, und eine Frau, die ihr Wissen über Tiefseefische mit rasiermesserscharfen Zähnen gekonnt einsetzt: Sie alle treiben in diesem Band ihr Unwesen.
«Mitra Devi, die für ‹Der Blutsfeind› den Zürcher Krimipreis erhalten hat, überzeugt einmal mehr mit Humor und Scharfsinn», urteilt Radio SRF 3 über die Agentengeschichte «Luzern – Chicago».

Devi Der Teufelsangler jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Die Lügnerin Elvira war eine begnadete Lügnerin. Schwindeln, flunkern und aus dem Stegreif originelle Ausreden erfinden waren praktische und kreative Gaben, die ihr in die Wiege gelegt worden waren. Sie ermöglichten ihr, Dinge zu tun, die ihr sonst versagt geblieben wären, frischten ihr Selbstbild auf und liessen sie insgesamt interessanter wirken. Die Wahrheit war doch häufig so eintönig. Mit etwas Phantasie liessen sich öde Tätigkeiten ausschmücken und fade Lebensgeschichten aufpeppen. Inzwischen hatte sie es im «Frisieren der Realität», wie sie es liebevoll nannte, zur Meisterschaft gebracht. Kein Spaziergang, der nicht zu einem atemberaubenden Trekking wurde. Kein Ausflug, auf dem sie nicht ein vierblättriges Kleeblatt fand, eine berühmte Persönlichkeit traf oder jemanden vor dem Ertrinken rettete. In Gesprächen dichtete sie sich spannende Hobbies wie Fallschirmspringen, Tiefseetauchen und Klippenklettern an, machte sich drei Jahre jünger und fünf Kilo leichter. Einer der Gründe für ihre Leidenschaft, die Wirklichkeit zu ihren Gunsten umzugestalten, war Babette. Babette war eine Arbeitskollegin, die Elvira auf den Tod nicht ausstehen konnte. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Babette war klein, dünn und ungemein spiessig. Sie war stets als Erste da und ging als Letzte, so, als existiere in ihrem Leben nichts anderes als die Arbeit. Elvira hatte sich vorgenommen, es Babette zu zeigen. Wenn diese in der Nähe war und mithörte, bekamen Elviras Lügenmärchen literarische Qualitäten. Vor einer Weile hatte Elvira eine behinderte Schwester erfunden und von ihrem Arbeitskollegen Emilio viel Mitgefühl geerntet. Zu erwähnen ist, dass Emilio ihr ausserordentlich gefiel. Leider beachtete er sie nicht genug. Irgendwann hegte sie gar den Verdacht, er glaube ihr die erfundenen Abenteuer nicht so recht. Deshalb fügte sie nach einer besonders blumigen Erzählung, in der ein Dutzend bis auf die Zähne bewaffneter Triebtäter nach ihrem Leben trachteten, leidend hinzu, sie wisse ja schliesslich nicht, wie lange es noch dauere bei ihr. «Was hast du denn?», fragte Emilio besorgt. «Meine Krankheit», antwortete Elvira mit tränenerstickter Stimme, «nähert sich dem Endstadium.» Er starrte sie schockiert an, und sie liess sich von ihm widerwillig die tödliche Diagnose aus der Nase ziehen. Am Ende des Tages landete sie mit ihm im Bett. Selbstverständlich hatte sie kein ansteckendes Leiden erfunden. Bloss eines, das einen Mann ermunterte, sie nochmals so richtig zu verführen, bevor es zu spät wäre. Das war im Sommer gewesen, als Zürich von einer Hitzewelle überrollt worden war, die Elviras Hormone zusätzlich in Wallung gebracht hatte. Der Ehrlichkeit halber – was dieses Thema betraf, war sie erbarmungslos ehrlich mit sich – musste sie sich eingestehen, dass Emilio sich nicht als der tolle Liebhaber entpuppt hatte, den sie in ihm vermutet hatte. Nun war es Herbst, die Bäume hatten sich verfärbt, die Bauarbeiten vor ihrem Büro beim Stauffacher waren endlich beendet, und Emilio war nach Basel versetzt worden. Ein Neuer übernahm seine Aufgaben. Und dieser, das war Elvira sofort klar, war ein Prachtstück von einem Mann. Gross, athletisch, mit dunklem Dreitagebart. Er kam und bezog gleich neben Elviras Schreibtisch seinen Arbeitsplatz, füllte die Schubladen und stellte ein Bild in einem silbernen Rahmen vor den Computer. Elvira befürchtete, das Schlimmste darauf zu entdecken: eine rassige Rothaarige, die aufreizend in die Kamera schaute. Eine abgründige Brünette. Oder eine liebliche Blondine. Womöglich umrahmt von einer Schar wohlgeratener Kinder. Unauffällig trat sie einen Schritt näher, warf einen Blick auf das Bild und atmete erleichtert auf. Die abgelichtete Schöne war weder rot, noch braun, noch blond, sondern dunkel. Es war eine schwarze Labradorhündin, die ein Halsband mit einer Plakette trug: «Chica». In Elviras Herz regte sich ein Keim der Hoffnung. Chicas Bild aufzustellen statt dasjenige einer Melanie oder Vanessa, sagte wohl alles. Der Neue war Single. Und er wollte, dass man es wusste. Er bemerkte ihre Neugierde, kam auf sie zu und reichte ihr die Hand. «Ich bin Philipp. Es freut mich, Sie … dich? … kennenzulernen.» «Mich», sagte sie schnell. «Ich meine, nicht Sie. Also … du.» Sie lief rot an. Er lachte. Sie nahm seine Hand, die sich warm anfühlte. «Ich wollte sagen, ich heisse Elvira.» Gott, wie peinlich. Was dachte er nur von ihr? Philipp sah ihr offen in die Augen. «Freut mich, Elvira. Ich hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten.» «Das hoffe ich auch», gab sie zurück. «Obwohl in einem Callcenter von ‹zusammenarbeiten› keine Rede sein kann.» Sie deutete mit einer ausladenden Geste auf das Grossraumbüro, in dem, abgetrennt in halbhohen Kabäuschen, mehrere Dutzend Leute sassen, von denen nur die Köpfe zu sehen waren. Zu hören war ein Stimmengewirr von unzähligen Telefongesprächen. «Da hast du wohl recht», sagte er. «Aber vielleicht gemeinsam mal einen Kaffee trinken? Wie wär’s mit morgen nach Feierabend?» «Das wäre schön. Allerdings … » Sie spürte den Drang, eine klitzekleine Lüge anzubringen, um sein Interesse anzukurbeln: «Ausgerechnet morgen geht es mir nicht. Da bin ich zu einem Casting eingeladen.» Sie bemerkte, wie Babette, die etwas weiter vorn sass, ungläubig die Augen verdrehte. «Ein Casting?», fragte Philipp. «Tatsächlich? Fürs Fernsehen?» «Kino», sagte Elvira so laut, dass Babette es mitkriegen musste. «Aber es ist nur eine kleine Rolle. In Marc Forsters neuem Film.» «Forster? Du meinst den Marc Forster? Mister James-Bond-Forster?» Seine Stimmlage hatte sich einen Tick erhöht. Elvira nahm es mit Entzücken wahr. «Ach», sie winkte ab, «ich hab das schon ein paarmal gemacht. Es ist immer das Gleiche. In erster Linie ist es ein ewiges Warten. Auf den Kameramann. Auf die Regieanweisungen. Auf die Klappe.» Das hatte sie irgendwo gelesen. Es hörte sich sehr echt an. Philipp nickte bewundernd. «Dann drück ich dir die Daumen, dass du die Rolle kriegst. Wie wär’s mit übermorgen?» Elvira überlegte sich eine Steigerung der bereits verheissungsvollen Ausgangslage, aber ihre Schlagfertigkeit liess sie für einmal im Stich, darum erwiderte sie nur: «Gern.» Das war der einzige Wortwechsel mit Philipp an diesem Morgen. Seine neuen Aufgaben wurden ihm zugeteilt, er hörte zu, machte sich Notizen, dann nahm er seine ersten Anrufe entgegen und führte Buch über die Termine. Elvira beobachtete ihn ab und zu aus dem Augenwinkel. Er lernte schnell. Andererseits war die Arbeit auch keine grosse Sache. Das Callcenter «Dental Urgent» war zuständig für zahnärztliche Notfälle in der Stadt. Die meisten Anrufer klagten über Schmerzen, über herausgefallene Füllungen oder entzündete Weisheitszähne und brauchten unverzüglich einen Termin. Die «Callies», wie die Mitarbeitenden von «Dental Urgent» sich selbst nannten, hatten Zugriff auf die Datenbanken der Zürcher Zahnarztpraxen, die sich zu einem Verband zusammengeschlossen hatten und einen Teil ihrer Termine extern verwalten liessen. Elvira hatte, seit sie hier arbeitete, schon alles erlebt. Besorgte Mütter, deren Zwillinge gleichzeitig zahnten. Geschäftsleute, die zwischen zwei Meetings eine Vollsanierung ihres Gebisses forderten. Alte Frauen, die erzählten, sie hätten statt Zähne nur noch schwarze Stummel im Mund, da sie wegen ihrer Phobie seit Jahren nicht mehr beim Zahnarzt gewesen seien. Elvira hörte gerade mit halbem Ohr, wie Philipp eine Anruferin, die an einem eitrigen Backenzahn litt, zu Doktor Thaler überwies, als ihre Linie blinkte. Sie setzte das Headset auf. «Dental Urgent, Elvira Stettler, wie kann ich Ihnen helfen?» Eine verzweifelte Stimme ertönte: «Ich weiss nicht mehr weiter.» «Sind Sie Neukunde bei uns?» «Ja.» Elvira öffnete die Computerdatei für Neuanmeldungen. «Bitte schildern Sie mir Ihr Problem.» «Meine Freundin macht Schluss mit mir.» «Äh … Sie sind hier verbunden mit der zahnärztlichen – » «Ich weiss, ich weiss! Sie will mich nicht mehr, weil ich schräge Zähne habe. Ich muss unbedingt etwas tun.» «Ist es ein Notfall?» «Natürlich! Das hab ich Ihnen doch gerade erklärt. Meine Freundin lässt mich sitzen, wenn ich meine obere Zahnreihe nicht richten lasse!» «Ich meine, ist es ein medizinischer Notfall?» «Ich tu mir was an, wenn sie mich verlässt – dann ist es ein medizinischer Notfall, verdammt nochmal!» Elvira seufzte. So was hatte sie schon x-mal erlebt. Die Leute glaubten, wenn sie besonders schwerwiegende Umstände geltend machten, bekämen sie einen Termin am gleichen Morgen. Sie versuchte, den Mann zu beschwichtigen, und verschaffte ihm in zwei Tagen eine Abklärungsstunde bei Doktor Mühleberger, was ihr Gesprächspartner mit den Worten «wenn ich dann noch lebe» quittierte. Weitere Anrufe folgten. Ein Besoffener beschwerte sich, er sei mit idiotischer Musik zehn Minuten in der Warteschlaufe hängengeblieben, inzwischen sei sein Zahn von selbst ausgefallen, eine Serbin wollte auf keinen Fall zu einem albanischen Zahnarzt, und zwei gackernde Teenies verlangten ein Gebiss wie Paris Hilton. Kurz vor zwölf war Elvira erschöpft. Sie warf einen Blick zu Philipp hinüber, der in ein Gespräch vertieft war, während er mit der Maus von Tabellenspalte zu Tabellenspalte klickte. Sie setzte ihr...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.