Demirtel / Findeisen / Schürer DSA: Sternenleere
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95752-255-9
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Schwarze Auge Kurzgeschichtensammlung
E-Book, Deutsch, Band 158, 340 Seiten
Reihe: Das Schwarze Auge
ISBN: 978-3-95752-255-9
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
DSA5 Kurzgeschichtenband Sterne fallen vom Himmel und auf Aventurien haben Menschen wie Nichtmenschen, von Bauer Alrik bis hin zu Klerus und gekrönten Häuptern, Visionen vom Untergang, richtige und falsche, mögliche und unmögliche. Die Mauern Alverans erbeben, die Ketten des Dreizehnten Gottes rasseln, und wenn eine Entität mächtig wie er auch nur den kleinen Finger rührt, werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Die Weltzeitwende bringt große Veränderungen für Aventurien mit sich, und allein wackere Helden mögen das Zünglein an der Waage sein, wenn es um das Schicksal eines gesamten Kontinents, ja einer gesamten Welt geht. Dieser Kurzgeschichtenband versammelt Geschichten rund um das schicksalhafte Ereignis des Sternenfalls. Enthalten sind mehr als 20 phantastische Geschichten, welche die Leser in die verschiedensten Winkel Aventuriens führen und manchmal sogar darüber hinaus.
Eevie Demirtel ist seit 2011 Teil der Redaktion des Rollenspiels 'Das Schwarze Auge' und schreibt Romane, Kurzgeschichten, Spielhilfen und Abenteuer für Ulisses-Spiele. Neben der redaktionellen Betreuung der Rollenspiel-Publikationen fingiert sie für diesen Band als Herausgeberin. Sie war schon eine begeisterte Leserin bevor sie zu schreiben begann und absolvierte sogar eine Ausbildung zur Sortimentsbuchhändlerin.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Pflicht - Teil 1
Marie Mönkemeyer
Kräuterkunde
Gudrun Schürer
Der Marsch der Hundert
Stefan Schweikert
Der seltsame Fall des Gero Hutmann
M. A. Lippert
Wasser zu Sand
Eevie Demirtel
Von Brüdern und Freunden
Jens Ullrich
Die Zorganer Fragmente
Alex Spohr
Krabbeln und Kriechen
Daniel Heßler
Sieben des Feuers
Lena Zeferino
Hinter der Maske
Marco Findeisen
Die Himmelssphäre
Eevie Demirtel
Seelenbruder
Judith C. und Christian Vogt
So finster die Nacht
Marie Mönkemeyer
Inmitten der Nacht
Josch K. Zahradnik
Dunkelstern
Mike Krzywik-Groß
Das Zwinkern des Fuchses
Carolina Möbis
Familientreffen
Daniel Simon Richter
Madas Kelch
Carolina Möbis
Jenseits des Aschehimmels
Michael Masberg
Der Fall an der Unteren Ele
Daniel Heßler
Pflicht - Teil II
Marie Mönkemeyer
Der Stein des Anstoßes
Josch K. Zahradnik
Tod einer Löwin
Marco Findeisen
Ein Gespräch unter Freunden
Josch K. Zahradnik
Pflicht – Teil I
von Marie Mönkemeyer Bei Porta Yaquiris, 290 Jahre vor Bosparans Fall »Wir hätten dort sein sollen! An ihrer Seite streiten! Es waren unsere Kameraden! Wir haben sie im Stich gelassen und jetzt sind sie tot!« Die Stimme von Reitereipräfekt Aradnus war ein dumpfes Grollen voll Zorn und Verzweiflung. »Und die Löwenanbeter werden noch nicht genug Blut vergossen haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie kommen. Bis dahin sollten wir wissen, mit welcher Taktik wir ihnen begegnen.« Centurio-Maga Cirania war eine zutiefst praktisch veranlagte Frau, die den Blick stets nach vorne richtete. Nur der harte Griff um ihren Magierstab zeigte die Gefühle, die in ihrem Inneren brannten. Ich schwieg, auch wenn ich wusste, dass sie auf meine Worte warteten. Zwei Monate zuvor war die Schlacht an den Bluthügeln geschlagen worden. Eine große Entscheidung, ein Götterduell hatte es sein sollen, wer es verdient als Gott des Krieges verehrt zu werden: Rahandra oder Shinxir. Die Diener der Löwengöttin hatten betrogen und gesiegt. Von den Streitern Shinxirs war niemand am Leben geblieben. Ich war nicht bei ihnen gewesen. Und das, obwohl ich ein Priester des Göttlichen Feldherrn war. Aber mein Platz war seit 36 Jahren bei den Legionen, ich konnte die Männer und Frauen nicht allein ihrem Schicksal überlassen. Als meine Brüder und Schwestern zu den Waffen riefen, hatte ich mich viele Stunden im Wesen unseres Gottes versenkt. Doch ganz gleich, wie ich in der Meditation die Steine auf dem Spielbrett bewegte oder mit der Waffe übte, bis mein linkes Bein den Dienst versagte, das Ergebnis war immer dasselbe. Eindeutig und doch kaum verständlich. Shinxir befahl mich in seine Dienste, doch er rief mich nicht zur Schlacht. Er war mein Gott und oberster Feldherr. Was er von mir verlangte, würde ich tun. Und so war ich bei der Legion geblieben. Seit der Schlacht an den Bluthügeln herrschte Rahandra als einzig wahre Kriegsgöttin. Und seitdem kroch Angst in dicken, zähen Strömen zwischen den Zelten hindurch. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Glaube an Shinxir verboten, Priester exekutiert und Gläubige aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Offiziere wie Soldaten duckten sich, passten sich an und leisteten Bekenntnisse zu Rahandra. Oder sie glaubten, dass dies wahrhaft der Wille der Götter war. Und so kam es, dass wir jeden Abend zu dritt in meinem Zelt saßen statt in der Offiziersmesse und unausgesprochene Fragen den Raum zwischen uns füllten. Aradnus und Cirania waren mehr als tief gläubige Kameraden und gute Offiziere, sie waren Freunde, beide bereit, ohne Zögern ihr Leben für mich zu geben. Sie nahmen mit Schweigen Rücksicht auf mich und lenkten ihren Zorn auf die Diener Rahandras und die Offiziere, die mich von einem Tag auf den anderen mieden. Doch sie sehnten sich nach Antworten. Hätten sie mit in die Schlacht ziehen sollen? Sollten sie die verbliebenen Shinxirtreuen um sich scharen und einen Krieg mit den Löwinnendienern beginnen? Sollten sie gar den Tod suchen? Was war Shinxirs Wille? Ich hatte mir diese Frage selbst oft gestellt. Einen Großteil meines Lebens und in den letzten Monaten umso mehr. Ich hatte sie mir gestellt, vor allem aber meinem Gott. Stundenlang hatte ich darüber meditiert, bis die schwarzen und goldenen Quadrate des Spielbretts meinen Geist ausfüllten und alles andere verdrängten. Zwölf mal zwölf Felder, schwarz und gelb wie eine Hornisse, ordentlich wie ein Legionslager. Ein Spiel, das Taktik forderte, planvolles Vorgehen und schnelle Reaktion auf unerwartete Züge des Gegners. System und Taktik, Disziplin und Ordnung, Kameradschaft und Gemeinschaft. Auch jetzt richtete ich meinen Blick fest auf das Spielbrett, das auf dem Tisch stand, umrahmt von Aradnus’ und Ciranias Weinpokalen. Ich hatte es seit über einem Jahr nicht mehr weggeräumt. Zwölf mal zwölf Felder, darauf für beide Spieler jeweils zwölf Steine. Einzeln hatte keiner von ihnen Bedeutung. Nur im Zusammenspiel der Gruppe hatten sie Bedeutung – wie eine Legion. Um zu siegen, mussten sie richtig eingesetzt werden, systematisch und überlegt. Ein einzelner Stein konnte wertlos werden. Oder, von der Gemeinschaft gestärkt, auf der richtigen Position den Sieg ausmachen. Shinxir war kein ungestümer Kämpfer, der sich unbedacht gegen jeden Herausforderer warf. Er war ein Feldherr, ein Stratege, der im Voraus plant und seine Reserve nicht sinnlos verheizt. Und er war mein Gott. »Übrigens, sollten sie dich verhaften wollen, ich halte immer mein schnellstes Pferd für dich bereit«, brach Aradnus in meine Gedanken ein und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Ich riss den Blick von den schwarzen und goldenen Feldern los. Es würde ein wirklich gutes Tier sein, als Präfekt der Reiterei war er anspruchsvoll. Aber ich brauchte es nicht. »Danke, aber das ist nicht nötig.« »Wenn du meinst.« Er zuckte skeptisch die Achseln und griff nach dem Wein. »Ja. Ich werde nicht fliehen. Es ist Zeit für Taten.« An der Art, wie sich Cirania vorbeugte und Aradnus kurz in der Bewegung stockte, erkannte ich, dass sie darauf gewartet hatten. Auch Offiziere saßen nicht gerne herum, ohne zu wissen, wann oder ob es neue Befehle gab. »Wenn auch wir als Märtyrer sterben, wer soll dann Shinxir dienen? Wer soll die Heiligtümer bewahren und wer den Streitenden ehren? Ihr wisst, was man tut, wenn man eine Schlacht verliert. Setzt man sich in die Ecke und weint? Nein! Man zieht sich zurück, sammelt die Kräfte und formiert sich neu. Und genau das werden wir tun. Heute mag die donnernde Löwin gesiegt haben, doch das heißt nicht, dass es immer so sein muss, oder gar, dass der Krieg vorbei ist. Die nächste Schlacht kommt, und eines Tages wird Shinxir wieder die Verehrung zuteil, die ihm gebührt.« Sie sogen Trost aus meinen Worten und vorsichtige, zögerliche Hoffnung. »Wenn der Krieg nicht vorbei ist, sollten wir dann nicht eine Armee aufstellen und sie gegen Rahandras Diener führen?« Cirania suchte immer nach einer Möglichkeit zu handeln. »Nein. Wir ziehen uns zurück. Ihr könnt in der Legion bleiben, wenn ihr wollt, ich werde mich als Privatmann auf dem Besitz meiner Familie niederlassen.« »Also doch abhauen«, grummelte Aradnus in seinen Pokal. Ich warf ihm einen tadelnden Blick zu, unter dem er rot wurde und Haltung annahm wie ein gescholtener Rekrut. »Bitte um Entschuldigung!« Ich winkte ab, bevor er ausgesprochen hatte. Aradnus stammte aus dem Grenzland zu Corapien und seine Umgangsformen waren allem Drill zum Trotz noch immer so schroff und wild wie seine Heimat, das würde sich nie ändern. »Meinst du, dass du dort sicher bist?«, fragte Cirania. »Ja. Ich werde alt und bin noch dazu ein Krüppel. Welche Gefahr soll ich schon sein?« Ich tippte auf mein linkes Bein und lächelte. »Du bist kein Krüppel«, widersprach mir Cirania entschlossen. Noch etwas, das sich nie ändern würde. Sie brauchte es für sich selbst, dieses Wort nie zu akzeptieren, einfach um sich zu vergewissern, dass sie alles ihr Mögliche getan hatte. Ich war noch ein junger Mann gewesen und sie noch in der Ausbildung, als ein feindlicher Pfeil mein Pferd traf. Im Sterben begrub mich das Tier halb unter sich und ich wäre sicher in Shinxirs jenseitige Heerscharen eingegangen ohne Cirania. Sie half, mich unter dem Pferd hervorziehen, und heilte unter großem Risiko für ihr eigenes Leben meine schlimmsten Verletzungen. Dass ich lebte und wieder laufen konnte, wenn auch hinkend, verdankte ich ihr. »Sollen mich doch einige so sehen. Du weißt, der gefährlichste Feind ist der, den man unterschätzt.« »Ja.« Sie nickte. »Du sagst, zurückziehen und warten. Bis wann?« »Bis zu Shinxirs nächster Schlacht.« Aradnus runzelte die zauseligen Brauen, Cirania sah aus, als würde sie innerlich die Augen verdrehen ob der Offensichtlichkeit meiner Antwort. Die Wahrheit war für einen sterblichen Geist nicht einfach zu erfassen. Aber ich brauchte die beiden, alleine würde ich an dem Vorhaben scheitern, nicht heute oder morgen oder in einigen Jahren, aber wahrscheinlich irgendwann später. Ich konnte meine priesterliche Autorität nutzen, aber sie würde mich nicht überleben. Die beiden mussten überzeugt dabei sein. Deswegen musste ich ihnen erklären, wofür ich selbst kaum Worte hatte. »Es wird vielleicht eine sehr lange Zeit sein. Der Streitende ist ein Gott, und Götter ... sie ... sie denken in anderen Dimensionen. Für sie sind wir klein, wie ein Stein auf dem Spielbrett. Zeit ist für Götter ... anders. Hundert Jahre mögen für uns Sterbliche sehr lang sein, doch für Götter sind sie kaum länger als ein Augenblick. Es wird einen Tag geben, an dem Rahandras Schwert stumpf wird und Shinxir erneut gegen sie kämpft. Dieser Tag wird kommen, ich weiß es, ich habe es gesehen! Aber ich weiß nicht wann. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es an diesem Tag immer noch Menschen gibt, die Shinxirs Kampf hier, im Diesseits, auf der Erde, unterstützen, damit...