E-Book, Deutsch, 78 Seiten
Delon Fehlpass mit Folgen
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7309-2140-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Gay Romance / Junge Liebe
E-Book, Deutsch, 78 Seiten
ISBN: 978-3-7309-2140-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hausarrest mit achtzehn. Gibt es was Peinlicheres? Doch Benedikt hatte wirklich über die Strenge geschlagen, als er mit Freunden den Wagen seines Vaters auslieh und sie einen Unfall bauten. Sein Vater bleibt hartnäckig. Er schleppt ihn sogar mit auf ein Freundschaftsspiel des örtlichen Fußballvereins. Dort wird Benedikt im wahrsten Sinn des Wortes vom Schicksal getroffen. Homoerotische Kurzgeschichte / Young Love.
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2. Zweiundzwanzig kickende Gehirnakrobaten
In Unterhosen musste er mich nicht mitschleifen, diese Genugtuung bot ich ihm nicht. Ich machte mir aber auch keine Mühe, mich in ordentliche Kleidung zu hüllen. Meine alte zerrissene Jeans, das ausgebeulte und in hunderten von Maschinenwäschen ausgebleichte Sweatshirt mit dem provozierenden Spruch „Spießerpack find ich zum Kotzen!“, der von dem eben dies tätigenden Konterfei von „Beavis and Butthead“ noch untermalt wurde, welches ich mir vor Jahren mal aus dem Internet bestellt hatte, und ausgetretene Turnschuhe, genügten, um meine Meinung über diese Nachmittagsbeschäftigung kundzutun. Mein Vater sagte nichts zu meinem Aufzug. Es wäre ohnehin sinnlos gewesen. Wir hätten uns in endlose Diskussionen verstrickt, die zu dem Erfolg geführt hätten, dass er es vielleicht doch gewagt hätte, mich in Unterwäsche zum Fußballplatz zu zerren. Mit den Kopfhörern im Ohr, die laute Rave-Musik direkt in die Gehörgänge dröhnen ließen, versuchte ich, den Nachmittag irgendwie zu überstehen. Okay, dann stand ich eben zwei Stunden gelangweilt am Rand, wenn er das unbedingt wollte. Aber so einfach machte es mir mein Vater nicht. Er riss mir die Stöpsel aus den Ohren und quatschte mich unentwegt über den Spielverlauf voll. Für diese ballschubsenden Hirnis hatte ich keinen einzigen Blick übrig. Vielmehr ließ ich meinen Blick über das angrenzende Weizenfeld schweifen oder starrte meine Füße an. Es war ein sonniger Tag, nicht unbedingt heiß, aber auch nicht kalt. Es ging kaum Wind. Die weißen Schäfchenwolken am hellblauen Himmel bewegten sich unbedeutend. Genauso unbedeutend, wie das Fußballspiel, das sich in meinem Rücken abspielte, denn ich hatte mich umgedreht, mich gegen den Querbalken der Abgrenzung gelehnt und war in brütendes Schweigen verfallen. Den provozierenden Spruch von „Beavis and Butthead“ auf meinem Rücken, reckte ich absichtlich in Richtung Spielfeld. Die konnten mich mal allesamt. Da mir mein Vater ständig die Ohrhörer herunterriss, gab ich es irgendwann auf und schaltete meinen MP3-Player ab. „Es täte dir gut, dich mal etwas mehr für das Spiel zu interessieren, Benedikt“, ermahnte mich mein Vater. Ich knurrte nur missmutig. „Es täte dir auch gut, dich etwas mehr zu engagieren“, fuhr er ungerührt fort. „Dieter könnte dich bestimmt in der Mannschaft unterbringen.“ Ich gab einen verächtlichen Laut von mir. Ich und Fußballspielen, bei Dieter als Trainer? Pah! Abgesehen davon, dass die Abseitsregel einfach nicht in meinen Kopf wollte, hatte ich das letzte Mal im Sportunterricht der Abschlussklasse gespielt und mich, auch da, geschickt als Ersatzspieler aufstellen lassen. Ich kam beinahe nie zum Zug und konnte es mir auf der Bank gemütlich machen. Ich war eh ein mieser Kicker und niemand wollte mich gern in der Mannschaft. Außerhalb davon war es natürlich etwas anderes. Da war ich immer beliebt gewesen und hatte stets einen großen Freundeskreis. „Joachim spielt in der U19 und studiert Architektur. Daran solltest du dir ein Beispiel nehmen.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt, dass er mich mit dieser fiesen Ratte verglich. Es war mir sowas von scheißegal, was Joki jetzt machte. Und wenn er in der Gosse lebte und Abfälle aus den Containern von Aldi klaute. Mir doch egal. „Dann adoptiere ihn doch!“, murrte ich und rückte ein Stückchen von ihm weg. Wenn ich nicht auf meinen Erzeuger angewiesen wäre, hätte ich längst ein eigenes unbeschwertes Leben. Zwei Jahre noch, sagte ich mir im Stillen vor. Zwei Jahre, dann war meine Ausbildung zu Ende und ich konnte das große Geld verdienen, mir eine eigene Bude leisten und endlich so leben, wie ich es mochte. Die Welt gehörte mir. Es galt, sie mir einfach zu nehmen. Zwei Jahre noch. Und vier Wochen Hausarrest. „Ihr solltet euch mal wieder treffen“, plauderte mein Vater munter weiter. „Wer?“, murrte ich, keine Ahnung, was mir sein letzter Satz sagen sollte. „Joachim und du. Vielleicht kann er dir helfen?“ „Helfen bei was?“ Ich stieß mich von dem Querbalken ab und drehte mich entrüstet in die Richtung meines Vaters. Bei was könnte mir jemand wie Joachim Joki Schmied helfen, diese unförmige Abwandlung eines besser wissenden, stets hämisch grinsenden Großmauls, der es ebenso grandios verstand, sich bei allen einzuschleimen, wie er es auch geschafft hatte, mich bei jeder Gelegenheit anzuschwärzen. Bei was sollte er mir helfen? „Das ist jetzt nicht dein Ernst? Oder? Ich kann diesen Arsch nicht ausstehen. Lass mich mit ihm zufrieden.“ „Es ist doch jetzt acht Jahre her. Ihr habt euch beide verändert.“ „Du kannst mich mal!“, blaffte ich verächtlich, drehte mich um und brachte ein paar Schritte Abstand zwischen uns. Nein, damit brauchte er mir nicht zu kommen. Fünf Meter weiter, lehnte ich mich wieder gegen den Holzbalken, stöpselte die Kopfhörer in meine Ohren und ließ mich volldröhnen. Dass sich mein Vater ausgerechnet jetzt in den Kopf gesetzt hatte, aus mir einen Spießer zu machen, gefiel mir ganz und gar nicht. Er sollte mich in Ruhe lassen. Ich konnte mein Leben ganz gut selbst gestalten. Gut, in letzter Zeit lief es nicht sonderlich positiv. Meine Leistungen in der Berufsschule sackten gerade in den Keller. Ich wusste selbst nicht wieso. Irgendwie brachte ich den Kopf nicht mehr auf, mich auf mathematische Gleichungen und komplizierte Formeln zu konzentrieren, obwohl mir das früher großen Spaß bereitet hatte. Mein Ausbilder musste mich öfter zur Ressort rufen und einmal war ich im Unterricht sogar eingeschlafen. Aber da hatte ich die halbe Nacht anstatt über Lehrstoff, lieber vor dem PC verbracht und die Updates auf den Schwulen-Seiten abgecheckt. War alle paar Wochen notwendig. Wenn ich an die leckeren Bilder dachte, wurde mir ganz warm im Schritt. In letzter Zeit dachte ich auch öfter über einen festen Freund nach, aber die Kandidaten, die ich mir aussuchte, waren entweder nicht schwul oder bereits vergeben. Mehrmals hatte ich auch schon darüber nachgedacht, zu einem der Cruising-Treffpunkte für Schwule zu gehen, um endlich mal einen echten Fick zu haben. Aber dazu reichte mein Mut noch nicht. Noch nicht einmal Gummis und Gleitgel hatte ich mir besorgt, um für den Verlust meiner Jungfernschaft jederzeit gewappnet zu sein. Immer bekam ich kurz vor der Kasse so viel Bammel, dass ich die Sachen einfach irgendwo ablegte und ohne sie den Laden verließ. Mehr als andere Paare – Heteropaare – beim schüchternen Rumknutschen und Fummeln in der Toilette der Berufsschule oder des Gymnasiums zu beobachten war noch nicht gewesen. Wenn ich zum Schuss kommen wollte, musste ich es mir selbst besorgen. Ich seufzte unmerklich und drehte die Musik lauter, als die Leute, die das Spiel mitverfolgten, begeistert zu jubeln begannen. Offensichtlich war gerade ein Tor gefallen. Für wen interessierte mich nicht im Geringsten. Der Spruch auf der Rückseite meines Shirts sollte meiner Begeisterung für das Spiel genug als Antwort sein.
Plötzlich wurde ich von etwas am Hinterkopf getroffen. Der Aufprall war so hart, dass ich nach vorn katapultiert wurde. Die Kopfhörer flogen aus meinen Ohren und ich sah nur noch, dass der kiesige Boden, der das Spielfeld umrahmte, rasend schnell entgegen kam. Ob ich es noch schaffte, meine Arme hochzureißen, um meinen Sturz abzufangen, wusste ich nicht mehr. Meine Sinne schwirrten. Meine Wahrnehmung setzte erst wieder ein, als ich auf dem Boden lag, die Augen öffnete und direkt in das Gesicht meines Vaters blickte. „Benedikt? Alles in Ordnung?“ Ehrliche Sorge stand in seinem Gesicht geschrieben. Auch wenn das Licht hinter ihm war und es in Schatten tauchte, konnte ich sehen, dass er bleich geworden war. Verdammt, ich wusste, warum ich Fußball hasste. Als Kind hatte ich schon einmal einen Ball mit voller Wucht an den Kopf bekommen. Eine Gehirnerschütterung und zwei Wochen Krankenhausaufenthalt waren die Folgen gewesen. Damals hatte ich für mich entschieden, dass Fußball nie ein Sport für mich sein würde. Ich fauchte wütend und rappelte mich wieder auf. Mein Kopf begann zu dröhnen. Ich hielt ihn mit beiden Händen. Mir wurde schwindelig. Daher blieb ich noch sitzen, bis das Karussell aufgehört hatte, sich zu drehen. Das Spiel war indessen weitergegangen. Niemand außer meinem Vater schien sich dafür zu interessieren, wie es mir ging. Er half mir auf die Beine und stützte mich, bis ich wieder sicher stehen konnte. Ich lehnte mich an den Holzbalken, umklammerte ihn mit einer Hand, während ich mir mit der anderen die Stelle rieb, an der mich der Ball getroffen hatte. Das gab sicherlich eine dicke Beule. „Geht's wieder?“, fragte mein Vater weiterhin besorgt. Ich nickte langsam. Der Verursacher selbst schien es nicht für nötig zu halten, zu mir zu kommen und sich zu entschuldigen. Andererseits war das Spiel weitergegangen und der Spieler hatte vermutlich...